Mit dem Taycan hat Porsche seinen ersten rein elektrischen Sportwagen auf die Straße gebracht. Wird er mit Ökostrom geladen, ist er lokal emissionsfrei unterwegs. Doch bei der Produktion benötigt ein E-Auto wegen der Batterie das Eineinhalbfache an Energie im Vergleich zu einem Verbrenner. Die Gleichung stimmt also noch nicht. Porsche hat sich vorgenommen, mit dem Taycan das Thema Nachhaltigkeit auf eine neue Ebene zu bringen. Neben der bereits umgestellten Produktion sollen weitere Teile der Wertschöpfungskette CO2-neutral gemacht werden. "Auch bei der nachhaltigen Performance wollen wir immer einen Schritt weiter sein als andere Hersteller", sagt Produktionsvorstand Albrecht Reimold. Er weiß aber auch, dass es ein weiter Weg ist bis zu einer makellosen Ökobilanz. "Nachhaltigkeit ist wie ein großes Puzzle und besteht aus vielen einzelnen Elementen. Bisher haben wir den Rahmen gelegt. Jetzt gilt es, auch die Mitte auszufüllen." Die Automobilwoche hat den Lebenszyklus des Taycan unter die Lupe genommen, um herauszufinden, wie grün der Elektro-Bolide schon ist.
So grün ist der Taycan
Vor allem Kobalt und Lithium, die für die Batteriezellen benötigt werden, gelten als problematische Rohstoffe. Beim Lithiumabbau wird zum Teil sehr viel Wasser verwendet, bei Kobalt werden soziale Mindeststandards des Abbaus in der Republik Kongo mit einem der größten Vorkommen oft nicht eingehalten. Porsche verweist hier auf die Politik des Volkswagen-Konzerns. Dort heißt es, das Unternehmen engagiere sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Nachhaltigkeitsinitiativen wie der Responsible Minerals Initiative (RMI) oder der Global Battery Alliance des Weltwirtschaftsforums. So soll etwa die Herkunft des Materials nachweisbar gemacht werden. Gleichzeitig will der VW-Konzern den Anteil von Kobalt in seinen Batterien von derzeit 14 auf nur noch fünf Prozent senken. Langfristig soll Kobalt komplett ersetzt werden durch andere Materialien. Inwiefern die Standards in den Abbaugebieten bereits umgesetzt werden, bleibt aber nebulös.
Porsche hat mit rund 20 Prozent eine der geringsten Wertschöpfungstiefen in der Automobilindustrie. Es nützt also wenig, wenn nur Porsche Nachhaltigkeit durchsetzt und die Lieferanten nicht mitziehen. Doch auch hier tut sich was. "Das Thema Nachhaltigkeit wird im Einkauf bei jeder Vergabe als verbindliches Kriterium mit überprüft. Dafür wurde konzernweit das sogenannte S-Rating eingeführt", erklärt Reimold. So wurde etwa der Batteriezellenhersteller LG Chem dazu verpflichtet, die Energie für seine Produktion aus reinem Ökostrom zu beziehen. Damit lässt sich der CO2-Ausstoß um rund 80 Prozent reduzieren. Da die Produktion der Batterie laut Volkswagen einen Anteil von über 40 Prozent an der gesamten CO2-Bilanz bei der Herstellung eines Autos hat, ist der Hebel entsprechend groß. Auch bei Stahl und Aluminium sind noch enorme Einsparpotenziale vorhanden. Beim Interieur kommt Race-Tex aus recyceltem Material zum Einsatz. Für die Bearbeitung des Leders nutzt Porsche natürliche Gerbstoffe aus Olivenblättern.
Für die Herstellung eines Autos müssen viele Komponenten zum Montageort geschafft werden. Beim Transport lassen sich große Mengen an CO2 einsparen. "Wir haben mit Erdgas betriebene Lkw, Hybrid-Lkw und auch E-Laster im Einsatz", sagt Reimold. Beim Bahntransport setzt Porsche auf Ökostrom. Es sind aber auch die kleinen Dinge, die den Klimaschutz voranbringen können: "Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir einen Auflieger entworfen, mit dem wir nun acht Fahrzeuge vom Werk zum Verladebahnhof transportieren können", sagt Reimold. Zuvor waren es nur sechs pro Fahrt. "Dadurch können wir unsere jährlichen Lkw-Fahrten um mehr als 2000 Touren reduzieren und den CO2-Ausstoß dementsprechend verringern." Ziel ist es, weite Transportwege von vornherein zu vermeiden und Lieferanten so nah wie möglich am Werk anzusiedeln. Während dies am Stammsitz in Stuttgart Zuffenhausen aus Platzgründen schwierig ist, soll das Konzept mit der Produktion des rein elektrischen Macan in Leipzig umgesetzt werden. Reimold: "Unser Batterielieferant sitzt dann in direkter Nachbarschaft. Und auch das Presswerk wird kaum mehr als 20 Kilometer entfernt sein."
