Von 1953 bis 1955 entwickelte Porsche einen Jagdwagen für die künftige Bundeswehr. Als Antrieb diente der modifizierte Vierzylinder-Boxer aus dem 356 mit 50 PS. Abgesehen von allem anderen handelte es sich um das erste Allradfahrzeug unter dem Namen Porsche, weil dem Heckantrieb ein Vorderradantrieb zugeschaltet werden konnte. Das Fahrzeug sollte die im zweiten Weltkrieg genutzten Motorräder mit Beiwagen ersetzen. Neben Porsche bauten auch die Auto Union aus Ingolstadt sowie Borgward aus Bremen Prototypen für das geplante Fahrzeug. Der Prototyp von Porsche hatte eine Steigleistung von 65 Prozent. Zudem war er schwimmfähig. Aus von finanziellen und arbeitsmarktpolitischen Gründen ging der Auftrag der Bundeswehr nicht an Porsche, sondern an die Auto Union, den Vorläufer von Audi. Trotzdem baute Porsche insgesamt 71 Jagdwagen, von denen 49 an zivile Kunden verkauft wurden.
Was Porsche entwickelt und verworfen hat
1994 entwickelte Porsche den C88 für den chinesischen Markt. Der Hersteller reagierte damit auf eine Ausschreibung der chinesischen Regierung, an der 20 internationale Autobauer teilnahmen. Gesucht war ein einfaches, günstiges und kompaktes Familienfahrzeug für die Massenmobilisierung in China, vergleichbar mit dem VW-Käfer in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.
Porsche hatte den C88 in vier Monaten entwickelt. Mindestens 40 Prozent aller eingesetzten Ressourcen sollten aus China stammen. Der damalige Vorstandschef Wendelin Wiedeking präsentierte das Fahrzeug im November 1994 in Peking – auf Mandarin. Die Rede hatte er vorher in Lautschrift einstudiert. Das Fahrzeug war stark auf chinesische Bedürfnisse ausgerichtet, die 88 ist zum Beispiel ein Glückszahl in China. Neben einer günstigen Basisversion waren eine Standardvariante und eine luxuriöse Stufenheck-Limousine geplant. Auch der Innenraum orientierte sich am Geschmack chinesischer Kunden. Die Regierung stoppte das Projekt jedoch, bevor ein Sieger gekürt war.
Übrigens: Mercedes trat damals mit dem Minivan FCC an, der eine deutliche Ähnlichkeit mit der wenige Jahre später präsentierten ersten A-Klasse hatte. Aus dem Porsche-Konzept ist nichts geworden. Bisher zumindest nicht. Aber Ideen reifen bei Porsche manchmal etwas länger.
Zu den Ideen, die etwas länger reifen mussten, gehört die eines vollwertigen Viersitzers. Die Idee ist fast so alt wie Porsche selbst, trotzdem wurde sie erst 2002 mit dem ersten Cayenne in Serie verwirklicht. Der erste Entwurf eines Viersitzers ist jedoch mehr als 50 Jahre älter.
Schon 1951 entwickelte Porsche auf Basis des 356, aber mit auf 2400 Millimeter verlängertem Radstand, eine Limousine und ein Cabrio. Beide Fahrzeuge unterschieden sich aufgrund von Änderungen an den Türen und Kotflügeln deutlich von den anderen 356. Das Cabrio verfügte über eine gewölbte Frontscheibe, die später auch beim 356 eingesetzt wurde.
Einen weiterer Versuch in diese Richtung war 1970 der 915 auf Basis des 911 S, dessen Radstand um stolze 35 Zentimeter gestreckt wurde.
Der Porsche 928 H50 entstand 1984 als Geschenk für Ferry Porsche zum 75. Geburtstag. Die Entwickler träumten davon, mit einem entsprechenden Serienmodell Fahrzeugen von Mercedes-Benz und BMW Konkurrenz zu machen. Drei Jahre später wurde das Konzept mit der amerikanischen Firma ASC weiterentwickelt. Während das Geburtstagsgeschenk noch über zwei Türen verfügt hatte, gab es nun deren vier, die hinteren öffneten gegenläufig, zugunsten eines bequemeren Zustiegs hatte man auf die B-Säulen verzichtet. Die Konstruktion hatte allerdings einen Nachteil: Bei Probefahrten stellte sich heraus, dass die Karosseriesteifigkeit nicht ausreichte. Das Serienmodell Panamera Sports Turismo, kam erst 2017 auf den Markt. Manchmal dauert es eben etwas länger - auch bei einer Firma, in der es sonst immer auf Geschwindigkeit ankommt.
