München. Carsharing verändert das Mobilitätsverhalten. Die Flotten großer Anbieter wie Car2go und DriveNow prägen bereits das Bild vieler Großstädte. Doch wer verdient bislang am neuen Trend? Welche Player gibt es und wie funktionieren ihre Geschäftsmodelle? Eine neue Serie der Automobilwoche sucht Antworten auf diese Fragen.
Teilen soll das neue Haben sein
Carsharing ist nicht gleich Carsharing. Es gibt derzeit drei Varianten des Autoteilens: stationsbasiertes Carsharing, die sogenannten Freefloater und privates Carsharing.
Beim stationsbasierten Carsharing werden die Fahrzeuge an festen Punkten abgeholt und müssen nach der Fahrt auch wieder an diese Stationen zurückgebracht werden. Die Anbieter auf diesem Feld sind meist herstellerunabhängig. Einer der größten Anbieter ist Cambio, in Deutschland derzeit in 21 Städten mit 1300 Fahrzeugen vertreten. Fahrzeuge müssen im Voraus reserviert werden. Nutzer fahren mit Cambio-Autos meist Langstrecken, manche nutzen sie sogar für eine Fahrt in den Urlaub. Cambio ist aber noch nicht flächendeckend in Deutschland präsent, sondern vor allem im Norden und Westen.
Zu den großen Freefloating-Anbietern gehören die Daimler-Tochter Car2go sowie DriveNow, das Joint Venture von BMW und Sixt. Aber auch YourCar, ein kleines Start-up aus Göttingen. In einem abgesteckten Geschäftsgebiet, oftmals die Innenstädte, können Nutzer die Fahrzeuge von öffentlichen Parkflächen abholen und nach der Fahrt innerhalb des Geschäftsgebiets an beliebigen Plätzen abstellen. Sie werden per GPS-Signal über eine Smartphone-App geortet und gemietet. Der Vorteil der Freefloat-Angebote: Sie sind spontan und recht flexibel nutzbar.
Beim privaten Carsharing können Autobesitzer ihr Fahrzeug an andere Privatpersonen vermieten. Opels CarUnity zählt zu den Anbietern, ebenso das französische Start-up Drivy. Letzteres gehört zu den zehn Start-ups, die sich auf dem Automobilwoche Kongress in Berlin vorstellen.
Die Bundesregierung will es Carsharing-Anbietern leichter machen, die Innenstädte zu erobern. Ein jüngst entworfenes Gesetz sieht vor, dass die Stellflächen für Carsharing-Stationen um 15 Prozent pro Jahr wachsen sollen. Zudem sollen die Kommunen mehr Carsharing-Autos zulassen, sodass deren Zahl bis 2020 um elf bis 19 Prozent steigt. Laut Gesetz, das im Juli 2017 in Kraft treten soll, können Länder und Kommunen separate Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge ausweisen – so, wie es viele Städte schon für Elektroautos tun. Fahrzeuge der Carsharing-Dienste bekommen dafür eine einheitliche Plakette. Ob Länder und Kommunen dies aber umsetzen, ist offen.
Privates Carsharing wird von diesem Gesetzentwurf ausgenommen, obwohl gerade diese Variante besonders umweltverträglich ist: Es werden nur Autos genutzt, die bereits zugelassen wurden und sonst am Straßenrand stünden. Der Betreiber muss zudem keine eigene Flotte bereitstellen, sondern nur eine Online-Plattform, die Mieter und Vermieter zusammenbringt.
Autohersteller wie BMW und Daimler, die sich mit DriveNow und Car2go einen Namen als Freefloating-Anbieter gemacht haben, versprechen sich vom neuen Angebot nicht unbedingt große Umsätze, sie verfolgen andere Ziele: „Autobauer wollen an neuen Mobilitätsangeboten partizipieren und ein Geschäftsfeld mit Zukunftsperspektive besetzen“, sagt Nikolaus Lang, Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG). Zudem werden laut einer Studie 25 bis 35 Prozent der Carsharing-Nutzer zu Neukunden von Fahrzeugen der Marke, die sie durch das Carsharing kennengelernt haben. Nicht zu unterschätzen ist laut Lang der Marketing-Effekt: „Die Hersteller wollen Teil des Stadtbilds sein und wie selbstverständlich zum Interieur der Stadt dazugehören.“
Carsharing steht aber keineswegs bei allen Autoherstellern hoch im Kurs. „Das ist eine Mobilitätsform, die sich meiner Meinung nach nicht durchsetzt“, sagt VW-Digitalchef Johann Jungwirth. „Es ist nicht attraktiv, wenn man erst noch zum Auto laufen muss, das einige Straßen weiter in der Nachbarschaft steht, aber nicht vor der eigenen Haustür“, glaubt er. Entsprechend setzt Volkswagen auf Ridesharing durch die Kooperation mit dem Start-up Gett, da hier Menschen von Haustür zu Haustür befördert werden.