Am weitesten fortgeschritten sind die Bemühungen um den Klimaschutz in der Produktion des Taycan. "Der Herstellungsprozess am Stammsitz in Zuffenhausen erfolgt CO2-neutral", sagt Reimold. Die Energieversorgung für sämtliche Gebäude sowie alle Schritte in der Produktion, vom Karosseriebau über die Lackiererei bis zur Endmontage, erfolgt mit Energie aus regenerativen Quellen. Dafür hat Porsche unter anderem zwei Blockheizkraftwerke in Betrieb genommen, für die Biogas bezogen wird. Der Energieverbrauch lässt sich bereits bei der Planung eines Modells berücksichtigen. "So können wir beim Taycan durch einen klugen Materialmix auf energieintensives Laserschweißen verzichten", erklärt Reimold. Bei der Errichtung der Fabrik wurde Material des vorigen Baus recycelt. Die Fassade ist für einen Pilotversuch mit mit einem Material beschichtet, das Stickoxide aus der Umgebungsluft absorbiert. Dafür wurde Porsche von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ausgezeichnet. Ziel ist eine "Zero-Impact-Factory", also eine Fabrik, die keine messbaren Umweltauswirkungen mehr hat. Dazu gehören auch die Wiederverwertung des Abfalls und der Umgang mit Wasser. Hier besteht noch Handlungsbedarf. "2025 wollen wir den nächsten Meilenstein erreichen", sagt Reimold.
Natürlich macht Elektromobilität vor allem dann Sinn, wenn der Strom für die Batterie beim Betrieb eines Fahrzeugs aus regenerativen Quellen stammt. Dies ist allerdings bei den meisten Ladesäulen in Deutschland bereits der Fall. Das gilt neben den Netzen großer Energieversorger wie Innogy oder EnBW auch für das von den Autoherstellern selbst aufgebaute Schnellladenetz Ionity, bei dem Porsche für den VW-Konzern federführend agierte. Dazu hat Ionity eine Partnerschaft mit dem Energieversorger Polarstern geschlossen. Porsche beschäftigt sich zudem mit Konzepten für eine möglichst lange Nutzungsdauer von Batterien. So können einzelne Batteriemodule gegebenenfalls ausgetauscht werden. Nach dem Gebrauch im Fahrzeug sollen die Batterien als stationäre Speicher weiterverwendet werden. Gerne wird bei Porsche aber auch darauf verwiesen, dass die Fahrzeuge besonders lange bei ihren Besitzern bleiben. So sind rund 70 Prozent aller jemals gebauten Porsche- Sportwagen auch heute noch im Einsatz.
Die Recyclingquote inklusive Wiederverwendung von Ersatzteilen für Altfahrzeuge liegt laut Umweltbundesamt in Deutschland derzeit bei 89,5 Prozent des Gewichts eines Schrottautos. Um diese weiter nach oben zu bekommen, will Porsche bei der Entwicklung eines Modells ansetzen. "Ein wichtiger Schritt ist bereits die Auswahl von Werkstoffen in Hinblick auf ihre CO2-Bilanz und Wiederverwertbarkeit", sagt Reimold. Ein Problem ist dabei noch die Batterie der Elektroautos, deren Wiederverwertbarkeit noch nicht vollständig gewährleistet ist. Doch gibt es Ansätze etwa vom Chemiekonzern BASF für eine nachhaltige Batterie-Wertschöpfungskette in Europa. Das von der EU geförderte Projekt soll vor allem die Rückgewinnung der wertvollen Rohmaterialien Kobalt, Nickel und Lithium gewährleisten. Laut BASF sollen 2027 in Europa rund 50.000 Tonnen Batterien recycelt werden, 2035 könnte die Menge beinahe das Zehnfache betragen.
Zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens gehören neben der Wertschöpfungskette für das Produkt viele weitere Elemente. So verzichtet Porsche auf eine in vielen Sprachen gedruckte Betriebsanleitung und spart so Papier. "Eine digitale Lösung ist deutlich umweltfreundlicher", sagt Reimold. Den Wunsch der Belegschaft, doch bitte Sushi auf die Speisekarte der Kantinen zu setzen, hat das Management wegen der notwendigen Verpackungen abgelehnt. Um die Fortschritte mit Blick auf das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu dokumentieren, hat das Unternehmen einen Decarbonisierungsindex eingeführt. "Er ermöglicht uns, Maßnahmen zu definieren und unsere Fortschritte zu überprüfen", so Reimold. Das gilt über alle Unternehmensbereiche hinweg. Porsche wäre nicht Porsche, wenn man sich von der Nachhaltigkeit nicht auch einen Vorteil versprechen würde. So setzt sich der Sportwagenbauer für eine neuartige Berechnung des Unternehmenswerts ein und unterstützt als erster Automobilhersteller zusammen mit dem VW-Konzern den Verein Value Balancing Alliance. Ziel dieser Allianz ist es, einen Standard zu entwickeln, der die Wertbeiträge von Unternehmen in ökologischer, sozialer und finanzieller Hinsicht sichtbar macht und die Folgen auf die Gesellschaft und das Ökosystem bewertet.
Dieser Text stammt aus dem aktuellen Sonderheft "Generation E" der Automobilwoche, das Sie hier bestellen können: Zur Bestellseite
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