Die Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T & E) in Brüssel hat großen Einfluss auf die Umweltpolitik der EU. Vor Kurzem veröffentlichte T & E eine umfassende Studie ("Promises, but no plans") zur Frage, wie gut die Autobauer auf die E-Mobilität vorbereitet sind. Darüber sprachen wir mit Koautor Yoann Gimbert.
Herr Gimbert, laut Ihrer neuen Studie sind in Europa Volvo Cars und die VW-Gruppe am besten auf die E-Mobilität vorbereitet. Wie kam das Urteil zu VW zustande?
Wir bewerten die Höhe der geplanten E-Produktion, die tatsächlichen E-Verkäufe und die gesamte Elektrostrategie der Hersteller. In all diesen Punkten hat VW konkrete Ziele genannt und große Fortschritte gemacht. Zu nennen ist vor allem die MEB-Plattform. Insgesamt ist das eine kohärente Strategie.
Wenn die Wolfsburger so gut elektrisch unterwegs sind, warum erhalten sie dann nur 70 von 100 möglichen Erfolgspunkten?
Nur ein Autobauer, der im Jahr 2020 den höchsten Anteil an rein elektrischen Fahrzeugen verkauft hat, kann 100 Punkte erhalten. Und entsprechend muss ein Hersteller für die Jahre 2025 und 2030 vorhaben, zu 100 Prozent elektrisch zu fahren. Die VW-Gruppe peilt derzeit aber für 2030 nur eine BEV-Quote von 60 Prozent an. Für 100 Prozent fehlt auch eine detaillierte Strategie für die geplanten sechs Batteriefabriken des Konzerns.
Warum haben Sie in Ihr Ranking nicht auch Tesla aufgenommen?
Tesla als reiner BEV-Autobauer haben wir rausgelassen, weil wir mit diesem Ranking vor allem den Wettbewerb der Hersteller anfeuern wollen, die noch nicht voll elektrisch sind.
Haben Sie nicht Bedenken, dass die Ankündigungen der Hersteller in Bezug auf die E-Mobilität viel Marketing enthalten?
Bei Volkswagen sind wir uns sicher, dass die Wende hin zur E-Mobilität eine Reaktion auf den Glaubwürdigkeitsverlust infolge von Dieselgate ist. VW will mit der Elektro-Strategie auch sein internationales Image verbessern. Aber natürlich ist diese Wende auch eine positive Reaktion auf die CO2- Regulierung in Europa.
Toyota schneidet in Ihrem Ranking überraschend schwach ab – auf dem letzten Platz der "Electric Readiness". Wie ist das erklärbar bei dem Hybrid- Weltmeister?
Toyota hat sich zu lange auf seiner starken Hybrid-Position ausgeruht und ist jetzt beim Thema BEV in Verzug. Wir sehen auch noch keine kohärente Elektrostrategie bei Toyota. Es fehlt an klaren Ambitionen für 2030. Auch BMW und Daimler liegen in dem Ranking auf hinteren Positionen – trotz vieler Innovationen. Beim Thema BEV haben beide Hersteller zu wenige Ambitionen. Daimler sogar noch weniger als BMW. Sowohl BMW wie auch Daimler wollen sich möglichst lange auf ihren erfolgreichen Plug-in-Hybriden ausruhen, die aber im realen Leben kaum elektrisch fahren, sondern meist mit Verbrenner. Für uns sind das Mogelpackungen. Die E-Motoren der Plug-ins sind zu schwach im Vergleich zum Verbrenner. Richtig wäre es genau andersherum.
Haben sich schon Hersteller erkundigt, wie Sie zu diesen Ergebnissen gekommen sind?
Ja, wir wurden gefragt, was unsere Kriterien sind. Viele haben nicht verstanden, dass wir nur das beurteilen können, was wir aus den Medien erfahren. Es wäre also gut, wenn sie mehr über ihre Pläne veröffentlichen würden.
Das Interview führte Michael Knauer.
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