Auch viele Analysten bezweifeln, dass Carsharing zum Ersatz für den privaten Besitz eines Autos werden kann. Glaubt man deren Prognosen, bleibt Carsharing lediglich eine Ergänzung zum Mobilitätsangebot – neben dem öffentlichen Nahverkehr, Taxis, Ridesharing und eben dem eigenen Auto. „Wir registrieren heute noch keinen nennenswerten Übergang vom eigenen Auto zum Carsharing“, sagt auch Experte Lang. Selbst in einigen Jahren erwartet er diesen nicht. Lediglich ein Zehntel aller registrierten Nutzer würde das eigene Auto verkaufen und stattdessen auf Carsharing setzen.
Carsharing-Anbieter, hinter denen kein Großkonzern steht, müssen wirtschaftlich arbeiten und können das Angebot nicht über das Marketingbudget querfinanzieren. Sie bieten oft nur stationsbasiertes Carsharing an, binden ihre Kunden über langfristig ausgelegte Preismodelle und sind nicht auf spontane Kurzfahrten eingerichtet. Flinkster, das Carsharing-Angebot der Deutschen Bahn, schließt gerade 17 von 50 Mietstationen in Köln, weil die Nachfrage fehlt.
Den Platzhirschen Car2go und DriveNow hingegen geht es nicht primär um finanziellen Gewinn. Car2go investierte in den vergangenen Jahren immer mehr ins eigene Wachstum. Im Geschäftsbericht 2015 stand folglich für die Tochtergesellschaften in den USA, Kanada, Deutschland und Italien ein Verlust von 64 Millionen Euro. „In Berlin und Hamburg sind wir operativ profitabel“, sagt ein Sprecher, ohne ins Detail zu gehen. Die Daimler-Tochter nennt auch keinen Zeitpunkt, zu dem sie die Gewinnzone erreichen will.
DriveNow arbeitet nach eigener Auskunft in Deutschland profitabel. Zu Standorten in Metropolen außerhalb Deutschlands schweigt man lieber. Zudem funktioniert Freefloating laut Car2go und DriveNow nur in Städten ab einer halben Million Einwohnern.
Nach einem Schub der Nutzerzahlen von über einer Million in den vergangenen sechs Jahren in Deutschland rechnet der Bundesverband CarSharing jetzt mit einer Abflachung des Wachstums – vor allem für Freefloating-Anbieter. Sie müssten neue Zielgruppen für sich entdecken, so ein Sprecher, da sich die jetzige Zielgruppe zunehmend erschöpfe.
Das autonome Fahren könnte jedoch einen Wendepunkt beim Carsharing bringen, beispielsweise durch Roboter-Taxis. „Wenn dieses Szenario ab 2035 Wirklichkeit wird, wird es massive Verlagerungen geben – und dann wird es zum Robo-Taxi-Sharing kommen“, sagt BCG-Experte Lang.
VW-Digitalchef Johann Jungwirth ist der Meinung, dass das autonome Fahren ein neues Begehren wecken wird, ein Auto selbst zu besitzen. „Ich bin überzeugt, dass sich dieser Trend bei den Menschen in den Megacitys wieder wenden wird. Denn die selbstfahrenden Fahrzeuge bieten einen ganz neuen Komfort, ein neues Erlebnis, wenn sie zum Wohnzimmer, Büro, Wellness- oder -Fitnessraum oder zur Lounge werden.“
Wer sind die großen Player im Carsharing? Welche Geschäftsmodelle gibt es und wie sind ihre Erfolgschancen? Die neue Serie der Automobilwoche gibt Antworten in folgenden Geschichten:
- Teilen soll das neue Haben sein
- Erst die Strategie, dann der Gewinn
- Kommunales Carsharing wird immer beliebter
- Geld und Geduld sind gefragt
- Teil dir die Fahrt mit mir
Carsharing mit Elektroautos ist ein Wunsch der Politik. Doch die Umsetzung erweist sich als langwieriger Prozess. Die teuren Stromer wirtschaftlich als Carsharing-Flotte fahren zu lassen, ist für herstellerunabhängige Anbieter schwierig. Daher beträgt der Anteil der E-Autos an den Flotten laut Bundesverband CarSharing auch nur rund vier Prozent.
Car2go setzt seit 2011 auch Stromer ein. Derzeit gehören 1310 Elektro-Smart zur 14.000 Fahrzeuge großen Flotte. Das entspricht neun Prozent. In Amsterdam, Stuttgart und Madrid sind sie unterwegs. Der französische Autokonzern PSA, der sein Projekt Multicity 2012 rein elektrisch gestartet hat, lässt mittlerweile auch Verbrenner fahren. Bei Drive-Now hingegen glaubt man fest an die möglichen Synergien: „Carsharing ist einer der größten Treiber für E-Mobilität in Deutschland“, sagt DriveNow-Geschäftsführer Sebastian Hofelich. Doch ihm ist wie allen Beteiligten klar: Es braucht mehr Ladeplätze.