Für Brose-Chef Jürgen Otto ist Elektromobilität nicht mehr wegzudenken. Brose, Systemlieferant für Mechanik, Elektrik, Elektronik und Sensorik, bieten sich hier gleich mehrere Chancen. "Die schweren Batterien erfordern den massiven Einsatz von Leichtbau und -intelligenten mechatronischen Systemen – Kernkompetenzen unseres Unternehmens bei Türen und Sitzen", sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung. Zudem erhofft sich das Unternehmen im Motorenbereich durch die Elektrifizierung von -Nebenaggregaten gute Geschäfte, wie etwa beim elektrischen Kältemittelverdichter.
Lieferanten in Lauerstellung
Die Zulieferer wappnen sich gerade für die bevorstehende Elektrifizierung des Automobils. Jetzt, da der Markt vorbereitet wird, buttern sie jährlich Milliarden in den Aufbau zukunftsträchtiger Portfolios. Doch wann sich die Investitionen rechnen, ist noch unklar.
Brose indes liefert heute schon jährlich mehr als 200 Millionen E-Motoren in den Markt. Künftige Fahrzeuge würden wegen neuer Komfort- und Sicherheitsfunktionen bis zu 100 E-Motoren mit entsprechender Elektronik und Sensorik benötigen.
Der weltgrößte Zulieferer Bosch denkt sogar darüber nach, in die Fertigung von Batteriezellen auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie einzusteigen. Die Entscheidung darüber will Konzernchef Volkmar Denner noch 2017 treffen. Gemeinsam mit dem japanischen Konzern GS Yuasa entwickelt Bosch Zellen, die sich in der Leistung deutlich von denen der Wettbewerber abheben würden.
Um die Entwicklung auf dem Gebiet der Batterietechnik zu beschleunigen, hat der Zulieferer das Start-up Seeo übernommen, das sich mit Festkörperzellen beschäftigt. Bosch will die Energiedichte der Batterien bis Anfang der nächsten Dekade mehr als verdoppeln.
Bosch investiert nach eigenen Angaben jährlich 400 Millionen Euro in die Elektromobilität. Das Portfolio reicht vom Motor über die Leistungselektronik bis hin zur Batterie. Der Konzern besetze damit alle Schlüsselfelder des elektrischen Antriebs, gibt man sich auf der Schillerhöhe selbstbewusst. Bislang habe man weltweit rund 30Serienprojekte realisiert.
Auch bei elektrischen Achsen, wie sie neben Bosch auch ZF Friedrichshafen und Schaeffler anbieten, werden Elektromotoren gebraucht. Zusammen mit Leistungselektronik und Getriebe werden sie in ein Gehäuse integriert. Bosch-Chef Denner will dadurch die Komplexität des E-Antriebs verringern und bis zu zehn Prozent Volumen und Gewicht einsparen.
Der mit Kolben und anderen Motorkomponenten gewachsene Zulieferer Mahle hat sich in den vergangenen Jahren durch eine Reihe von Zukäufen auf den Mobilitätswandel eingestellt. Dazu zählt unter anderem der Ausbau des Geschäftsbereichs Thermomanagement sowie die neue Division Mechatronik, in der seit 2016 alle Geschäfte rund um elektrische Antriebe gebündelt sind. Mittelfristig will Mahle mit dem Bereich 500 Millionen Euro Umsatz erzielen.
Unabhängig von der Antriebsform wird auch der Bereich Thermomanagement bei Mahle einen hohen Stellenwert behalten. Die Stuttgarter sehen sich als Innovationstreiber bei der thermischen Batteriekonditionierung.
Der Zulieferer Continental verfügt bereits über ein breites Portfolio an Lösungen: "Beim Thema Elektromobilität sprechen wir von der gesamten Bandbreite der Fahrzeugelektrifizierung – angefangen von 12-Volt-Mikro-Hybriden und 48-Volt-Mild-Hybriden über Plug-in- oder Vollhybride bis hin zu reinen Elektrofahrzeugen", sagt Rudolf Stark, der sich in Continentals Bereich für den Antriebsstrang um Hybride und Elektroautos kümmert. Von Continental ist Ende 2016 der weltweit erste 48-Volt-Mild-Hybridantrieb in Serie gegangen (siehe Seite 49).
