Köln. Denn was der scheidende Europa- Chef Stephen Odell Ende September vor Investoren berichtete, war nicht geeignet, die Anteilseigner in Euphorie zu versetzen. Odell hatte eingeräumt, dass Ford 2014 in Europa tiefrote Zahlen schreiben wird. Im laufenden Jahr dürfte das Defizit auf 1,2 Milliarden Dollar anwachsen. Auch fürs nächste Jahr wird nicht mehr mit der Rückkehr in die Gewinnzone gerechnet, es droht vielmehr ein Minus von 250 Millionen Dollar. Zugleich nahm Ford seine langfristigen Margenziele für Europa zurück. Hatte man bislang noch sechs bis acht Prozent für das Jahr 2020 angestrebt, will man sich nun mit gerade einmal drei bis fünf Prozent bescheiden. „Was bei Fords Ertragsentwicklung negativ auffällt, ist, dass es sich offenbar um ein unternehmensinternes Problem handelt. Denn andere Autohersteller kommen bei der Profitabilität schneller voran“, sagt Stuart Pearson, Analyst bei der Bank Exane BNP Paribas. Viele andere Analysten sehen dagegen eher in externen Effekten den Hauptschuldigen für die Misere, insbesondere die nicht vorhersehbaren Einbrüche im russischen Automarkt. „Auf Jim Farley kommen multiple Herausforderungen zu“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive an der FHDW in Bergisch Gladbach. „Der Marktanteil muss steigen, aber da der Wettbewerb mit Opel und PSA angreifen wird, wird dies nicht leichtfallen.“ Gute Chancen habe Ford aber durch seine hohe Innovationskraft. Diese müsse konsequent aufrechterhalten werden. Eine der höchsten Hürden ist indes die Produktionsbasis in Europa. Farley ist hier an die Restrukturierung gebunden, die sein Vorgänger vornahm. So schaffte es Odell, lautlos das Werk im belgischen Genk abzuwickeln und auch den Nutzfahrzeug-Standort Southampton zu schließen. Dadurch wurden die Kapazitäten um 18 Prozent zurückgefahren. Doch zugleich baute Odell im rumänischen Craiova große Kapazitäten auf, die nicht annähernd ausgelastet sind. Ford produziert dort seit 2010 den Minivan B-Max. Doch der Verkauf läuft schwächer als erwartet, nicht zuletzt wegen der gestiegenen Beliebtheit von kleinen Crossovern.
Mehr Emotionalität, schlankere Fertigung
Lieferanten von Ford berichten, die ursprünglich geplante Jahreskapazität von rund 130.000 Einheiten habe Ford nie erreicht. Für das kommende Jahr rechne der Hersteller höchstens noch mit 45.000 Einheiten. Der scheidende Europa-Chef Odell zog daher die Notbremse: 680 der 3200 Stellen in Craiova fallen 2015 weg. Die Produktionsbasis ist entscheidend, um zu wettbewerbsfähigen Kosten zu fertigen. Und in diesem Punkt hat Ford nach Einschätzung vieler Beobachter zuletzt einen einstigen Vorteil in einen Nachteil verwandelt. „Falls man die Preislücke zu VW nicht schließen kann, muss man eben die Autos günstiger produzieren“, urteilt dazu Arndt Ellinghorst, Automotive-Experte der Investment- Beratungsfirma Evercore. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen sieht die dringendste Baustelle aber nicht in der Fertigung: „Die größte Herausforderung für Farley ist die Marke. Die Autos von Ford sind deutlich besser als die Wahrnehmung der Marke“, meint Dudenhöffer. „Der neue Turnaround bei Ford muss sich auf die Marke und das Design konzentrieren“, rät er deshalb. Auch Autoanalyst Ellinghorst sieht hier eine Lücke, die der neue Chef Jim Farley schließen muss: „Ford hat ein starkes Fundament in Europa, die Marke hat aber zuletzt an Schwung verloren“, bilanziert er. „Farley muss deshalb die Marke wieder mit Emotionalität aufladen.“