Vier Autohersteller produzieren bereits in Ungarn. BMW wird als fünfter dazustoßen. Zudem investieren Zulieferer kräftig. Der sich verschärfende Mangel an Arbeitskräften kann die Investoren offenbar nicht bremsen. (Lesen Sie hier: 25 Jahre Györ: Audis ungarisches Herz)
Suzuki, Opel, Audi und Mercedes-Benz betreiben bereits Werke in dem Land mit 9,8 Millionen Einwohnern. Audi hat gerade im Werk Györ sein Kompetenzzentrum für E-Motoren angesiedelt und lässt dort weitere Fahrzeugmodelle fertigen. Daimler steckt in Kecskemét eine Milliarde Euro in ein zweites Werk. Mit BMW hat kürzlich der dritte Premiumhersteller den Bau eines Fahrzeugwerks in Debrecen angekündigt. Eine Milliarde Euro wollen die Bayern dort investieren.
Im Jahr 2017 belegte Ungarn mit einer Rekordproduktion von mehr als 500.000 Autos im Wert von 25,6 Milliarden Euro Platz neun in Europa. Fast 170.000 Menschen arbeiten in der Branche. Im Land selbst wurden gut 116.000 Pkw verkauft. Mit den neuen Werken dürften die Kapazitäten um 50 Prozent oder mehr steigen. Allein bei BMW sollen 1000 Mitarbeiter 150.000 Einheiten produzieren können. Daimler will dafür 2500 Mitarbeiter einstellen.
700 AutomobilzuliefererIm Land sollen bereits 700 Automobilzulieferer tätig sein. Viele davon investieren. Rehau baut für 150 Millionen Euro eine weitere Fabrik in Ujhartyan, 45 Kilometer nördlich von Daimlers Werken inKecskemét. Dort sollen 700 Arbeitsplätze entstehen. Continental errichtet in Debrecen sein siebtes Werk in Ungarn. Die 100 Millionen Euro teure Elektronikfertigung soll 450 Arbeitsplätze schaffen. Bereits im Mai hat Continental ein Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz eröffnet. Dort ist von 100 Jobs die Rede.
Samsung SDI startete gerade die Fertigung von Antriebsbatterien in einem 325 Millionen Euro teuren Werk in Göd nahe Budapest. Der südkoreanische Batteriehersteller SK Innovation begann im März den Bau einer Batteriefabrik in Komárom an der Grenze zur Slowakei, in die er rund 650 Millionen Euro investieren will. Die Produktion soll Anfang 2020 beginnen. Im Endausbau soll die Kapazität bei 7,5 Gigawattstunden pro Jahr liegen.
Die letztgenannten Investitionen kommen der ungarischen Regierung besonders entgegen. Sie möchte den Fokus verstärkt auf die Zukunftsfelder Elektromobilität und autonomes Fahren legen. Als Anreiz steckt der Staat selbst 145 Millionen Euro in den Bau einer Teststrecke, die für Versuche mit autonomen Fahrzeugen gedacht ist.Der Erfolg Ungarns bei der Ansiedlung von Automobilunternehmen hat nicht zuletzt finanzielle Gründe. So ist die Körperschaftssteuer mit neun Prozent EU-weit konkurrenzlos niedrig. Trotz steigender Löhne betragen die Arbeitskosten nur einen Bruchteil der deutschen Werte. Nicht zuletzt lockt die Regierung mit Investitionszuschüssen in recht unterschiedlicher Höhe. Für die Daimler-Investition von einer Milliarde Euro wird ein Zuschuss von 37,5 Millionen Euro kolportiert. Bei Investitionsprojekten von Zulieferern werden Zuschüsse von bis zu etwa einem Drittel der Investitionssumme genannt.
Als größtes Problem gilt der Fachkräftemangel. Der Zulieferer F.S. Fehrer stoppte ungarischen Medien zufolge kürzlich einen Neubau, weil nicht genug Personal zu bekommen war. Ein weiterer Zulieferer soll eine für Ungarn geplante Fertigungslinie schließlich in Belgien angesiedelt haben. Mit 3,8 Prozent ist die Arbeitslosenquote niedrig, im Raum Budapest sind es gar nur 2,2 Prozent. In den vergangenen sieben Jahren sind 740.000 neue Jobs im Land entstanden.
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