Herr Göttel, Zulieferer-Kooperationen haben Hochkonjunktur. Ist das auch Ihr Mittel der Wahl?
Ja. Und ich glaube, dass jeder gut daran tut, in irgendeiner Art und Weise zu kooperieren. Denn wir stehen in unserer Industrie vermutlich vor einem enormen Umbruch. Um agil zu bleiben und den Markt aktiv mitzugestalten, ist Schnelligkeit ein wesentlicher Faktor der Differenzierung. Dafür sind Kooperationen unabdingbar.Werden Systempartner für die Fahrzeughersteller weiter an Bedeutung gewinnen?Wir erkennen einen klaren Trend, dass sich die Automobilhersteller im Zuge von Digitalisierung und Elektromobilität neuen Themenfeldern stellen. Deshalb suchen sie verstärkt nach Partnern, um in den traditionellen Bereichen der Entwicklung und Produktion im stärkeren Maße komplette Umfänge anstelle einzelner Komponenten nach außen zu vergeben. Das ist für uns eine große Chance, weil wir sowohl die kritische Größe haben wie auch als etablierter Partner die Lösungen für solche komplexen Systeme und Module anbieten können.Haben Sie dafür die richtige Lieferantenstruktur?Wir haben natürlich ein großes Lieferantennetzwerk, aber veränderte Bedingungen erfordern auch neue Partner. Dieser Herausforderung stellen wir uns schon seit Längerem. Das betrifft nicht nur die Produktion, sondern auch Partnerschaften oder Universitäten und vieles mehr.Branchenfremde Marktteilnehmer agieren oft schneller als Vertreter der Automobilbranche. Müssen Sie Ihr Unternehmen agiler machen?Ja, das müssen wir, und zwar auf verschiedenen Ebenen. Dass wir bereits erheblich an Agilität zugelegt haben, konnten wir beispielsweise mit unserem kürzlich auf der Shanghai Auto Show vorgestellten Benteler Electric Drive System beweisen. Das modular aufgebaute Chassissystem haben wir schon nach 125 Tagen Entwicklungszeit präsentiert. Bei Benteler haben wir uns in Teilbereichen zudem organisatorisch verändert, um dem höheren Tempo gerecht zu werden. So nutzen wir „Scrum“ als Methode zur Projektorganisation. Diesen Weg werden wir weitergehen. Denken Sie im Rahmen der Digitalisierung auch über neue Geschäftsmodelle bei künftigen Mobilitätskonzepten nach?Ja, wir sehen hier Chancen und beschäftigen uns mit der Thematik. Wir konzentrieren uns vor allem auf Systemlösungen, beispielsweise für Elektrofahrzeuge, und entscheiden, welche Funktionalitäten wir dabei übernehmen möchten. Vorerst nutzen wir unsere Stärken wie Entwicklungs- oder Multimaterialkompetenzen in unserem Kerngeschäft.Was ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhöhen?Deutschland hat immer gut daran getan, dass Thema Technologie nicht nur im Produkt, sondern auch in den Arbeits- und Fertigungsprozessen voranzutreiben. Das sind Themen, die sich unter dem Begriff Industrie 4.0 fassen lassen. Die digitale Fabrik ist auch für uns ein zentrales Thema. Dazu zählen beispielsweise Aspekte wie der Einsatz von kollaborativen Robotern und die Nutzung der Daten, um Services für unsere Kunden zu bieten. Deutschland kann auf diesem Feld Akzente setzen. Gleichzeitig müssen wir uns auf Demografiethemen und eine tendenziell nur eher stabile Auftragslage vorbereiten.Welche Rolle wird Benteler in zehn Jahren in der automobilen Wertschöpfungskette spielen?Benteler entwickelt Lösungen, die den Unterschied machen. Und wir setzen diese zuverlässig und zügig um. In der Zukunft werden wir uns weiter zu einem Systemanbieter entwickeln, der größere Aufgaben in der Systemintegration, Gestaltung von Fahrzeugkonzepten, Entwicklung und Produktion übernimmt.
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