München. Schon ab 2017 soll in der Europäischen Union ein neues Testverfahren zur Emissionsmessung eingeführt werden. Der „Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedures“ (WLTP) genannte Standard hat einen weltweiten Anspruch und dient zu Bestimmung der CO2-, aber auch der Schadstoffemissionen. Bei den Automobilherstellern ist er aber in der Kritik, weil er im Verdacht steht, gegenüber dem bisher geltenden Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) höhere Verbrauchswerte zu liefern. Sie werfen dem Gesetzgeber vor, angesichts des Emissionsziels von 95 Gramm CO2 pro Kilometer, das die Fahrzeugflotte bis 2020 nur noch emittieren darf, während des Spiels die Regeln – sprich die Messverfahren – zu ändern.
Dass die WLTP-Verbrauchswerte aber gar nicht unbedingt höher ausfallen müssen, haben jetzt aktuelle Messungen des TÜV Süd gezeigt. Im Pfungstädter Technologie- und Umweltzentrum der Tochtergesellschaft TÜV Hessen nahmen die Prüfer zwei Fahrzeuge der Mercedes Benz C-Klasse unter die Lupe, eines mit einem Dieselmotor und ein weiteres mit einem Ottomotor. Das Ergebnis lässt aufhorchen: „Das von uns getestete Fahrzeug mit einem 2,1-Liter Biturbo-Dieselmotor und einem 6-Gang-Schaltgetriebe erreichte im NEFZ-Verfahren einen Verbrauch von 7,18 Litern pro 100 Kilometer, bei der WLTP-Messung hingegen nur 6,78 Liter pro 100 Kilometer“, berichtet Pascal Mast, Leiter des TÜV Süd Emissionsnetzwerks. Noch deutlicher war die Abweichung bei einem 1,6-Liter-Ottomotor mit Direkteinspritzung und Kompressor-Aufladung der gleichen Baureihe: „Beim getesteten Ottomotor kamen wir im NEFZ-Verfahren auf einen Verbrauch zwischen 8,16 und 8,17 Litern, während der Wert nach WLTP nur zwischen 7,37 und 7,49 Liter auf 100 Kilometer betrug“, berichtet Mast. Im Maximalfall bedeutet dies eine Abweichung von 0,8 Liter oder 9,8 Prozent.
Dass die NEFZ-Werte bei den Messungen höher als die Herstellerangaben ausfielen, führten die Prüfer auf die unterschiedlichen Testfahrzeuge zurück. „Der NEFZ-Typprüfzyklus soll eine Vergleichbarkeit der Fahrzeuge herstellen“, erläutert Alexander Kraus, Bereichsleiter Automotive beim TÜV Süd. „Deswegen greifen die Hersteller bei der Typprüfung auf gewichtsoptimierte Fahrzeuge zurück, die nur eine minimale Ausstattung und damit auch einen geringeren Fahrzeugwiderstand als unsere Testfahrzeuge haben.“ Der relativ geringere Verbrauch nach WLTP könne aber für sämtliche Ausstattungsvarianten der Baureihe gelten. Den Grund für den Minderverbrauch sehen die Prüfer zum einen darin, dass WLTP fahrzeugspezifische Schaltpunkte ermöglicht, die besonders im unteren Drehzahlbereich verbrauchssenkend wirken können. Zum anderen wurde die Zyklusdauer von zirka 20 auf 30 Minuten verlängert, so dass das Fahrzeug länger in einem „warmen“ Betriebszustand ist.
Gleichwohl fallen die Messergebnisse im NEFZ-WLTP-Vergleich insgesamt sehr unterschiedlich aus. „WLTP führt nicht automatisch zu höheren Verbräuchen. Es zeichnet sich aber eine Tendenz ab, dass kleinere Motoren nach WLTP schlechter abschneiden“, berichtet Mast. Außerdem wurden bei vielen Fahrzeugen erhöhte Emissionen von Kohlenmonoxid und Stickoxiden gemessen. Auch sei die Berechnung der Schaltpunkte noch zu kompliziert. „Das WLTP-Verfahren wirft viele Fragen auf, die intensiv zu diskutieren sind“, meint Mast. „Aber er bildet ein realitätsnäheres Fahrprofil ab. “ Der WLTP soll ab 2017 schrittweise eingeführt werden. Wann er alleiniger Standard wird und den NEFZ komplett ablöst, ist bislang unklar.