Automobilwoche: Wie vermarktet man witzig, elegant und innovativ komplexe Technologien für das vernetzte Auto?
Franziska von Lewinski: Der Mehrwert einer jeden Technologie muss im Mittelpunkt der Kommunikation stehen und immer der Ansatz für eine Kampagne darstellen. Der Nutzen einer Technologie verkauft sich am besten über Emotionen. Menschen wollen begeistert werden. Die Technologie rückt dabei in den Hintergrund. Z.B. zeigt die Mercedes-Kampagne zum Slogan „Baby you can drive my car“, wie das aussehen kann. Den Film finde ich großartig. Über eine emotionale Geschichte wird das autonome Fahren dargestellt. Das war's.
Welche Hersteller können die Vernetzung gut vermarkten?
Beispiele aus der Autobranche zeigen bereits, wie der Nutzen von komplexen Technologien emotional dargestellt und vermarktet werden kann.
Das Video Epic Split von Volvo ist nicht brandaktuell, aber weiterhin ein absoluter Benchmark. Gänsehaut pur, obwohl es „nur“ um das Dynamic Steering System geht.
Auch BMW zeigt, wie mit Geschichten filmisch die Vorteile von BMW Connected Drive kommuniziert werden können.
• https://www.youtube.com/watch?v=rmgy9fpbqBI
• https://www.youtube.com/watch?v=TPRFqSoZ7d8
• https://www.youtube.com/watch?v=MV1VB7lmWBc
Bewegtbild ist als Format sehr dankbar, da es uns mehr Möglichkeiten bietet, Emotionen über Geschichten zu transportieren. Aber auch dazu braucht es immer eine gute Idee. Mittlerweile sind die mobilen Internetverbindungen und Endgeräte so gut, dass Videos mobil abgerufen werden. Ladezeiten und Qualität der Filme stellen keine Hürde mehr da. Neben YouTube stellen sich Plattformen wie z.B. Facebook, WhatsApp und Twitter mehr und mehr auf Video ein, was von allen Nutzergruppen, ob Teens oder 50Plus, gut angenommen wird. Die Online-Werbeausgaben steigen weiter und der Treiber ist Bewegtbild.
Dass ein Video toller für eine Vermarktungsstrategie geeignet ist, ist klar. Aber warum kommen Bewegtbilder gerade bei den Usern so gut an? Immerhin opfern sie da ihre Zeit im Netz – und zwar viel Zeit.
Da Videos mobil abgerufen werden – also überall und zu jeder Zeit – ist es oft kein Zeitfresser, sondern ein Langeweile-Killer. Zudem können Filme in den unterschiedlichsten Formaten gespielt werden, von Sechs-Sekündern auf Vine bis zu Acht- oder Mehr-Minütern auf YouTube. Es ist also für jede Zielgruppe etwas dabei und mit der richtigen Customer-Journey-Planung kann die eigene Zielgruppe erreicht werden.
Wie unterscheidet man zwischen Vine- und Youtube-Nutzern?
Vine-Nutzer sind meist jünger als Youtube-Nutzer. YouTube ist mittlerweile Mainstream und Vine noch unentdeckter. Der kurze Witz, das schnelle Schmunzeln steht im Vordergrund. Auf YouTube gibt es alles: Von der Zwei-Stunden Doku bis zur Ice-Bucket-Challenge oder Let´s-Play-Videos.
Opel setzt ja voll auf Vine. Machen die das gut?
Opel traut sich, Neues auszuprobieren. (https://vine.co/Opel) Und das ist gut! Nur so kann man lernen, wie neue Plattformen funktionieren. Denn Vine funktioniert nicht wie herkömmliches Marketing. Vine wird beherrscht von anderer Kreativität, auch Narzissmus und Subversivem.
Natürlich hat Opel, was die Anzahl der Follower angeht noch Luft nach oben, wenn man sich z.B. diesen Channel anschaut https://vine.co/brittanyfurlan.
