Das Schöne an Nischen ist, dass es zwischen zwei Nischen immer eine weitere gibt. Das hatte man wohl in Wolfsburg erkannt, als man 2010 den Amarok auf den Markt brachte. Sicher hat man sich bei Volkswagen im fünften Jahr mehr erwartet als rund 78.000 verkaufte Neufahrzeuge weltweit. Doch wo Platz ist für einen Volks-Pick-up, könnte ja auch Platz sein für eine Premium-Pritsche. „Do you have pickups?“ war eine der ersten Fragen von Keith Crain, als wir uns 2001 kennenlernten. „No, we don't“, lautete meine Antwort. Im Urlaub in Griechenland hätte ich sie gesehen, beladen mit roten Tomaten. Auch meine Bekannte im Kongo fahre damit durch die Straßen von Lubumbashi. Aber hier in Deutschland hätten wir keine Pick-ups und würden schon gar keine bauen. Heute fällt es mir leichter, die Frage zu verstehen. Denn so wie ein Auto ohne Cupholder in den Staaten kein Auto ist, so ist der Pick-up für den Amerikaner schlicht der Urtypus eines Automobils. Doch vor allem sind Pick-ups wie der Ford F 150 oder der Chevy Silverado echte „Money Spinner“.
An die Deckungsbeiträge des Dodge Ram bei DaimlerChrysler hat sich wahrscheinlich auch Dr. Z erinnert. Gleich in der Super League spielen will Dieter Zetsche aber nicht, auch wenn die Margen dort weit höher sind als im jetzt avisierten Midsize-Segment. Dieses wird weltweit dominiert von Toyota, Nissan, Mitsubishi & Co. Mit einem mittelgroßen Pick-up von rund einer Tonne Nutzlast setzt man in Untertürkheim wohl darauf, dass Handwerk rund um den Globus goldenen Boden hat. In Australien genauso wie in Thailand oder Brasilien. Oder basiert diese Entscheidung doch mehr auf der Hoffnung, mit einem Lifestyle-Produkt für urbane und rurale Freizeit-Junkies ein neues Segment zu definieren, wie es Mercedes schon einmal mit der M-Klasse gelungen ist? Hat der Pick-up mit dem Stern Erfolg, steht eines schon heute fest: In der Nische bleibt keiner lange allein. Dann darf man gespannt sein, wie die Pritschenwagen von Audi und BMW aussehen werden. Spätestens dann werde ich eine Frage von Keith Crain nicht mehr hören: „Do you have pickups?“