Erheblich näher an die Serienfertigung kam der ab 1988 entwickelte 989. Das viertürige Coupé, das Entwicklungschef Ulrich Bez als "Learjet für die Straße" bezeichnete und das Luxus und Geschwindigkeit vereinen sollte, hatte einen 3,6-Liter großen wassergekühlten V8-Motor mit 300 PS unter der Fronthaube und hätte 1994 in Serie gehen sollen. Aufgrund der hohen Kosten und der geringen Absatzerwartungen zog der Vorstand jedoch 1992 die Reißleine und stoppte das schon weit voran geschrittene Projekt. Bez und Vorstandschef Arno Bohn mussten das Unternehmen verlassen. Übrigens: Mitverantwortlich für die Einstellung des Projekts war Wendelin Wiedeking, der damals schon im Vorstand saß - und mehr als zehn Jahre später den Panamera auf den Weg brachte.
Der 1984 entwickelte Porsche 965 sollte 1990 den 911 Turbo ablösen. Äußerlich ähnelte er stark dem Supersportwagen 959, als Antrieb diente ein 3,6 Liter großer V8-Motor von Audi. Obwohl der Motor zwei Zylinder mehr hatte als der des 959, war er mit 234 PS erheblich schwächer, so dass die Fahrleistungen als "eines Porsche nicht würdig" eingestuft wurden. Ende 1988 stoppte Porsche die Entwicklung. Der letzte erhaltene Prototyp, ein mattschwarz lackiertes Fahrzeug, steht im Museum. Von der Entwicklungsabteilung in Weissach wurde er scherzhaft als "Black Bomber" bezeichnet.
Von 1984 bis 1988 arbeitete die Entwicklungsabteilung am Prototyp 984, einem Roadster mit Kunststoff-Klappdach. Ursprünglich handelte es sich der "Auto Bild" zufolge um eine Entwicklung für Seat. Erst als die Spanier das Interesse verloren, entschied man sich, das Auto auf eigene Faust als Porsche zu bauen. Dem Lastenheft zufolge sollte das Fahrzeug ganz im Sinne früherer Porsche-Modelle "höhere Fahrleistungen als vergleichbare Fahrzeuge durch geringere Fahrwiderstände anstatt durch höhere Motorleistung" erzielen.
Für den Antrieb war ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxermotor mit 135 PS vorgesehen, maximal hätten es 150 PS werden sollen. Weil das nur 3,80 Meter kurze Auto dank seiner GFK-Karosserie nur 934 Kilogramm wog, reichte das für sportliche Fahrleistungen. Die Bremsanlage stammte vom 911, Teile des Innenraums vom 944. Anders als der Boxster war der 984 nicht als Einstiegsmodell geplant, sondern hätte zwischen dem 944 und dem 911 positioniert werden sollen. Die Entwicklungskosten lagen bei rund zehn Millionen Mark.
Als Variante hätte es ein Coupé geben sollen, gewissermaßen den Vorläufer des Cayman, für das sogar Allradantrieb als Option geplant war. Aus Kostengründen stoppte der Vorstand das Projekt schließlich im Frühjahr 1988. Der stark gefallene Dollar hatte zu einem Absatzeinbruch auf dem wichtigen US-Markt geführt. Doch Idee eines Roadsters blieb und wurde Mitte der 90er Jahre mit dem Boxster umgesetzt.
Zu den am wenigsten bekannten Prototypen gehört das Porsche Experimental Car. Dabei handelt es sich um einen Versuchsträger aus dem Jahr 1987. Das Fahrzeug besteht aus vier Modulen, einem für das Monocoque, je einem für die Vorder- und die Hinterachse und einem für den Antrieb. Die Module sind aneinander geschraubt, der Motor sitzt im Heck. Mit Hilfe eines ausziehbaren Transaxlerohrs war Allradantrieb möglich. Die Antriebskraft kann dabei zwischen 100 Prozent vorne und 100 Prozent hinten verteilt werden. Das Fahrzeug sollte als Testplattform für verschiedene Fahrzeugkonfigurationen dienen.
Und heute?
Angesichts dieser Vergangenheit fragt man sich unwillkürlich, woran die Entwicklungsabteilung wohl jetzt gerade arbeitet.
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