Takata-Europa-Chef Claus Rudolf: "Tun alles, dass Verbraucher sicheres Produkt bekommen"

Herr Rudolf, würden Sie ohne Bedenken in einem Auto mitfahren, das mit Takata-Airbags ausgestattet ist?

Ganz klar ja. Ich habe Vertrauen in unsere Ingenieure und in unsere Produkte. Ich weiß, welch hohe Anforderungen wir bei der Entwicklung stellen. Entgegen vieler Berichte sind die aktuellen Fehlfunktionen zudem nur dann aufgetreten, wenn eine Kollision vorausgegangen war. Es gibt bis heute keinen einzigen Fall einer unvermittelten Auslösung.

Die Straßensicherheitsbehörde in den USA hat dennoch millionenfache Rückrufe angeordnet.

Unsere Mitarbeiter und ich sind zutiefst bestürzt über das, was passiert ist. Wir tun alles dafür, dass die Verbraucher ein sicheres Produkt bekommen und jegliche Bedenken ausgeräumt werden. Unser Hauptaugenmerk gilt dem, was unsere Firmenphilosophie ist. Sicherheitssysteme herzustellen, die Leben retten.

Warum fliegen im schlimmsten Fall Metallsplitter durch den Innenraum, wenn ein Frontal-Airbag auslöst?

Seit mehreren Jahren forschen unsere und unabhängige Wissenschaftler, darunter etwa jene des Fraunhofer-Instituts, an genau diesem Problem. Auch nach 250.000 Tests von Gasgeneratoren aus den Rückrufaktionen können wir nicht sagen, dass das Produkt generell ein Problem hat.

Wann kommt es zu einer Fehlfunktion?

Wir wissen heute gesichert, dass es dreier Faktoren bedarf, um einen solchen Vorfall auszulösen: Die Airbags müssen viele Jahre alt sein. Und sie müssen über diesen langen Zeitraum einer hohen Luftfeuchtigkeit gepaart mit hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen sein. Dann kann es im Fall einer Auslösung vereinzelt zu Absplitterungen des Generatorgehäuses aus Metall kommen.

Fälle mit Verletzten oder gar Toten gab es vor allem in den USA und in Asien. Warum nur dort?

Weil dort klimatische Bedingungen herrschen, die das Potenzial haben, die kritischen Feuchtigkeits- und Temperaturniveaus zu erreichen.

Können Sie also ausschließen, dass dies noch ein europäisches Thema wird?

Das kann ich heute nicht mit absoluter Sicherheit tun. Aber bisher ist bei unseren deutschen Kunden keine einzige Fehlfunktion eines Front-Airbags weltweit aufgetreten, der auf das Thema Alterung zurückzuführen ist.

Ist denn klar, ob es am Produkt selbst oder an der Fertigung liegt?

Wir sehen in den Tests bestimmte Ausfallmuster beim Gasgenerator Ammonium-Nitrat, die sich auf feuchte Regionen und auf Airbags beschränken, die viele Jahre alt sind. Andererseits ist uns weltweit keine einzige Fehlfunktion eines Fahrer- oder Beifahrergenerators bekannt, der in unserem Werk im sächsischen Freiberg produziert wurde.

Wie wollen Sie das Risiko für die Kunden minimieren?

Wir haben uns in Absprache mit den US-Behörden verpflichtet, bis zum Jahr 2018 Gasgeneratoren mit Ammonium-Nitrat nur noch mit Trocknungsmittel zu produzieren. Bei Neuaufträgen darf gar kein Ammonium-Nitrat mehr eingesetzt werden. Und vom Jahr 2019 an müssen wir die Ursachen so genau kennen, dass wir für alle Produkte Entwarnung geben können.

Warum hat die Konkurrenz das Problem nicht?

Ob und welche Probleme andere Hersteller haben, können wir nicht abschließend beurteilen. Die Gasgeneratoren und Airbags anderer Hersteller unterscheiden sich im Design und häufig auch in der Nutzung des Treibsatzes. Aufgrund dieser Unterschiede scheinen die anderen Hersteller nicht von der gleichen Thematik betroffen zu sein.

Wie bewältigen Sie die Massenrückrufe?

Wir haben natürlich hohe Aufwände, um Produktionskapazitäten aufzubauen. Zum Teil müssen wir die Airbags für alte Modelle ja mit neuen Gasgeneratoren entwickeln und durch die Behörden genehmigen lassen. Wir können derzeit weltweit 1,5 Millionen Module pro Monat zusätzlich produzieren, um die Rückrufe abzuarbeiten. Normalerweise produzieren wir etwa 750.000 Frontairbagmodule pro Monat in Europa.

