„Voll in der Investitionsschleife“

"Beim Thema Digitalisierung bin ich Überzeugungstäter", sagt Franco Barletta. "Das ist fast eine Leidenschaft." Das spüren auch die Beschäftigten bei SternPartner seit einigen Monaten. Im Herbst 2017 wechselte Barletta zu dem Mercedes-Benz-Vertreter, seitJanuar ist er dort alleiniger Geschäftsführer. Barletta muss SternPartner fit für die Zukunft machen.

Die Aufgabe dürfte genau nach dem Geschmack des 45-Jährigen sein. Schon mit 27 Jahren war er Geschäftsführer eines Smart-Autohauses und stand zuletzt neun Jahre an der Spitze der Mercedes-Benz-Jürgens-Gruppe in Hagen. Erhat das Unternehmen aus einer jahrelangen Krise herausgeholt, die sich 2009 bedrohlich zuspitzte, und die Jürgens-Gruppe zügig wieder auf Kurs gebracht. Die Restrukturierung war so erfolgreich, dass Jürgens kürzlich den gleich großen Mitbewerber Bald AG aus Siegen übernehmen konnte.

Barlettas neues Wirkungsfeld, die Handelsgruppe SternPartner, war im Jahr 2000 aus dem Zusammenschluss von fünf Mercedes-Benz-Vertretern entstanden. Heute beschäftigt die Gruppe an 15 Betriebsstätten 650 Mitarbeiter. 2017 lag der Umsatz bei 224 Millionen Euro.

Mit dem altersbedingten Rückzug des langjährigen Geschäftsführers Thomas Dannacker endete die bisherige Aufteilung der Geschäftsführung in einen kaufmännischen und einen operativen Bereich. Eine Kennzahlenanalyse offenbarte Barletta, dass die Gruppe in einigen Bereichen den Schnitt des Mercedes-Vertreternetzes ver­fehlte. Doch mit den Kennzahlen begnügte er sich nicht. "Ich bin ein detailorientierter Mensch", sagt er.

Der neue Geschäftsführer besuchte alle Betriebe, um sich vor Ort von den Abläufen und den Menschen einen eigenen Eindruck zu machen. Barletta wusste: Eine Neuausrichtung kann nur funktionieren, wenn er die Mitarbeiter von Anfang an einbindet: "Ich will den Menschen nicht meine Lösungen aufzwingen, sondern sie dazu bringen, dass sie diese Lösungen zu ­ihren machen."

Aus der knapp dreiwöchigen Rundreise, den zahlreichen Mit­arbeitergesprächen, den vorhandenen Kennzahlen und der Erfahrung aus der Jürgens-Zeit entwickelte Barletta ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das er Ende Januar 2018 den Mitarbeitern vorstellte.

Das Konzept "Fit for Future" präsentierte er der gesamten Belegschaft im Rahmen eines Sonntagsbrunchs, "damit nicht nur die Gesellschafter, die Führungskräfte, der Hersteller und die ein oder andere Bank Bescheid wissen, sondern auch diejenigen, die es am Ende umsetzen und den Erfolg generieren müssen". Bei den Mit­arbeitern seien die Veränderungen auf große Zustimmung gestoßen. "Es macht sich eine Aufbruchstimmung im Unternehmen breit."

Um die Gruppe in die von den Gesellschaftern gewünschte Richtung zu bewegen, muss der neue Chef nun an zahlreichen Stellschrauben drehen, und zwar an ­allen gleichzeitig, "weil im Autohaus alles mit allem zusammenhängt".

Stellschraube Vernetzung: Die allgegenwärtige Digitalisierung ist für Barletta "kein Modebegriff, ­sondern ich lebe das Thema." Das papierlose Büro ist für ihn Realität. Insgesamt sei die Gruppe in diesem Bereich aber "noch sehr oldschool aufgestellt". Das CRM-System CustomerOne etwa werde von vielen Mitarbeitern nicht angewendet. "Wenn die Führungskräfte es nicht vorleben und ­anwenden, dann tut es auch die Belegschaft nicht. Das System kann seine Wirkung aber nur entfalten, wenn es von allen genutzt und gepflegt wird."

Daher sollen im Unternehmen nun möglichst viele Prozesse digitalisiert werden. Die digitale Buchhaltung kommt noch 2018, ebenso die digitalen Fahrzeugakten. Bis Mitte 2018 soll ein Drittel der Drucker aus den Büros verschwinden.

