Herr Weigler, kam der Wechsel an die Spitze von Uber Deutschland überraschend für Sie?
Ich bin vor etwa einem Jahr bei Uber eingestiegen und habe seither unsere Dienste in München betreut. In dieser Zeit habe ich mit meinem Vorgänger Christian Freese sehr partnerschaftlich zusammengearbeitet. Ich wusste, dass er eine Herausforderung im internationalen Umfeld sucht. Sein Wechsel nach Indien kam deshalb für mich nicht überraschend. Und ich freue mich darauf, die nächsten Schritte für Uber in Deutschland einleiten zu können.
Warum ist Deutschland für Uber so ein schwieriger Markt?
Die Ur-Idee des Uber-Gründers Travis Kalanick im Jahr 2009 war, dass man auf seinem Smartphone einfach auf einen Knopf drückt und dann von jemandem mit dem Auto abgeholt wird. Zunächst sollte das eigentlich nur im kleinen Freundeskreis mit ein paar Limousinenfahrern getestet werden. In den USA hat der Service dann aber sehr viele Menschen sehr schnell überzeugt. Aus dieser Euphorie heraus entstand der Plan, das Konzept in anderen Ländern anzubieten. Und einer der ersten Märkte außerhalb der USA war Deutschland.
Aber Sie haben nicht mit dem Widerstand der Taxilobby und Kommunen gerechnet?
Tatsächlich ist unser Dienst UberPop, bei dem Privatpersonen mit ihren eigenen Autos die Fahrten übernehmen, hier sehr schnell an Grenzen gestoßen. Das war gesetzlich nicht vorgesehen. Aber auch von Uber wurden Fehler gemacht. Die Kommunikation in der Öffentlichkeit war sicher nicht optimal und auch die Behörden wurden nicht ausreichend in die Pläne eingebunden. Deshalb haben wir vor eineinhalb Jahren in Europa den Schwenk gemacht, Fahrten nur noch an professionelle Fahrer, die über alle notwendigen Lizenzen verfügen, zu vermitteln.
Haben Sie es ihrer Meinung nach geschafft, das Image des bösen Buben abzulegen?
Behörden, Medien und die Nutzer haben verstanden, dass wir konsequent einen Strich unter den Dienst mit Privatfahrern gezogen haben. Wir wollen partnerschaftlich mit der Politik zusammenarbeiten und halten uns selbstverständlich an die geltenden Gesetze. Viele haben auch aufgrund unserer positiven Effekte in anderen Ländern erkannt, dass wir nicht ein Problem sind, sondern im Gegenteil ein Teil der Lösung. Wir können Unterstützung anbieten, wenn es um vom Verkehr überlastete Innenstädte geht. Wir können aber auch eine Jobperspektive für viele Menschen bieten, die es sonst auf dem Arbeitsmarkt schwer hätten.
Wie entlasten Sie die Straßen?
Ein Drittel des Verkehrs in Innenstädten ist Parksuchverkehr. Wenn sie sich von A nach B fahren lassen und dann aussteigen, fällt dieses Problem weg. Außerdem müssen weniger Stellplätze vorgehalten werden. Uber ist zudem eine sinnvolle Ergänzung zum Öffentlichen Nahverkehr – etwa dort, wo am Abend der Takt nicht mehr so dicht ist oder ich von der letzten Haltestelle noch einen längeren Weg nach Hause habe. Wer die Option hat, abends zuverlässig und bezahlbar nach Hause zu kommen, wird sein Auto öfter stehen lassen und mit der Bahn in die Stadt fahren.
Von dem kleinen Kuchenstück wollen aber auch andere Anbieter wie myTaxi oder CleverShuttle was abhaben...
