Der VW-Konzern hat in der Gläsernen Manufaktur damit begonnen – jetzt werden auch andere Automobilfabriken transparent. Immer mehr Hersteller gewähren detaillierte Einblicke in den Fertigungsprozess, um so die Kundenbindung zu erhöhen und die Zeit bis zur Auslieferung zu überbrücken. Während man für den Besuch der Gläsernen Manufaktur noch nach Dresden fahren muss, genügen künftig Mausklick oder Fingerzeig. Mit Webcams und anderen elektronischen Hilfsmitteln nutzen Hersteller wie Porsche oder Mercedes digitale Technologien, um ihre Fabriken virtuell zu verglasen.
Beim Sportwagenhersteller hat gerade ein interdisziplinäres Innovationsteam ein entsprechendes Pilotprojekt entwickelt, um die Kundenkommunikation weiter zu personalisieren, erläutert Robert Ader, der in Zuffenhausen die Marketing-Kommunikation leitet. Noch im Lauf dieses Jahres will er den Kunden damit stufenweise Fotos ihres individuellen Porsche aus den einzelnen Produktionsabschnitten zukommen lassen. „Damit steigern wir die Vorfreude und Begeisterung des Kunden noch vor der Auslieferung, weil er an der Produktion seines Traumautos teilhaben kann. Schließlich ist jeder Porsche ein persönliches Unikat, und ein individuelles Foto ist entsprechend wertvoll.“
Ganz ähnlich funktioniert die Idee der „Production Suite“, die Mercedes-Produktionsvorstand Markus Schäfer im Interview mit der Automobilwoche ins Gespräch gebracht hat. Gemeinsam mit dem Vertriebs- und Marketingressort will er in diesem Jahr den individuellen Mercedes-me-Zugang so erweitern, dass die Kunden einen gezielten Einblick in die Fertigung bekommen.
„Mit der Production Suite kann jeder Neuwagenkäufer verfolgen, in welchem Stadium der Produktion sich sein Auto befindet, ob es gerade lackiert wird, die Montage durchläuft oder die Hochzeit zwischen Karosserie und Motor erfolgt. Damit steigern wir Tag für Tag bis zur Auslieferung die Vorfreude“, erläutert Schäfer.Die Hersteller gewähren damit zwar tiefe Einblicke, aber völlig transparent sind die Verfahren bislang noch nicht. Denn um die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und das Know-how vor der Konkurrenz zu schützen, gibt es keine Live-Schaltung über das Internet. Es wird vor allem mit exemplarischen Fotos gearbeitet. „Für uns steht außer Frage, dass der digitale Wandel unsere Branche grundlegend verändert. Und die Production Suite ist ein Beispiel, wie wir Industrie 4.0 nutzen, um den Kunden einen Mehrwert zu bieten“, sagt Schäfer.
Das sehen nicht alle so: Bei BMW in München etwa hält man nichts von Webcams im Werk, trägt der Neugier der Kundschaft aber dafür auf konventionelle Weise Rechnung: Zumindest ausgewählten Käufern öffnen die Bayern gelegentlich die Türen und lassen sie bei der Produktion ihres Wagens persönlich zuschauen. Dafür müssen sie zwar nach München kommen, sind dann aber auch live und in Farbe dabei.
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