Das seit 1921 bestehende Institut für Kraftfahrzeuge an der RWTH Aachen (ika) ist eine Institution in der deutschen Ingenieurslandschaft. Institutsleiter Lutz Eckstein sprach mit der Automobilwoche über die Frage, wie die Technischen Hochschulen ihre Studierenden auf die Mobilität des 21. Jahrhunderts vorbereiten.
Herr Eckstein, viele Studierende und auch so mancher Automobilmanager fragen sich, ob die Technischen Universitäten in Deutschland ihre Studiengänge ausreichend zukunftsfähig ausrichten.
Die Technischen Universitäten und wir beim ika gehen davon aus, dass sich das Kraftfahrzeug in den nächsten Jahren stark verändert – technisch wie auch in seiner gesellschaftlichen Rolle. Darauf stellen wir uns in der Lehre ein und haben zum einen den interdisziplinären Bachelor- und Masterstudiengang „Mobilität und Verkehr“ eingerichtet, zum anderen das Angebot an interdisziplinären Veranstaltungen erhöht. Aber das ist natürlich ein laufender Prozess, und wir sind aufgefordert, ein technisches Studium ständig an neue Herausforderungen anzupassen.
Würden Sie Studierenden heute noch empfehlen, sich schwerpunktmäßig mit der Dieselmotorentechnik zu beschäftigen?
Der Verbrennungsmotor und der Dieselmotor werden auch noch in der Zukunft eine wichtige Rolle für die Mobilität unserer Gesellschaft spielen. Der Dieselmotor ist nicht so leicht zu ersetzen. Seine Rolle im Antriebsmix wird aber insbesondere bei kleineren Fahrzeugen sicherlich sinken.
Wer ist heute mehr gefragt, der Spezialist oder der Generalist?
Generell meine ich, dass sich Studierende heute nicht zu früh auf eine Fachrichtung oder gar Technologie spezialisieren sollten. Gerade in Umbruchzeiten, wie wir sie jetzt erleben, ist ein breites technisches Wissen, am besten aus unterschiedlichen Fachrichtungen, die beste Vorbereitung für die Zukunft. Eine interdisziplinäre Aufstellung, wie wir sie übrigens auch am ika fördern und leben, wappnet am besten für neue Herausforderungen.
Erleben Sie bei Ihren Studierenden eine Erosion der Leidenschaft für das Kraftfahrzeug?
Die alte Anziehungskraft des Verbrennungsmotors und sportlicher Fahrzeuge gibt es zweifellos immer noch bei vielen Studierenden. Das Auto ist und bleibt ein hoch emotionales Produkt, das durch die Vernetzung und Automatisierung neue Facetten und Ausprägungen erhält. Das ist unser Ziel. Deshalb ist es gut zu beobachten, dass sich verstärkt auch Studierende für die Kraftfahrzeugtechnik interessieren, die eben keinen ausgeprägten Bezug zum Auto haben. Das sind junge Leute, die das Thema Mobilität mehr aus dem Blickwinkel der Informatik, des Stadtverkehrs oder der Psychologie betrachten und beispielsweise automatisierte Shuttles gestalten möchten. Für uns ist das eine wichtige Bereicherung.
Wie wandlungsfähig sind denn 60-jährige Professoren in ihrem Denken geblieben?
Die Neugier und die Bereitschaft, sich interdisziplinär zu vernetzten und auszutauschen, liegt den Allermeisten in den Genen, behaupte ich. Mich persönlich hat zum Beispiel als Ingenieur schon immer der Austausch mit Designern und Psychologen interessiert. Beim autonomen Fahrzeug etwa geht es schließlich auch stark um die Akzeptanz und das Wohlfühlen. Wir haben hier in Aachen den Anspruch, die Zukunft der Mobilität und revolutionäre Fahrzeuge entscheidend mitzugestalten. Deshalb hat die Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen Aachen im vergangenen Jahr im kalifornischen San Jose eine Dependance gegründet, durch die wir in einen aktiven Austausch mit neuen Playern im Silicon Valley treten können.
In welchen Bereichen der Fahrzeugtechnik der Zukunft sind dieTechnischen Hochschulen in Deutschland stark, wo gibt es Nachholbedarf?
Unsere Stärke liegt ganz gewiss im klassischen Maschinenbau. Auch in der Elektrifizierung des Antriebs und im Bereich der Batterietechnik haben wir in Deutschland hervorragende Institute. Handlungsbedarf sehe ich hinsichtlich der Verknüpfung von Informatik und Fahrzeugtechnik. Die gesamte Automobilbranche sucht händeringend nach hervorragenden „Fahrzeugsystemingenieuren“.