Snapchat ist in aller Munde – weil gerade die Teenager über dieses Format kommunizieren. Spielt das in der Markenkommunikation von Unternehmen mittlerweile schon eine Rolle?
Snapchat ist ja vor allem bei den jungen Leuten angesagt (51% der Nutzer sind 16-24). Die Unternehmen probieren auf Snapchat die ersten Kampagnen wie zum Beispiel Audi zum Superbowl, um die schwer erreichbaren Teenies anzusprechen. Dafür braucht es dann eine gute Idee und Kampagnenmechanik, die dort funktioniert.
Sie haben eben von Gefühlen gesprochen, die man in einer Kampagne transportieren muss. Auf was müssen Hersteller achten, wenn sie Kampagnen für das vernetzte Auto konzipieren?
Das wichtigste ist, die Komplexität zu reduzieren. Die Technologie sollte nur für Fachspezialisten im Zentrum stehen. Für alle anderen muss Sicherheit oder der Nutzen durch die Kommunikation transportiert werden – wie z.B. in dem Mercedes-Film "Baby you can drive my car".
Welche Kanäle sollte man für Kampagnen nutzen?
Die Kanäle richten sich nach den Zielgruppen. Natürlich erreiche ich einen Senior, der noch Auto fährt über einen anderen Kanal als einen 18-jährigen, der kurz vor der Führerscheinprüfung steht.
Der richtige Inhalt, auf dem richtigen Kanal, im richtigen Kontext und zum richtigen Zeitpunkt: Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehört gute Planung und ein Ausspielungskonzept der Inhalte. Dabei spielt auch Print weiterhin eine Rolle. Print steht für Entschleunigung und Qualität, aber nicht mehr für Aktualität.
Statische Werbung wird es also auch weiterhin geben?
Klar. Immer davon abhängig, was und wen ich erreichen möchte. Möchte ich einen direkten Rückkanal nutzen (bei digitalen Medien), Involvement durch Interaktion oder nur Image transportieren.
Aber auch statische Werbung kann Emotionen transportieren. Das zeigt Sixt immer wieder gut mit OOH Plakaten, z.B. am Flughafen. (Beispiel: Sixt Connected-Drive-Werbung).
Wird man das autonome Fahren vermarkten müssen oder ist es so selbsterklärend, dass es großangelegte Kampagnen, die die Scheu vor der Technik nehmen, nicht braucht?
Am besten ist es natürlich, wenn das Produkt selbst für Furore sorgt und sich selbst vermarktet. Diesen Effekt kann man dann gezielt anstoßen und unterstützen durch z.B. Filme, die in sozialen Netzwerken geteilt und geliked werden.
Vernetzung ist Komfort und Sicherheit, aber auch Innovation und Jugendlichkeit. Was ist in ihren Augen leichter zu vermarkten?
Das kann man nicht sagen. Für mich steht und fällt die Kampagne mit der richtigen Idee. Vielleicht finden es Kreative spannender, für ein junges Produkt eine Kampagne zu entwickeln, aber ich habe auch schon kreative Briefings erlebt, wo es um komplexe technologische Produkte ging und die Ideen sprudelten. Das Team muss richtig gebrieft werden und dann kommt die gute Idee von selbst. Dabei ist es egal, ob ein Lenksystem oder ein neuer Joghurt vermarktet wird.
Muss man die Technologien wegen ihrer Komplexität für den Kunden erlebbar machen? Muss man in einem autonomen Auto gesessen haben, um es gut zu finden, oder reichen Kampagnen, um Gefühle zu transportieren?
Ein guter Spot kann höchstens das Bedürfnis wecken, einmal mit so einem Auto zu fahren. Und ohne die Erfahrung wird sich sicher niemand für ein autonomes Auto entscheiden.
Bedeutet das, dass eine Probefahrt wieder eine ganz neue Dimension bekommt?
Probefahrten waren schon immer ein wichtiger Schritt zum Autokauf. Aber es werden dabei ganz neue Konzepte ins Spiel kommen, wie der Daimler Auto-mat oder das Vorbeibringen des Probefahrzeugs.
