Herr Anliker, Anfang 2018 sollen die ersten Borgward in Europa verkauft werden. Wie ist der Stand der Vorbereitungen?
Wir bauen derzeit unsere Vertriebsorganisation auf und konzentrieren uns in einem ersten Schritt auf die deutschsprachigen Länder. Grund dafür ist, dass der Bekanntheitsgrad des Namens Borgward hier noch am grössten ist.
Sie können alles anders machen als die etablierten Hersteller. Wie wird ein Borgward zum Kunden kommen?
Die gewachsenen Händlerstrukturen vieler Marken entstammen meist den 50er und 60er Jahren. Das betrifft sowohl die Dichte der Standorte als auch die Art der Kundenbetreuung. Wir dagegen wollen eine grösstmögliche Digitalisierung im Vertrieb erreichen. Bis zur IAA im Herbst 2017 soll die Plattform stehen. Wir wollen dabei das Markenerlebnis, das der Kunde im Internet oder auf seinem Smartphone hat, in die reale Welt übertragen. Der Übergang muss nahtlos sein, also professionell, persönlich, schnell und bequem.
Wie soll das gelingen?
Der Kunde muss bei Borgward nicht mehr zur Marke kommen, die Marke kommt zu ihm. Wir wollen unsere Brandcenter nicht in einem abgelegenen Industriegebiet errichten, sondern in den Innenstädten oder großen Einkaufszentren mit hoher Besucherfrequenz. Die Mitarbeiter dort sollten das Kundenprofil bereits genau kennen und diesen am besten schon mit Namen begrüßen. Vielleicht übergeben sie ihm gleich den Schlüssel für die Probefahrt, die er über das Internet gebucht hat. Wo genau wir letztlich an den Start gehen, hängt davon ab, wie wir unseren Kundenkreis genau definieren.
Wann wird der erste Shop eröffnet?
Wir wollen Mitte 2017 ein erstes Brandcenter eröffnen und die Zahl dann in Deutschland auf 20 bis 30 steigern. Dabei geht es zunächst um einen Konzeptshop, in der wir das gesamte Kundenerlebnis vom ersten Kontakt bis zum Kauf testen wollen. Das kann in Stuttgart sein, wo die Zentrale von Borgward ist. Denkbar wäre aber auch Bremen, wo wir als Marke herkommen und eine Fertigung aufbauen. Eine dritte Möglichkeit ist Berlin als Hauptstadt.
Wann wollen Sie mit dem digitalen Auftritt an den Start gehen?
Wir fokussieren uns auf die IAA, bis dahin sollte auch die Plattform soweit stehen, dass sich der Kunde über die beiden angebotenen Modelle BX5 und BX7 umfassend informieren kann. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.
Machen Sie den Vertrieb alleine oder setzen Sie auf Partner?
Wir haben uns sowohl in der Produktion als auch im Vertrieb zum Ziel gesetzt, nur das selbst zu machen, was wirklich zum Kern der Marke zählt. Wir werden Markenshops in Eigenregie betreiben, das wird aber die Ausnahme sein. Wir sind auf der Suche nach digital affinen Vertriebspartnern, die mit uns den nächsten großen Schritt gehen wollen. Das könnten beispielsweise Mehrmarkenhändler sein, die im Gebrauchtwagengeschäft über große Erfahrung verfügen.
Wie viele Borgward wollen Sie denn verkaufen?
Wir wollen in Bremen mit den Modellen BX5 und BX7 eine jährliche Produktion von 10.000 Einheiten erreichen. Was wir in Deutschland verkaufen werden, ist schwierig vorherzusagen, da wir hauptsächlich mit rein elektrischen Antrieben an den Start gehen. Der Elektrohype ist zwar da, aber ob er auch wirklich beim Kunden ankommt, wissen wir nicht. Deshalb wollen wir beim Vertrieb stufenweise vorgehen. Weder wir noch unsere Partner wären glücklich mit Investitionen, die sich nicht lohnen.
Die Kunden müssen ihr Auto auch mal reparieren lassen, wo können sie das tun?
