Gäbe es einen Weltmeistertitel im Ankündigen, Automobilhersteller würden zu den Topfavoriten dieser Disziplin zählen. Auch die 68. IAA in Frankfurt unter dem Leitmotto "Driving tomorrow" wird eine Leistungsschau grandioser Ankündigungen werden. Jedoch mit einem entscheidenden Unterschied zu den vergangenen Jahren oder sogar Jahrzehnten: Vieles, was zur Elektromobilität verkündet wird, dürfte diesmal auch umgesetzt werden.
Ein Blick in die IAA-Historie zeigt, dass dies bislang nicht immer der Fall war. Schon in den Jahren 1991 und 1993 zeigte BMW die Elektroauto-Studie E1 und kündigte an, aus dem Modell könne "schon in naher Zukunft greifbare Realität werden". In der realen Autowelt jedoch wurde der E1 nie gesehen.
Auf der IAA 2013 zündete VW ein Elektro-Feuerwerk, präsentierte E-Golf, E-Up und das Elektro-Lieferwägelchen E-Load und kündigte an, schon im Jahr 2014 insgesamt 14 Modelle mit Elektro- oder Hybridantrieb anzubieten. Die kühne Vorhersage trat nie ein. Aber wenigstens hatten die Wolfsburger dem BMW i3, dessen Verkaufsstart damals unmittelbar bevorstand, die Elektro-Show in Frankfurt nicht allein überlassen.
Jetzt, sechs Jahre später, wird VW abermals die E-Karte spielen, doch diesmal ist es kein Bluff, sondern mutmaßlich ein echtes Ass. Denn auf der IAA feiert der VW ID.3 Weltpremiere, das erste Auto des Volkswagen-Konzerns auf Basis des neuen Elektronik-Baukastens MEB. Mehr als 27.000 Vorbestellungen für die auf 30.000 Exemplare limitierte Einführungsedition sind bereits eingegangen (Automobilwoche 17-18/2019).
Das Kompaktklassemodell wird mit drei unterschiedlich großen Akkus und zu einem Basispreis von unter 30.000 Euro angeboten. Im Sommer 2020 soll die Auslieferung des Elektroautos beginnen. Die Vorserienproduktion des ID.3 ist vor wenigen Tagen im VW-Werk Zwickau angelaufen. Die Akkus für das Auto baut VW ab Ende 2019 in einem neuen Werk in Braunschweig, der E-Antrieb für den MEB wird im Werk Kassel gefertigt.
Fachleute sind auch aufgrund der bald anlaufenden Volumenmodelle von etablierten Herstellern wie VW und Opel optimistisch für den Hochlauf der Elektromobilität. "Obwohl die wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen für Elektrofahrzeuge nach wie vor groß sind und vieles gegen ihren Erfolg zu sprechen scheint, erleben wir jährlich etwa eine Verdopplung des Absatzes", sagt Felix Kuhnert, Automotive Leader der Unternehmensberatung PwC.
Der weltweite Absatz an reinen Elektrofahrzeugen dürfte in diesem Jahr auf rund 2,3 Millionen steigen. In den fünf größten Automärkten Europas lag das Wachstum batterieelektrischer Fahrzeuge in den ersten sechs Monaten 2019 bei 72,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.