München. Der wachsende Markt der Elektromobilität könnte für die Leasingfirmen einen echten Boom auslösen. Gelingt das Vorhaben, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen, summieren sich allein die Mehrkosten von etwa 30 Prozent gegenüber konventionellen Antrieben – rund 9000 Euro pro Elektrofahrzeug – auf ein Finanzierungsvolumen von neun Milliarden Euro. Leasinggesellschaften sollen die E-Fahrzeuge vorfinanzieren und damit die Investitionsbremse liquiditätsschonend lösen. "Die breite Markteinführung Energie sparender Technologien ist eine große Chance für die Leasinggesellschaften, denn sie werden wieder gefragte Experten bei der Markteinführung der neuen Produkte sein, die im Gefolge knapper und teurer Energieressourcen in großer Zahl geordert werden“, prognostiziert das ifo-Institut.
Für die Leasinggesellschaften bergen die von den Batterien verursachten Mehrkosten eine Chance, sie werden aber gleichzeitig auch zum Risikofaktor, weil die Akkus noch immer Achillesferse der Elektromobilität sind. 30 Prozent Mehrkosten pro Fahrzeug bedeuten daher zwar 30 Prozent mehr Umsatz, aber nicht unbedingt mehr Gewinn.Nicht ohne Grund verkauft etwa Renault nur das Auto und verleast die Batterie. Herstellerunabhängige Leasinggesellschaften können da nicht nachziehen. Bisher haben sie ganze Autos verleast, nicht nur Teile davon. Doch der Trend geht nicht nur zum Teile-Leasing in Form der Batterie, sondern immer mehr Richtung Auto on demand. Geleast wird dabei kilometerweise – eine völlig neue Auffassung von Mobilität.Deshalb bringt die Elektromobilität für die klassische Fahrzeugfinanzierung ganz neue Herausforderungen. Mit gerade einmal 785 Zulassungen reiner Elektroautos von Januar bis April 2011 kommt der Markt nur langsam in Fahrt. Das Problem, die Restwerte mit Blick auf die fehlenden Erfahrungswerte mit den Batterien nicht abschätzen zu können, lässt viele Leasinggesellschaften noch abwarten. Wer aber zu spät auf den E-Zug aufspringt, droht den Anschluss zu verlieren.Leasing unter Strom
"Elektromobilität ist die Herausforderung der nächsten fünf Jahre“, sagt LeaseTrend-Vorstand Gerhard Fischer. "Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel.“ Denn die Chance auf 30 Prozent mehr Umsatz kann im Verlust enden: "Das Risiko liegt im Totalausfall der Batterie und im Wertverzehr des Fahrzeugs. Es gibt noch keine verlässlichen Prognosen, die den Restwert von Elektrofahrzeugen beziffern“, sagt Fischer. Hinzu kämen mögliche Probleme in der Batteriepflege: "Kaum ein Automechaniker kennt sich mit dieser Technologie aus“, sagt der LeaseTrend-Vorstand.
Von diesen Unwägbarkeiten will sich Athlon Car Lease nicht abschrecken lassen. "Die Chance, an neuen Geschäftsmodellen zu partizipieren, muss jetzt ergriffen werden“, sagt René Roeder, verantwortlich für Elektromobilität bei Athlon Car Lease Germany. Die Tochtergesellschaft des niederländischen Finanzdienstleisters De Lage Landen betreibt mit 120 reinen Elektroautos die bisher größte elektrische Leasingflotte eines Non-Captives in Deutschland. Und erforscht neue Fahrgewohnheiten der Nutzer. "Wer sie kennt, kann neue Dienstleistungen rund um das Elektroauto entwickeln“, erwartet Roeder.Die Fahrgewohnheiten ändern sich, und das nicht nur, weil die begrenzte Reichweite eines Elektroautos neue Bewegungsmuster vorgibt, sondern weil sich Mobilität grundsätzlich ändert. Treiber sind die Großstädte, allen voran in China. "Die Hersteller fürchten, dass die Städte wegen der Luftverschmutzung für Autos mit Verbrennungsmotor gesperrt werden“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive. In engen Städten entstehe ein neues Verhältnis zum Auto, "weil Parkplätze teuer sind. In Berlin kommen auf tausend Einwohner nur noch etwa 300 Autos, auf dem Land sind es 600“, sagt Dudenhöffer. Gefragt ist das Fahrzeug auf Abruf.
"Wir werden mehr Elektromobilität im Car Sharing finden“, sagt Holger Rost vom Bundesverband Deutscher Leasingunternehmen (BDL). "Da die Fahrzeuge einen begrenzten Radius haben und nur regional genutzt werden, sind Elektroautos für Car Sharing prädestiniert. Solche lokal emissionsfreien Modelle werden – zumal wenn sie im größeren Maßstab gefahren werden – durch Leasinganbieter finanziert werden.“ Finanzbedarf, den Leasingfirmen decken können, entsteht auch beim Aufbau der Infrastruktur für Ladestationen und Ersatzbatterien.Doch ein Geschäft geht bisher noch völlig an der Leasingbranche vorbei: das Geschäft mit der Kommunikation. Denn Elektromobilität wird die Wertschöpfungskette und damit die Marktstrukturen stark verändern. Für die Autobauer erwachse daraus vor allem ein Bedrohungspotenzial, heißt es in einer Studie von Oliver Wyman. Sie müssen sich in einer neuen Mobilitätswelt auch gegen neue Wettbewerber wehren, die sich mit Angeboten rund um die Stromautos einen Teil vom Kuchen sichern wollen.
Neben Leasinganbietern und Fahrzeugvermietern werden vermehrt Stromversorger und Carsharing-Anbieter aktiv, aber auch die Giganten der IT-Branche wie Apple, Microsoft oder Google wollen am großen E-Rad drehen. Sie können die Software liefern, die in neuen Mobilitätskonzepten an Bedeutung gewinnt. Denn ein Elektroauto für die Stadt wird heute nicht mehr telefonisch, sondern per App vom Smartphone aus gebucht. Und gerade Dienste dieser Art sehen die Berater von Oliver Wyman neben Finanzierung und Leasing als profitabelsten Bereich der E-Mobilität. An den Software-Services rund um den Betrieb der Fahrzeuge will folglich eine ganz neue Ökonomie als Trittbrettfahrer mitverdienen – ohne aber selbst in die automobile Infrastruktur zu investieren.