Peking. Chinas Automarkt läuft nicht mehr auf so hohen Touren wie noch vor ein paar Jahren, doch für beeindruckende Superlative reicht es noch immer: 22,3 Millionen Neuzulassungen ermittelte das Marktbeobachtungsunternehmen Jato Dynamics für das Jahr 2015. Damit ist China nach wie vor der größte Automarkt der Welt – mit weitem Abstand vor den USA (17,4 Millionen). Und er wächst weiter, wenn auch längst nicht mehr so rasant wie in den vergangenen Jahren. Für 2016 -erwartet der Verband der chinesischen Automobilhersteller ein Plus von 5,9 Prozent. Einige Analysten sehen diese Prognose allerdings kritisch.
Nach dem China-Boom
„China ist im Übergang vom Boom-Markt zum reifen Markt. Strategisches Markenmanagement wird damit zum wichtigsten Erfolgsfaktor“, sagt August Joas, Partner und Leiter des globalen Auto-Teams bei Oliver Wyman. „Sehr attraktive Chancen für Volumenwachstum gibt es im Produktsegment SUVs, den Regionen in der Mitte und im Westen sowie bei Elektrofahrzeugen und Autos mit Hybridantrieben“, sagt Joas.
SUVs in allen Schattierungen werden daher auch die größte Automesse in diesem Jahr prägen, die Auto China in Peking vom 25.April bis 4. Mai. VW etwa wird dort, wie man hört, eine SUV-Studie zeigen. Darüber hinaus stellt VW auch die bereits in Genf enthüllte Limousine Phideon vor, ein exklusiv für den chinesischen Markt vorgesehenes Modell auf Basis des Audi A6. Auch BMW spielt die SUV-Karte und zeigt in Peking den X1 mit langem Radstand. Das Modell für den chinesischen Markt wird vor Ort im Werk Tiexi produziert. Mercedes feiert die Debüts des SUV-Coupés GLC und der Langversion der neuen E-Klasse. Zudem zeigen die Schwaben erstmals den Smart Brabus. Vor allem im SUV-Markt, so prophezeien Marktkenner, werde der Boom anhalten. Im vergangenen Jahr wuchs das Segment auf neun Millionen Neuwagen.
Davon profitierten vor allem chinesische Hersteller. Der Autobauer Great Wall etwa, der vornehmlich SUV-Modelle im Angebot hat, steigerte den Absatz 2015 um 17 Prozent auf mehr als 825.000 Fahrzeuge. Noch größer war der Zuwachs bei Geely (22 Prozent). Ebenfalls recht stark legten andere heimische Hersteller wie Guangzhou (elf Prozent) sowie Chongqing Changan (neun Prozent) zu.
Den chinesischen Marken spiele in die Karten, dass die Rolle des Autos als Statussymbol in China nachlässt, sagt Jonas Wagner, Partner und Autoexperte bei der Strategieberatung Berylls. „Die Einstellung vieler Autokäufer wandelt sich gerade. Es muss nicht mehr das dickste Modell sein.“ Das deckt sich mit zahlreichen Kundenbefragungen, unter anderem denen des deutschen Marktforschers Michael Schießl.
Nach Ansicht von Berylls-Analyst Wagner dürften in nächster Zeit vor allem der Gebrauchtwagenmarkt und das Leasinggeschäft immer interessanter für die Autohersteller werden. Der Leasingmarkt beispielsweise entwickle sich gerade erst, und es sei gewiss kein Fehler, sich schon jetzt mit der Frage zu befassen, wie man mit der ersten großen Welle von Leasingrückläufern im Jahr 2019 umgehen wird.