Bisher gibt es als Fahrdienst in vielen Städten nur das Taxi. Das ist aber nur für bestimmte Kundengruppen interessant, nicht zuletzt wegen der hohen Preise. Unsere Kunden sind vorher meist nie Taxi gefahren. Durch die niedrigeren Preise, aber auch durch die einfach zu bedienende App sprechen wir ein jüngeres, tech-affines Publikum an. Ich denke, dass am Ende alle Anbieter voneinander profitieren werden. Denn je besser das Netz aus ÖPNV, Ridesharing, Carsharing und Bikesharing funktioniert, desto eher lassen die Leute ihr eigenes Auto stehen. Der Kuchen wächst also, selbst wenn die Konkurrenz zunimmt. Was uns eher Sorgen macht, ist der Mangel an Fahrern. Die Hürden für den Berufseinstieg sind einfach unangemessen hoch.
Was sind das für Einschränkungen?
Wenn ich als Chauffeur-Unternehmer arbeiten möchte, dauert das in Deutschland circa sechs Monate. In England, auch ein stark regulierter Markt, dauert es nur vier Wochen. Für jemanden, der gerade arbeitslos geworden ist, ist der Job als Fahrer damit einfach nicht mehr interessant. Hierzulande muss man bei der IHK eine Prüfung ablegen, die sehr kompliziert ist und lange Vorbereitung erfordert. Am Ende fallen dann trotzdem 70 Prozent beim Erstversuch durch. Hinzu kommt die sogenannte Ortskenntnisprüfung, bei der sie jede Straße in ihrer Stadt auswendig kennen müssen. Auch hier scheitern viele Kandidaten. Wir kennen Fahrer, die erst beim fünften Versuch und nach zwei Jahren durchgekommen sind. Sowas ist doch in Zeiten präziser Navigationssysteme mit Echtzeit-Verkehrsinformation schlicht nicht mehr zeitgemäß und verhindert für viele Menschen, dass sie einer Beschäftigung nachgehen können.
Aber die letzte Meile ist ein sehr begrenzter Markt, lässt sich da wirklich Geld verdienen?
Ja, das zeigt uns unsere Erfahrung aus anderen Ländern. Es ist keine Frage, dass man auf einer längeren Strecke zum Beispiel in Berlin mit der U-Bahn schneller und auch günstiger vorankommt. Das ist schlichtweg auch ökologischer. Aber die verbleibenden Nischen gerade in nicht gut angebundenen Gebieten oder in der Nacht, wenn der ÖPNV ruht, bieten aus unserer Sicht noch genug Potenzial. Hinzu kommen die vielen Menschen, die jeden Tag alleine hinter dem Steuer ihres eigenen Fahrzeugs sitzen und in die Stadt fahren. Das ist ein riesiger Markt.
Sie wollen also mit dem ÖPNV kooperieren?
Unsere Nutzer sehen uns als Ergänzung zum ÖPNV. In reifen Städten wie London oder Paris beobachten wir, dass ein Großteil der Fahrten mit Uber an Bahnhaltestellen beginnen oder enden. Wir können uns aber auch konkrete Projekte gemeinsam mit dem ÖPNV vorstellen, bspw. indem wir zu Tagesrandzeiten helfen, Mobilität kostengünstig zu organisieren.
Wie realistisch sind denn solche Modelle in Deutschland?
In den USA gibt es diese Partnerschaften schon. Kleinstädte subventionieren eine Uber-Fahrt zu Zeiten, in denen es sich nicht lohnt, öffentliche Verkehrsmittel einzusetzen. Davon profitieren dann nicht nur die Kunden. Auch der Schreiner vor Ort, der vielleicht ohnehin nicht mehr so viel zu tun hat, verdient sich so noch etwas dazu. Oder die Mutter, wenn ihre Kinder in der Kita oder beim Sport sind. Doch so lange es in Deutschland so schwer ist, Fahrer zu werden, ist es unrealistisch. Niemand macht diese Prüfungen für einen Nebenjob.
Sie haben mehrfach die Probleme mit der Gesetzgebung angesprochen. Was muss sich ändern?