Carsharing-Programme wie Car2Go oder DriveNow dienen ja auch der Bewerbung der Fahrzeugmarken. Und es werden noch ganz andere kreative Konzepte entwickelt werden. Warum nicht bereits begeisterte Autobesitzer in Sachen Probefahrt involvieren?
Wie nimmt man den Kunden die Angst und Skepsis vor hochautomatisierten und autonomen Systemen? Denn die Technik ist bereit...
Wie immer wird es am Anfang eine hohe Skepsis gegenüber der neuen Technologie geben. Einfachheit, Sicherheit und Zuverlässigkeit muss in der Anwendung und auch in der Kommunikation im Vordergrund stehen. Nicht umsonst hat Mercedes in dem „Baby you can drive my car“-Spot den Vater ganz entspannt auf die Rückbank gesetzt. Und er macht während der Fahrt sogar die Augen zu.
Welche Rolle spielt Apple als Taktgeber für Vermarktung von Technologien und Technikprodukten?
Apple zeigt uns, dass mit der richtigen Nutzererfahrung mit einem Produkt der Erfolg steht oder fällt. Ohne das iPhone hätten wir nicht den Durchbruch des mobilen Kanals erlebt beziehungsweise erst sehr viel später. Aber fällt Ihnen eine Kampagne zum iPhone ein? Mir nicht. Das Produkt an sich war Marketingkampagne genug.
Für die Autoindustrie bedeutet das aber nichts anderes als ein Auto nach dem Apple-Prinzip zu vernetzen. Es muss intuitiv und einfach funktionieren.
Ja, zu 100 Prozent.
Bedeutet ein verunfalltes autonomes Auto, bei dem die Technologie nicht so reagiert hat, wie man es von ihr erwartet, gleichzeitig der Untergang für die komplette Technologie?
So drastisch würde ich es nicht formulieren. Hier geht es um die Krisen-PR der Marke, nicht um die gesamte Technologie.
Glauben Sie, dass ein mögliches iCar oder ein Google-Car dem autonomen Fahren noch mal einen ganz anderen Schwung geben könnte – allein, weil die Marketingmaschinerie von Apple oder Google eine komplett andere ist als die der traditionellen Autohersteller?
Ich bin gespannt, wie dieses Rennen entschieden wird. Im Moment traue ich es auf jeden Fall eher den großen Automobilherstellern zu. Nicht umsonst kaufen diese gerade massiv IT-Kompetenz ein.
Eine neue Dimension bekommt das Auto durch Geschäftsmodelle, die durch das vernetzte Auto erst möglich gemacht werden. Ein Beispiel ist die DHL-Werbung, bei der das Paket ins Auto ausgeliefert wird. Werden wir solche Dinge jetzt öfter sehen?
Ich finde diese Idee großartig und ich bin mir sicher, dass es davon jetzt immer mehr geben wird. Das Auto bekommt plötzlich eine neue Rolle und wird neben der Mobilität zum Service-Touchpoint. Hier stehen wir erst am Anfang und den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Die Daten, welche die Autohersteller sammeln, sind ein Schatz für unendlich viele neue Geschäftsmodelle. Hier geht es nicht nur um die persönlichen Daten, sondern in erster Linie um die anonymisierten Daten. Wenn z.B. Location Based Services mit Wetterdaten verknüpft werden, können weitere tolle Dienste entstehen.
Wird es schwierig sein, Vermarktungsstrategien für vernetzte Geschäftsmodelle zu entwickeln?
Das hängt wieder vom Produkt ab: Wenn es gut ist, man einen Mehrwert hat und eine gute Geschichte erzählen kann, ist es nicht schwer, dafür eine Kampagne zu entwickeln.
Spielt das Auto bei solchen Geschäftsmodellen nur noch eine untergeordnete Rolle, weil es lediglich der Servicepoint ist?
Nein, im Vordergrund steht natürlich die Mobilität. Denn für alles andere habe ich ja mein Smartphone.