„Es ist das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt.“ Verkehrsminister Alexander Dobrindt ist stolz auf den Gesetzentwurf, den mittlerweile auch der Bundestag verabschiedet hat. Dank der neuen Rechtslage, die sehr bald in Kraft treten soll, ist inDeutschland automatisiertes Fahren nach den Levels 3 und 4 erlaubt, nicht aber die höchste Stufe – Level 5. Das bedeutet: Computer dürfen die Fahraufgabe in eingeschränkten Bereichen wie auf Autobahnen übernehmen. Der Fahrer muss aber eingreifen, wenn das System ihn auffordert. Völlig aus der Verantwortung entlassen wird der Fahrer also nicht.
Dobrindt und sein Gesetz sind massiver Kritik ausgesetzt – auch wenn Vertreter aus der Autoindustrie immer wieder betonen: „Wir begrüßen diesen Schritt.“ Kritiker bezweifeln, dass ein abgelenkter Fahrer innerhalb von Sekunden das Steuer in Situationen übernehmen kann, die den Computer im Auto überfordern. In der Gesetzesformulierung heißt es, der Fahrer dürfe sich „vom Verkehrsgeschehen abwenden“, während das System das Auto führt. Esist keine Rede davon, was der Fahrer tun darf, während der Computer das Auto fährt, und wie schnell er im Zweifel das Lenkrad wieder übernehmen muss. „Das ist eine Mischung von beidem ŕ la ,Wasch mich, aber mach mich nicht nass‘“, sagte ein Jurist am Rande des Technischen Kongresses des VDA in Berlin. Der Fahrer dürfe sich abwenden, müsse aber trotzdem schnell aufnahmebereit sein. „Damit schiebt der Gesetzgeber die Verantwortung, diesen Punkt klar zu regeln, von sich.“
Marius Rosenberg glaubt, dass Einzelfallentscheidungen diese Gesetzeslücke füllen müssen. Der Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht mahnt: „Man darf man so ein Gesetz zu Beginn nicht überspannen.“
Michael Molitoris hingegen, Rechtsanwalt und Partner der Münchner Kanzlei Noerr, sagt mit Blick auf die Frage, wie schnell der Fahrer einsatzbereit sein muss: „Wünschenswert wäre, wenn es wenigstens einen klar definierten Minimalstandard geben würde, der diesen Fall regelt.“ Die Hersteller seien gefordert, die Technik so auszugestalten, dass der Fahrer schnellstmöglich übernehmen kann. „Ein Beispiel könnte sein, dass man den Sitz nicht mehr in die Schlafposition bringen kann, wenn man in diesem Modus fährt“, so Molitoris.
Dass das allein nicht ausreichen wird, hat eine Probandenstudie der Universität Southampton gezeigt: Wenn Fahrer in ihrer Fahrposition sitzen und eine Zeitschrift lesen, brauchen sie zwischen drei und 25 Sekunden, um die Fahraufgabe zu übernehmen. Bei Tempo 100 legt ein Auto in dieser Zeit fast 700 Meter zurück.
Audi plant, dass der Fahrer nach Aufforderung innerhalb von sechs bis zehn Sekunden übernehmen können muss. Ob das ausreicht, wird die Praxis zeigen.