Continental-Manager Stark ist davon überzeugt, "dass die 48-Volt-Technologie noch viele weitere interessante Konzepte bietet". Auch die Abstimmung zwischen den neuen 48-Volt-Verbrauchern, beispielsweise dem beheizten Katalysator, und dem Generator wird seiner Ansicht nach noch an Bedeutung zulegen.
Solche Optimierungen verlängern das Leben des Verbrenners. "Langfristig sehen wir für den Verbrennungsmotor und somit auch für die 48-Volt-Mild-Hybrid- und Hybrid-Technologie ein Wachstum bis circa 2030, dann wird der Höhepunkt erreicht sein", so Stark. Von diesem Zeitpunkt an werde das Thema Elektromobilität – mit Fokus auf reine Elektrofahrzeuge – immer mehr zum Tragen kommen.
Die "Traummaße" für einen erfolgreichen Marktdurchbruch des Elektroantriebs lauten für Conti "100 – 100 – 150". Batteriezellen für 100 kWh Energie bei 100 Litern Batterievolumen und 150 Kilogramm Gewicht.
Im Vergleich zu heute heißt das: halbe Größe, halbes Gewicht – und deutlich weniger als die Hälfte der Kosten. Elmar Degenhart, Vorstandschef von Continental: "Unsere Industrie braucht eine derart leistungsstarke Batteriezelle. Schön wäre es, wenn sie aus Deutschland käme. Aber zu heutigen deutschen Strompreisen lassen sich Batteriezellen hierzulande nicht wirtschaftlich herstellen."
Ein Feld im Bereich des elektrischen Fahrens, mit dem sich Schaeffler beschäftigt, sind Hybridmodule. "Der Vorteil liegt darin, dass wir unsere bestehenden Produkte aufwerten und gleichzeitig auch elektrisch integrieren können", sagt Matthias Zink, seit Anfang 2017 Mitglied des Schaeffler-Vorstands. "Das ist eine Produktgruppe, die wir sehr intensiv angehen. Trennen, Schalten, aber auch elektrisch Fahren sind unsere Themen."
Neben den elektrischen Achsen als weiteren Bereich nennt Zink als dritte Gruppe Komplementärteile, wie sie im Riementrieb eingesetzt werden.
Zink verweist auf das Elektroauto BMW i3, für das Schaeffler die Lager für den E-Motor, Hochgeschwindigkeits-, aber auch geräuscharme Lager beisteuert. "Wir bleiben also ein Komponentenhersteller, gehen aber auch in die Module, und wir trauen uns auch die Systeme zu", erläutert der Schaeffler-Vorstand.
Dafür plant das Unternehmen aus Herzogenaurach auch, die Anzahl der Mitarbeiter aufzustocken. Zink spricht von rund 160 offenen Stellen in den Bereichen Hybridmodule und E-Achsen. Für diese komplexen Projekte werden Mechatroniker, Elektriker, Elektroniker, Systemingenieure und Leute für das Qualitätsmanagement gesucht. Bis 2020 will Schaeffler rund 500 Millionen Euro in die E-Mobilität investieren.
Die Budgets werden überall erhöht. "Die Investitionen werden weiter stark zunehmen", sagt Conti-Manager Stark. Mehr als eine Milliarde Euro haben die Hannoveraner bereits in die Elektromobilität gesteckt. Deshalb rechnet man auch bei Conti mit einem weiteren Aufbau von Mitarbeitern, ohne konkrete Zahlen zu nennen. "Wir sprechen von einem Veränderungsprozess, der langfristig angesetzt und damit schwer abschätzbar ist, da eszu viele Einflussgrößen gibt", erläutert Stark.
Er ist davon überzeugt, dass der Übergang vom Verbrennungsmotor zur reinen Elektromobilität zwischen 2025 und 2030 massiv Fahrt aufnehmen wird. "Diesen Wandel sehen wir und können frühzeitig darauf reagieren. Das betrifft natürlich auch eine frühzeitig angepasste Personalplanung", so der Conti-Manager.
Stark verweist auf konkrete Aufträge in allen großen Märkten – Asien, Amerika und Europa. Aufträge für Produkte und Systeme fürHybrid- und E-Fahrzeuge legten allein 2016 um 17 Prozent auf 1,2Milliarden Euro zu.
Wenn die Elektromobilität Fahrt aufnimmt, dürfte es noch deutlich mehr werden.