Das Personenbeförderungsgesetz stammt aus den 60er Jahren. Mobiltelefone oder gar Apps haben da keine Rolle gespielt. Im Gesetz steht zum Beispiel, dass Aufträge fernmündlich beim Fahrer eingehen müssen. Aber was ist das heute? Eine SMS? Eine Anfrage per App? Unser Punkt ist, dass durch diese veralteten Regeln vielen Menschen Chancen entgehen, sowohl den Verbrauchern als auch den Fahrern. Schaut man nach Amsterdam oder Paris, kann man sehen, was durch Uber möglich ist. In diesen Ländern sind die Voraussetzungen für die Fahrer und die gesetzlichen Hürden viel geringer als in Deutschland.
Aber auch in Paris ist Uber nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen worden.
Stimmt. Uber wurde wie in Deutschland anfangs als Konkurrenz empfunden. Das ist verständlich, wenn man als Taxigewerbe Jahrzehnte in einem völlig geschützten und privilegierten Markt operiert: kein Preiswettbewerb, in vielen Städten eine behördlich reglementierte Anzahl von Konzessionen, ein vergünstigter Mehrwersteuersatz und andere Privilegien wie zum Beispiel Stellplätze an Bahnhöfen. Heute leben aber allein in Paris 15.000 Menschen von Uber – zusätzlich, denn kein Taxifahrer hat wegen uns seinen Job verloren. Viele von ihnen kommen aus den Vorstädten und waren vorher arbeitslos. Die Beschäftigungsthematik ist in Deutschland vielleicht noch nicht so brennend, aber sie könnte mit dem Eintreten der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt gewichtiger werden.
Bisher sind Sie auf Berlin und München beschränkt, in Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg haben Sie sich mit ihrem Dienst UberX zurückgezogen.
Wenn die Zeit dafür reif ist, kommen wir zurück in diese Städte. Aber wir wollen zuerst zuverlässig in den bisherigen Gebieten funktionieren. Langfristig wollen wir auch UberPool nach Deutschland bringen. Dabei bringen wir Fahrgäste in Echtzeit für eine gemeinsame Fahrt zusammen und helfen ihnen so, Geld zu sparen und gleichzeitig die Umwelt zu schonen. Die Autos lassen sich damit noch effizienter einsetzen, die Auslastung der Fahrer steigt weiter. Allerdings ist auch dies heute nur durch eine gesetzliche Ausnahmeregelung möglich, weil ein Fahrzeug laut Gesetz nur im Ganzen gebucht werden darf. Zudem benötigt man eine gewisse Dichte an Fahrten.
Uber macht bisher nur Verluste. Wie wollen Sie in Deutschland in die schwarzen Zahlen kommen?
Wir sehen unser Engagement zum jetzigen Zeitpunkt als Investition in die Zukunft. Doch Uber gehört bereits heute zu denjenigen Diensten, die in den Städten München und Berlin am weitesten entwickelt sind. Wir haben allein in Berlin über 1000 Taxis, die sich täglich von Uber Fahrten vermitteln lassen. Und auch in München hat sich das Netz verdichtet. Statt in acht kommt nun in durchschnittlich sechs Minuten ein Fahrer. Wir sind über das Anfangsstadium weit hinaus. Das können viele andere, die in diesem Bereich aktiv sind, noch nicht von sich behaupten.
Was verdienen Sie denn konkret mit einer Fahrt?
In Deutschland arbeiten wir nur mit professionellen Fahrern zusammen, die für die Vermittlung der Fahrten an uns Gebühren zahlen. Diese liegen zwischen sieben und 25 Prozent. Zahlt der Kunde an die Mietwagenfirma also für eine Fahrt zehn Euro, bekommen wir davon bis zu 2,50 Euro. Das ist für unsere Partner ein interessantes Geschäftsmodell, um die Standzeiten ihrer Fahrzeuge zu reduzieren und ihre Auslastung zu erhöhen. Außerdem fallen keine Fixkosten an, da unsere Partner nur dann an uns zahlen, wenn sie verdienen, also pro vollendeter Fahrt. Viele nutzen Uber zusätzlich zu ihrer eigenen Kundenkartei und zu anderen Vermittlern.
Was hebt Uber vom Rest ab, wo macht Uber den Unterschied?