Wir betrachten Vertrieb und Service getrennt voneinander – schon wegen der zentralen Standorte unserer Brandcenter. Um diese herum soll es dann ein ausreichend dichtes Netz an Werkstätten geben. Dazu führen wir gerade Gespräche mit namhaften großen Ketten in Deutschland.
Soll es dort getrennte Markenbereiche für Borgward geben?
Viel wichtiger als die Präsentation der Marke etwa in einem abgetrennten Bereich ist für uns, dass die Betreuung der Kunden so abläuft, wie wir uns das vorstellen. Dafür wollen wir das Personal entsprechend schulen. Außerdem wollen wir die Investitionen für unseren Servicepartner auf einem vernünftigen Niveau halten. Am Ende zahlt eine üppige Marken-Ausstattung ja der Kunde. Wir wollen aber auch bei den Preisen für Service wettbewerbsfähig sein.
Wie dicht geknüpft wird das Servicenetz sein?
Zunächst geht es um eine flächendeckende Grundversorgung, wo etwa die planmäßigen Intervalle und einfache Dinge wie Reifenwechsel abgedeckt sind. Eine zweite Ebene sind dann spezialisierte Technikzentren für aufwändigere Reparaturen beispielsweise am elektrischen Antriebsstrang. Hierfür würden wir die Autos dann aus den Werkstätten zusammenziehen, ohne dass der Kunde sich darum kümmern muss.
Wie genau soll die Marke denn in Europa positioniert werden?
Da wir zunächst mit rein elektrischen Antrieben und SUV antreten, zielen wir auf eine urbane, digital affine und zukunftsorientierte Kundengruppe. Borgward war schon in den 60er Jahren technologisch wie vom Design her eine sehr progressive Marke – insofern gibt es da viele Parallelen. Das wollen wir auf die heutige Zeit übertragen und fragen uns daher bei vielen Entscheidungen, wie das Firmengründer Carl F. W. Borgward gemacht hätte.
Reicht das wirklich, um sich abzugrenzen?
Einen Borgward zu kaufen und zu besitzen wird ein ganz anderes Erlebnis sein als bei einem der klassischen Hersteller. Was bringen zehn Telefonnummern für die Kundenbetreuung, wenn man ewig in der Warteschleife hängt oder sich durch Menüs tippen muss. Da sollte gleich eine freundliche Stimme dran sein. Wir wollen keine Technokraten sein, sondern persönliche Betreuung bieten. Das verstehen wir unter „accessible premium“, also unter nahbarem oder zugänglichem Premium.
Wann starten Sie ihre erste Marketingkampagne?
Ich gehe davon aus, dass die Marke ab Mitte 2017 auf dem europäischen Markt deutlich an Sichtbarkeit gewinnen wird. Dabei werden wir versuchen, unsere Kundengruppe über alle Kanäle möglichst gezielt anzusprechen. Auf der IAA werden wir dann zeigen, wie wir uns das Auto der Zukunft bei Borgward vorstellen – mit wegweisendem Design, digitalen Diensten und elektrischem Antrieb. Mit unserem Comeback sind wir mit den SUV in der Mitte des Wettbewerbs eingestiegen und wollen uns dort zuerst etablieren. Danach haben wir ganz klar die Ambition, wieder ganz vorne mitzuspielen.
Wo wird Borgward preislich positioniert sein?
Das wird die nächste große Herausforderung. Klar ist jedenfalls: Sogenannte Kampfpreise wird es mit Blick auf die Wertigkeit der Marke nicht geben.
Und wie geht es weiter in Europa?
Wir wollen nach Deutschland, Österreich und der Schweiz alle sechs Monate weitere Regionen in Angriff nehmen. Allerdings befinden wir uns in einem Dilemma. In Südeuropa wächst der Markt für SUV überproportional stark, in den nördlichen Ländern der Markt für rein elektrische Antriebe. Eine Möglichkeit wäre deshalb, in den europäischen Metropolregionen zu starten, die alle vor ähnlichen Verkehrsproblemen stehen und von der Kundenstruktur ähnlich sind. Da ist aber noch keine endgültige Entscheidung gefallen.