Ausgerechnet Volkswagen: Der Konzern, der in verkrusteten Traditionen verhaftet schien und erst vor wenigen Jahren wegen des Dieselskandals am Abgrund stand, avanciert zum Börsenliebling. Investoren und Analysten sehen die Wolfsburger plötzlich als Innovationstreiber. VW ist das neue Tesla.
Die große Transformationsstory erzählen – das war seit Längerem Herbert Diess' Plan. Jetzt wird sie dem Konzernchef abgenommen. VW setzt radikal auf Elektromobilität und erntet erste Früchte des Kurses.
Mit der MEB-Plattform für Elektrofahrzeuge, großflächig ausgebauter Batterieproduktion samt Wunderzelle und sechs geplanten Gigafactories in Europa mit einer Kapazität von mehr als 200 Gigawattstunden pro Jahr sieht sich VW bestens aufgestellt. Und dass die Elektromobilität viel früher hochfährt als erwartet, zahlt sich aus. Womöglich kommt VW dem Marktführer Tesla schon 2021 relativ nahe.
Die elektrische Offensive ist aber nur das eine. Das andere ist, die zweite Disruptionsstufe in der Autoindustrie – den Wandel der Hersteller zu Software- und Tech-Konzernen – zu schaffen. Und dieser Wandel ist weitaus komplexer als der Umstieg auf den Elektroantrieb, der unter Ingenieuren fast schon "Commodity" – standardisierte Gebrauchsware – ist.
VW kämpft aktuell in der neuen Softwarewelt mit Startproblemen. Sei es das Projekt Artemis zur Entwicklung eines Hightech-Luxusstromers oder das Softwarehaus Cariad, in der die Betriebssysteme von morgen gecodet werden sollen. Artemis wie Cariad hinken den Zeitplänen hinterher, ist aus Wolfsburg zu hören.
Daher kommt das Schwerste erst noch. Nicht der E-Antrieb, sondern der Aufbau und die Entwicklung neuer Softwaresysteme werden zur Schicksalsfrage des Konzerns.
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