Woher kommen diese?

Der größte Teil davon kommt aus den USA und Mexiko, aber auch in Europa leisten wir unseren Beitrag dafür, etwa in unserem Werk in Freiberg. Trotzdem haben wir angesichts der enormen Zahl zusammen mit den US-Behörden eine Prioritätenliste erarbeitet. Alte Autos aus Florida und anderen Staaten mit feuchtem Klima etwa haben Vorrang.

Bewältigen Sie das allein?

Um diese Volumina zu stemmen, arbeiten wir auch mit unseren Wettbewerbern zusammen und kaufen dort Generatoren ein.

Und die sind solidarisch? Die könnten sie ja auch ausbluten lassen.

Das ist eigentlich nicht die Art und Weise, wie Firmen in der Industrie miteinander umgehen. Das sehen Sie ja auch bei den Herstellern selbst. Wenn einer ein Problem hat, dann hilft man sich durchaus gegenseitig.

Lassen sich die finanziellen Belastungen durch die Rückrufe und mögliche Schadenersatzforderungen der Hersteller beziffern?

Klar ist, dass wir Rückstellungen gebildet haben in einer Größenordnung, die für ein familiär geführtes Unternehmen mit rund fünf Milliarden Euro Umsatz und 50.000 Mitarbeitern weltweit leistbar sind. Aber derzeit geht es in erster Linie um die technischen Lösungen. Die Kunden teilen uns mit, was in den Rückruf geht und was sie an Teilen brauchen. Damit sind wir vollauf beschäftigt.

Das hört sich so an, als würden sie zunächst davon profitieren. Aber wer zahlt am Ende die Zeche?

Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit den Herstellern. Aber lassen Sie mich klarstellen: Wir profitieren in keiner Weise von den zusätzlichen Teilen. Wir würden liebend gerne alles dafür tun, dass die Diskussion um unsere Produkte aufhört.

Sind Sie denn versichert?

Nein, für die betroffenen Zeiträume und Länder, in denen die Vorfälle aufgetreten sind, gilt kein Versicherungsschutz mehr.

Haben Sie denn bereits große Kunden verloren?

Nein, Stand jetzt sind wir immer noch ein willkommener Partner. Unser operatives Geschäft, etwa in Europa, ist gesund. Wir waren und sind Pioniere, was Airbags, Sicherheitsgurte und Rückhaltesystem allgemein angeht. Wir haben eine hohe Fertigungstiefe etwa mit eigener Gewebe- oder Treibsatzproduktion. Deshalb werden wir von unseren Kunden geschätzt.

Die Krise hat also noch keine großen Auswirkungen?

Es gibt natürlich die Vorgabe, mit dem Geld sorgsam umzugehen. Aber wir sparen nicht auf Kosten der Qualität oder laufenden Entwicklungsprojekten mit unseren Kunden. Dafür geben wir nach wie vor Geld aus. Was wir vielleicht verschieben sind beispielsweise Sachinvestitionen in Büros oder Testequipment. Da fragen wir schon, ob das eine oder andere zu diesem Zeitpunkt unbedingt notwendig ist.

Befürchtet werden auch Konsequenzen für die deutschen Standorte.

Stand heute kann ich ausschließen, dass die Rückrufe zu Schließungen deutscher Standorte führen werden. Es gibt momentan auch keine Überlegungen, Mitarbeiter zu entlassen. Dies gilt für das Gasgeneratorenwerk in Freiberg und unmittelbar auch für das Airbag-Werk Aschaffenburg-Nilkheim.

Unmittelbar heißt aber, in Zukunft nicht ausgeschlossen, oder?

Ich kann Ihnen heute nicht sagen, welche Kapriolen die Weltwirtschaft in den nächsten Jahren schlagen wird. Und mehr als zwei bis drei Jahre in die Zukunft kann ich auch für unsere Fertigungsstätten keine Aussagen machen.

Es heißt, Ihr Werk in Ungarn sei nicht ausgelastet.

Wir haben in Ungarn ein neues Airbag-Werk aufgebaut, um unseren Kunden zu folgen und Kapazitäten aufzubauen. Wir brauchen dieses Werk für die Produktionsbalance in Europa und nicht, um deutsche Werke zu schließen.

Ist die Krise aus Ihrer Sicht noch beherrschbar?

Ich weiß, dass ich jeden Tag mit vollem Einsatz daran arbeite, Lösungen für die Kunden und Behörden zu finden. Jeder, der mit einem Takata-Airbag fährt, soll sich sicher sein, dass dieser ihn auch schützt.