Niemand ist so international aufgestellt wie Uber. Egal wo Sie auf der Welt aussteigen, ist die Chance sehr hoch, Uber nutzen zu können – und zwar mit immer derselben App und in ihrer Landessprache. AUßerdem arbeiten über 1000 Softwareentwickler täglich daran, unsere Features und Algorithmen zu optimieren. Bei UberPool zum Beispiel schlagen wir dem Fahrgast bei komplizierten Verkehrswegen eine nahe gelegene Aufnahmestelle vor, welche die Wartezeit deutlich verkürzt. Je einfacher eine App aussieht, desto mehr Arbeit ist da reingeflossen.
Wie ist denn ihr Verhältnis zur Zentrale in San Francisco?
Wir arbeiten hier relativ selbständig, pflegen aber auch einen sehr engen Austausch. Eigentlich besteht Uber aus 450 Start-ups in den jeweiligen Städten. Wir bewegen uns in lokalen Märkten, in denen Beförderungswege, Gesetze und auch der öffentliche Nahverkehr jeweils anders geregelt sind. Dafür braucht es auch lokale Lösungen. Die Freiheit bedeutet allerdings nicht, dass der Geldhahn immer offen ist. Jeder muss auch wie ein Start-up sinnvoll wirtschaften. Was oft vergessen wird, ist, dass Uber ein lokal unglaublich stark verwurzeltes Unternehmen ist. Der Großteil der Umsätze bleibt ja bei professionellen Fahrern aus der Gegend. Von dem Rest betreiben wir Marketing, mieten Büros und beschäftigen feste Mitarbeiter vor Ort. Das unterscheidet uns von vielen anderen Tech-Unternehmen.
Welche Pläne haben Sie für UberEats in Deutschland?
Die Idee von UberEats ist, nicht auf Knopfdruck eine Fahrt zu bestellen, sondern sich das Essen aus dem Lieblingsrestaurant nach Hause liefern zu lassen. Wir wissen sehr gut, wie man Angebot und Nachfrage zusammen bringt, und das übertragen wir auf den Bereich der Auslieferung von Essensgerichten. Mit der vorhandenen IT-Infrastruktur sind noch viele andere Dinge möglich. Die lokalen Restaurants müssen sich dabei um nichts kümmern. Wir sorgen für einen zusätzlichen Vertriebskanal und je Menge neuer Kunden.
Auch dieser Markt ist bereits mit Konkurrenten wie Foodora, Lieferando oder Delivery hart umkämpft. Ist da noch Platz?
Wir können zum konkreten Programm noch keine Details verraten. Aber auch der Markt für Essenslieferungen hat aus unserer Sicht noch großes Potenzial. Da ist noch vieles möglich.
Uber und Volvo haben eine Partnerschaft zum autonomen Fahren geschlossen. Warum ist es nicht BMW oder Daimler geworden?
Volvo steht seit jeher für Sicherheit. Das ist uns gerade beim autonomen Fahren sehr wichtig. Die Zukunft sieht aber bestimmt so aus, dass wir mit verschiedenen Unternehmen Kooperationen schließen werden. Die deutsche Autonindustrie mit ihren überlegenen Fahrzeugen ist da sicherlich äußerst interessant. Wann selbstfahrende Autos dann auch großflächig auf der Uber-Plattform unterwegs sein werden, lässt sich jedoch schwer sagen.
Wird sich Uber in Deutschland durchsetzen?
Ich glaube schon, dass wir unseren Service im bestehenden Rechtsrahmen in Deutschland noch weiter verbessern können. Die Entwicklung unseres Geschäfts im letzten Jahr war bereits sehr erfreulich. Wir legen sicher noch eine ordentliche Schippe drauf, wenn vor allem diejenigen regulativen Hürden abgebaut wurden, die nicht im Sinne des Verbrauchers sind. Wichtig ist, dass die Voraussetzung um Fahrer zu werden, zumutbar sind.. Das wird nicht leicht, aber Deutschland ist in dieser Hinsicht einer der am strengsten regulierten Märkte weltweit. Es ist an der Zeit, dass da etwas Bewegung reinkommt.