Zulieferer Grammer hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Wie es nach der Auseinandersetzung mit der Investorenfamilie Hastor weitergeht, sagt Grammer-Chef Hartmut Müller im Automobilwoche-Interview.
Herr Müller, haben Sie nach der positiv verlaufenen Hauptversammlung damit gerechnet, dass es so schwierig bleiben würde?
Die Hauptversammlung war eine Bestätigung der Aktionärsdemokratie, mit der wir ein gutes Signal setzen konnten. Aber es ist natürlich schwierig, wieder in den Normalmodus zu finden. Unsere Kunden mussten die Ergebnisse erst einmal interpretieren. Denn die Hastor-Gruppe hält über Cascade und Halog immer noch 22,5 Prozent der Aktien.Ist die Sperrminorität, die Ningbo Jifeng inzwischen erreicht hat, ein Vertrauenssignal für die Kunden?
Die Sperrminorität bedeutet, dass die Hastor-Gruppe in Zukunft eigentlich keine Möglichkeit der strategischen Einflussnahme hat. Ich habe bis zur Hauptversammlung mit unseren Kunden sicher 50 oder 60 Gespräche auf Vorstandsebene oder direkt darunter geführt, um die Situation zu erklären. Nun muss ich erklären, was das Ergebnis der Hauptversammlung bedeutet. Wir gehen davon aus, dass sich 2018 alles stabilisiert.Gibt es Signale für eine Normalisierung der Auftragsvergabe?
Die Signale haben wir, aber es gibt Unterschiede. Wir haben langjährige Kunden, für die das Thema erledigt ist. Bei anderen stehen die Auftragsvergaben erst im nächsten Jahr an. Wieder andere sind kurz nach der Hauptversammlung auf uns zugekommen und haben noch Erklärungsbedarf.Was bedeutet das für Grammer?
Wir sind nicht beunruhigt. Wir mussten zwar eine Meldung herausgeben, dass der Auftragseingang noch nicht zufriedenstellend ist. Das ist aber ein kumulativer Effekt. Im ersten Halbjahr fehlten uns Aufträge in Höhe von 250 Millionen Euro, im zweiten Halbjahr sind noch mal 250 Millionen dazugekommen. 500 Millionen klingt viel, aber das ist der Betrag über Fahrzeugzyklen – also für fünf bis sieben Jahre. Ab dem Jahr 2020 würden etwa 80 Millionen Umsatz pro Jahr verlorengehen. Das ist kein Grund, unser mittelfristiges Ziel zu verändern.Stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel?
Aus heutiger Sicht nicht. Es wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren zeigen, ob wir die verlorenen Aufträge kompensieren oder sogar überkompensieren können. Aber wir haben noch gut Zeit und auch die Produkte, um neue Aufträge zu gewinnen.Wie wollen Sie die Lücke schließen?
Wir wollen unser Kundenspektrum insbesondere in den USA und China erweitern.Kann Ningbo Jifeng helfen, in Asien Kunden zu gewinnen?
Wir haben Ningbo Jifeng als strategischen Partner gesucht, um uns in China einen besseren Zugang zu den chinesischen Fahrzeugherstellern zu ermöglichen. Wir haben dort mit unseren angestammten Kunden in den vergangenen Jahren schon große Wachstumsraten hingelegt. Wenn die chinesischen Fahrzeughersteller hinzukommen, werden wir dort hohe zweistellige Wachstumsraten erreichen. Mit ersten chinesischen Kunden rechnen wir 2018.Ningbo Jifeng will in den Führungsgremien von Grammer aktiv werden. Wie genau wird das aussehen?
Es gibt momentan keinen konkreten Ansatz dafür. Soweit mir bekannt ist, gibt es auch kein Ansinnen für ein Gespräch mit dem Aufsichtsrat. Wenn jemand 25 Prozent besitzt, will er sich aberdie Option offenhalten, auch im Aufsichtsrat vertreten zu sein.Haben Sie Signale von den Hastors, dass sie sich als Aktionär zurückziehen?
Wir hatten weder vor noch nach der Hauptversammlung Kontakt. Vorher hatten wir großes Interesse an einer Kontaktaufnahme. Mit dem Aktienaufbau von Jifeng müsste das Interesse jetzt mehr auf der Seite des Investors liegen.Was machen Sie, wenn die Hastors einen neuen Angriff starten?
Ich möchte das nicht noch einmal durchmachen. Doch wir haben nun einen Ankeraktionär mit 25 Prozent. Cascade und Halog haben es nicht geschafft, einen einzigen Aktionär von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Daher blicken wir der nächsten Hauptversammlung gelassener entgegen. Wir nehmen den Aktionär ernst, aber wir sehen das als weniger gefährlich als im vergangenen Jahr.Reizt es Sie persönlich, zu erfahren, was die Strategie hinter dem Vorgehen der Hastors war?
Vor der letzten Hauptversammlung hat es mich viel mehr interessiert. Es ging um die Zukunft von Grammer, um die Zukunft von 15.000 Leuten. Jetzt ist diese strategische Einflussnahme nicht mehr möglich. Insofern hat eine Kontaktaufnahme derzeit bei uns nicht höchste Priorität. Wenn man mich aber anruft, so stehe ich natürlich für ein Gespräch zur Verfügung.Lesen Sie auch:
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