Dass es für diese Erkenntnis eine gewisse Zeit braucht, ist durchaus gewollt. Die Porsche-Kultur ist kein theoretischer Inhalt der Ausbildung. Vielmehr soll sie eine Wirkung dieser sein. Das geht am besten über Ausbilder, die als Vorbild dienen und deshalb sehr sorgsam ausgewählt werden. "Die typischen Porsche-Werte werden zwar aufgegriffen, aber letztlich muss sich das Pflänzchen in jedem einzelnen Mitarbeiter selbst entwickeln", sagt Ausbildungsleiter Dieter Esser.
Porsche hat es geschafft, sich trotz des Luxusimages der teils sündhaft teuren Sportwagen eine gewisse Bodenständigkeit zu bewahren, die fast schon an Bescheidenheit grenzt. Dies leben auch die Vorstände um Porsche-Chef Oliver Blume sowie Aufsichtsratschef und Miteigentümer Wolfgang Porsche, Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche.
Die Premiere des neuen Cayenne ging nicht etwa in Florida oder Schanghai über die Bühne, sondern auf dem Museumsdach in Zuffenhausen. Und als der einmillionste 911 vom Band lief, wurde dies nicht etwa pompös inszeniert, sondern lediglich mit einem Sondermodell am Band gefeiert, wo die Werker neben Managern und Journalisten dabei sein konnten. "Wir Porscheaner erwirtschaften Gewinne, um das Soziale zu verteidigen", lautet einer der Lieblingssprüche von Betriebsratschef Uwe Hück. Auf die Weise will das Unternehmen jeglichen elitären Anstrich vermeiden. Das überträgt sich auf die Straße. Wer einen 911 sieht, der denkt nicht in erster Linie an den Reichtum des Besitzers, sondern eher an die schöne Form des Autos.
Gelebt wird dieser Geist nicht zuletzt auch jenseits der Werkshallen. Jedes Jahr Anfang Juli wird der Stammsitz in Zuffenhausen zur Partymeile. Dann ist die Hocketse, die im Schwäbischen für zwangloses Beisammensein steht. Ein Familienfest mit Musik und gutem Essen für alle Mitarbeiter, das für das Unternehmen einen unschätzbaren Wert hat. "An der Art der Organisation und dem hohen Niveau des Essens etwa sehen die Lehrlinge, wie bei Porsche Perfektion und Leidenschaft lebendig werden", sagt Esser. Kleine schlagkräftige Einheiten arbeiten zusammen, um etwas Großes hervorzubringen – bei der Party wie beim Sportwagen. Auch der Sechs-Stunden-Lauf oder die Übertragung des Le-Mans-Rennens sind Ereignisse, die die Gemeinschaft stärken.
Vor einiger Zeit hat das Unternehmen die Porsche-Kultur in ein gemeinsames Leitbild gegossen. Das wurde nicht von oben verordnet, die Mitarbeiter selbst haben es erarbeitet. Herausgekommen ist eine Matrix mit vier Feldern, dieden Markenkern definiert: Herzblut, Pioniergeist, Sportlichkeit und Familie gelten nun ganz offiziell als die Eckpfeiler des Sportwagenbauers. "Es sind Werte, die wir nicht nur auf ein Papier geschrieben haben, sondern die unserer Tradition entsprungen sind. An ihnen orientieren wir uns, weil wir von ihnen überzeugt sind",heißt es im Karriereführer Campus.
"Porsche hat ja in einer Garage angefangen, diese Mentalität haben wir uns trotz der mittlerweile 30.000 Beschäftigten bewahrt", sagt Porsche-Chef Blume. Vom ersten Tag an habe er gemerkt, dass es ein besonderes Unternehmen sei.
Umgekehrt erwartet Porsche aber auch von den aktuell rund 150.000 Bewerbern pro Jahr, dass sie die richtigen Voraussetzungen für diese Kultur mitbringen. Da reicht es als Motivation nicht, zu sagen, dass ein 911 ein tolles Auto ist. "Wir schauen darauf, für wen dieses Umfeld hier einen konstruktiven Effekt auf das Lernen hat", sagt Esser.
Die Noten sind dabei nur einer von vielen Faktoren. Porsche ist stolz darauf, dass etwa 40 Prozent der Ausbildungsplätze im technisch-gewerblichen Bereich mit Hauptschülern besetzt werden. Zudem bietet Porsche seit 2013 Jugendlichen ohne Schulabschluss mit einem Förderjahr die Möglichkeit auf eine anschließende Ausbildung. Dabei verlassen sich die Personaler bei der Einstellung auf ihr Bauchgefühl und bewusst nicht nur auf messbare Kriterien. Esser: "Das macht uns angreifbar, aber daran halten wir fest."