Unternehmen loten Partnerschaften aus

Im Werbevideo funktioniert die Factory 56 bereits bestens. In der digitalen Vorzeigemanufaktur, die Mercedes bis Anfang 2020 in Sindelfingen aus dem Boden stampft, werden in Zukunft neben der S-Klasse und dem elektrischen EQ-Ableger auch Robo-Taxis gefertigt. Das im Film gezeigte Auto, das Mercedes den Einstieg in die Mobilitätsdienste ohne Fahrer ermöglicht, erinnert dabei stark an das 2015 in Las Vegas präsentierte Forschungsfahrzeug F015.

Ganz so avantgardistisch wird die Realität aber nicht aussehen. Stattdessen bildet die Basis der Robo-Taxis, wie aus Entwicklerkreisen zu hören ist, die nächste Generation der S-Klasse, die Anfang des nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen wird. Sie ist mit einer neuen E/E-Architektur ausgestattet, deren Herz die Drive-Pegasus-Plattform des US-Technologieunternehmens Nvidia bildet.

Mit diesem zentralen Rechner können Unmengen von Daten in Sekundenbruchteilen verarbeitet und ausgewertet werden. Das Serienfahrzeug schafft damit automatisiertes Fahren auf Level 3, also beispielsweise auf einem Autobahnabschnitt. Aufgerüstet um Lidar, weitere Sensoren und Kameras kann die S-Klasse vollautomatisiert (Level 4) und sogar fahrerlos (Level 5) unterwegs sein.

Die Technologie dahinter stammt aus dem Projekt "Athena", an dem mehrere Hundert Ingenieure und Softwarespezialisten auf einem eigenen Campus in Stuttgart und im Silicon Valley arbeiten. Seit dem Jahr 2017 bündeln Daimler und Bosch ihre Kräfte beim automatisierten Fahren, um schneller voranzukommen.

Noch in der zweiten Jahreshälfte wollen die beiden Unternehmen einen Pilottest in der kalifornischen Stadt San Jose starten, bei dem S-Klasse-Limousinen die Nutzer an einem definierten Ort auf der Hauptverkehrsachse abholen und automatisch an ihr Ziel fahren. "Dabei werden wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen, um vollautomatisierte Fahrzeuge optimal mit den Nutzern zukünftiger Mobilitätsdienste zu verbinden", sagt Michael Hafner, Leiter automatisiertes Fahren bei Daimler.

Schnelle Erkenntnisse sind notwendig. Denn die Google-Tochter Waymo ist den deutschen Herstellern beim automatisierten Fahren weit voraus. Das Unternehmen hat bereits deutlich mehr als zehn Millionen Testmeilen fahrerlos absolviert und damit mehr Erfahrung als jeder etablierte Autobauer.

Das räumt auch Gerhard Steiger ein, Leiter des Bereichs Chassis Systems Control bei Bosch. Gleichwohl sagt er: "Ich kann bei uns keinen strukturellen Nachteil erkennen." So sei die Lernkurve am Anfang steil, werde aber am Ende immer flacher. Steiger rechnet mit einer breiten Markteinführung der Robo-Taxis für das Jahr 2022.

Beide Stuttgarter Unternehmen haben hierfür einen hohen dreistelligen Millionenbetrag investiert. Um die immensen Kosten für die Technologie zu reduzieren, deutet sich nun eine Ausweitung der Zusammenarbeit an. Es wird immer wahrscheinlicher, dass Daimler und Bosch mehr Partner ins Boot holen und einen gemeinsamen Industriestandard anstreben. Heiß gehandelt wird dabei BMW, eigentlich der schärfste Konkurrent der Stuttgarter.

Im September 2017 eröffnete BMW einen Autonomous Driving Campus, um die eigene Forschung zu beschleunigen. Dennoch liegt eine Zusammenarbeit beim automatisierten Fahren mit dem ewigen Rivalen nahe. Denn beide haben ein Joint Venture gegründet, in dem sie ihre Mobilitätsdienste wie Car2go, Mytaxi oder DriveNow in Zukunft vereinen wollen. All diese Mitfahrservices werden einmal auf autonomen Plattformen laufen. Kaum vorstellbar, dass diese dann auf unterschiedlichen technologischen Standards beruhen.

Beide Unternehmen wollen die Spekulationen offiziell nicht kommentieren. Theoretisch sei ein Einsteuern von Fahrzeugen in die Flotten mit unterschiedlichen Plattformen möglich, sagte Mercedes-Einkaufschef und CASE-Manager Wilko Stark jüngst vor Journalisten.

Er ließ aber auch durchblicken, dass eine Reduzierung von Komplexität und Kosten sinnvoll ist. Denkbar ist deshalb sogar eine noch breiter angelegte Kooperation deutscher Konzerne. Als mögliche Kandidaten gelten VW sowie die Zulieferer Continental und ZF.

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Dazu aus dem Datencenter:

Rahmenbedingungen für autonomes Fahren nach Märkten 2017