Um ausreichend Speicherkapazität für die enorme Datenmenge zu haben, investiert die Gruppe allein 200.000 Euro in einen neuen Server und will bis Mitte des Jahres alle Betriebe mit Glasfaserkabel ausstatten. Und künftig soll pro Jahr ein mittlerer bis hoher sechsstelliger Betrag in die IT-Infrastruktur fließen. Barletta: "Wir sind da voll in der Investitionsschleife."

Dazu gehört auch, dass seit Ende Februar die neue SternPartner-Akademie aktiv ist. Hier werden die Anwendung der IT-Systeme sowie die "Prozesskompetenz" vermittelt. 80 Serviceberater, Serviceassistenten und Werkstattmeister wurden im März je zwei Tage geschult, für Monteure gab es Halbtagsschulungen. Barletta kündigt weitere Schulungsrunden an, denn "funktionierende und stabile Prozesse sind die Basis für erfolgreiches Arbeiten im Autohaus."

Eine weitere Stellschraube, an der der neue Geschäftsführer dreht, ist die Spartenverantwortung: "Bisher wurden Neu- und Gebrauchtwagen von derselben Person betreut. Das ist ein grundsätzlicher Widerspruch, denn es sind ganz unterschiedliche Geschäfte." Auch die Sparten Transporter und Lkw werden künftig getrennt geführt – denn "alle Sparten sind höchst ­anspruchsvoll und komplex."

Die Provisionssysteme sind ebenfalls verändert. Künftig er­halten die Verkäufer eine Bruttooertragsprovision, die sie durch bestimmte Maßnahmen fast verdoppeln können. "Was früher über die Jahreszielvereinbarungen gesteuert wurde, läuft jetzt über die tägliche Provision."

Außerdem will Barletta auch die Rabatte eindämmen: "Wir verschleudern Rabatte aus unserer eigenen Marge oder verlieren Geschäfte an den Wett­bewerber, obwohl der Hersteller Programme anbietet, die – richtig angewendet – dem Kunden einen wirtschaftlichen Vorteil bieten und gleichzeitig die Händlermarge verbessern." So will er auch die Anzahl der auf Kundenwunsch geplanten Vorführwagen senken und stattdessen Neuwagen verkaufen.

Bei den Gebrauchtwagen dürfen die Verkäufer nur noch 100 Euro Nachlass zum Auszeichnungspreis geben. "Wer ohne Nachlass verkauft, bekommt von den gesparten 100 Euro 50 Euro als Provision. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Autos wir jetzt ohne Nachlass verkaufen."

Gebrauchtwagen wurden bei SternPartner bisher nach 30 und nach 60 Tagen, danach alle 14 Tage abgepreist – und zwar ohne die Preisabschläge über Vergleichs­werte aus dem Internet zu verifizieren. "Mit diesem starren System wurden attraktive Autos kaputt­gepreist." Jetzt nutzt man für die Preisfindung den Car-Observer.

Das zusammen mit Mobile.de entwickelte Analysetool vergleicht und bewertet den eigenen Fahrzeugbestand mit Konkurrenzmodellen im Netz. Das System ermittelt auch, ob ein Modell im regionalen Markt zu billig angeboten wird. "Wir hatten gleich zu Beginn einen solchen Fall. Der Verkaufsleiter ließ den Wagen um 1000 Euro hochpreisen – und er wurde tatsächlich zu diesem Preis verkauft."

Zudem ging Barletta die Filialstruktur an: Bisher gab es 14 Filialleiter, die jeweils Service und Vertrieb verantworteten. Barletta etablierte eine Center-Struktur, fasste mehrere Filialen zu einem Center zusammen und reduzierte so die Zahl der Filialleiter um ein Drittel. Dabei schreckte Barletta auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurück: Der Servicebetrieb in Schneverdingen wurde Ende Januar vom Netz genommen. Gleichzeitig arbeiten innerhalb der neuen Center-Struktur die Betriebe enger zusammen. So hilft man sich gegenseitig mit Personal oder Vorführwagen aus.

Auch im Service will Barletta die Gruppe in das digitale Zeitalter führen: Spätestens im ersten Halbjahr 2019 plant er die Einführung der von ihm entwickelten Online-Dialogannahme. Barletta: "Das wird den Service-Prozess im Autohaus völlig neu definieren."

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