Herr Koslowski, was hat denn ein klassischer Sportwagenbauer wie Porsche mit der Digitalisierung zu schaffen?
Für uns passt das sehr gut zusammen. Das Fahrzeug und seine Eigenschaften auf der Straße stehen bei uns im Mittelpunkt. Daran ändert sich nichts. Aber klar ist auch, dass wir dafür alle Technologien, die es gibt, nutzen wollen. Über die klassische Ingenieurskunst hinaus ermöglicht uns die Digitalisierung eine zusätzliche Dimension. Der Kunde soll einen Mehrwehrt erhalten, der über die klassischen Automerkmale hinausgeht.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Ich hatte als Kind den Traum eines Superfahrzeugs. Das hatte die Farbe Silber, konnte fliegen, fahren, einfach alles. Ich konnte da reinspringen und das Auto wusste schon längst, wohin ich wollte. Unterwegs wurde ich mit Zeichentrickfilmen unterhalten. Dieses Fahrzeug war so etwas wie ein digitaler Freund. Damals ein Traum. Ganz weit weg. Aber heute kann dieser digitale Freund Realität werden. Die Zeit im Auto wird in Zukunft produktiver, sozialer und unterhaltsamer sein, als wir es uns heute vorstellen können. Wir erleben eine Welt, die vor wenigen Jahren noch Science Fiction war. Das ist der Big Bang, den die ganze Industrie derzeit erlebt.
Auch VW und Audi forschen an Digitalthemen. Macht man sich da nicht oft doppelte Arbeit?
Dass wir an unterschiedlichen Stellen Aktivitäten entfalten, sehe ich positiv. Eine VW Konzern-übergreifende Geschäftseinheit könnte das nicht alleine machen, weil wir verschiedene Marken mit ganz unterschiedlichen Profilen haben. Der Erfolg ist ja gerade auf die Eigenständigkeit der Marken zurückzuführen. Dennoch geht es darum, im Konzern die vorhandenen Synergien auf diesem Gebiet zu nutzen – etwa bei der technologischen Basis. Hier stimmen wir uns auch regelmäßig ab. Unsere Kunden haben unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen. Ein Staupilot im VW Sharan wird daher sicher anders ausgeprägt sein als im Porsche Cayenne. Ein möglicherweise gemeinsames Fundament erhält entsprechend eine markenspezifische Ausprägung.
Wollen Sie alles selbst entwickeln oder auch Partner wie Google oder Apple ins Auto lassen?
Wir wollen ein eigenes Porsche-Ökosystem schaffen. Dabei soll die Lebenswelt des Kunden komplett abgebildet sein. Das heißt: Wir wollen nicht nur Teilnehmer bei anderen sein, die in unser Cockpit drängen. Wir wollen selber der Gestalter von digitalen Mobilitätslösungen im automobilen Premiumsegment sein. Das heißt aber auch, dass wir nicht alles selbst machen, sondern natürlich mit Partnern zusammenarbeiten. Es kommt darauf an, dass wir uns in der Nutzererfahrung von anderen unterscheiden. Google und Apple machen im Prinzip ja auch das Gleiche und haben doch unterschiedliche Kunden.
Wie weit soll dieses Porsche-Ökosystem reichen?
Porsche wird schon heute in vielen Bereichen über das Auto hinaus wahrgenommen. Denken Sie an Design, Lebensstil oder Mode. Das Smart Home spielt da sicher auch eine Rolle. Viele Kunden würden gerne vom Auto aus Rollläden, Heizung oder die Alarmanlage zu Hause steuern. Das sind Kleinigkeiten, aber es gehört dazu. Wie weit wir da gehen, ist noch offen, zumal es noch extrem unterschiedliche Smart Home-Standards gibt.
Brauche ich denn tatsächlich noch eine zusätzliche digitale Welt zu der, die ich ohnehin schon auf dem Smartphone habe?
Diese Sichtweise ist Digitalisierung 1.0. Ich suche etwas, öffne eine App und lese dann den Inhalt. Das Auto als das zentrale mobile Gerät kann deutlich mehr als das Telefon, denn es hat viel mehr Platz etwa für Bildschirme und bringt mich zusätzlich von A nach B. Ich kann hier Informationen kontextual viel besser darstellen und zudem ganz neue Erlebnisse anbieten. Vielleicht wird es mal so sein, dass das Wetter draußen grau und schlecht ist, an die Scheiben des Autos aber projiziere ich einen perfekten Sonnentag wie in Kalifornien. Die Chancen sind da, aber die Autoindustrie muss sie auch nutzen.
Schon jetzt bieten Hersteller den Dienst einer Paketzustellung im Auto an. Warum nicht Porsche?
Weil wir mehr wollen. Porsche steht nicht dafür, jedem Trend sofort nachzulaufen und jede noch so kleine Innovation sofort umzusetzen. Die Technik gibt es natürlich. Aber warum sollen wir nicht ermöglichen, dass mit dem gleichen Prinzip ein warmes Essen ins Auto geliefert wird? Warum nicht noch mehr Dienstleistungen? Noch intelligenter? Hier sprechen wir gerade mit möglichen Logistik- und Service-Partnern.
Sie sind beim Start-up Evopark eingestiegen. Bekommen bald alle Porsche-Fahrer eine Parkhaus-Karte dazu?
Keine Karte. Sie fahren in ein Parkhaus, die Schranke öffnet sich automatisch und am Ende des Monats kommt eine Abrechnung. So einfach und komfortabel muss das funktionieren. Jeder digitale Dienst muss eine echte Porsche-Erfahrung sein, nach der Sie streben wie heute nach unseren Autos. Das kann man weiterdenken. Auch das Tanken könnte wesentlich einfacher ablaufen.
Wird es von Porsche auch Carsharing-Dienste geben?
Mit "Porsche Drive" können interessierte Fahrer bereits heute unsere Fahrzeuge für eine Ausfahrt buchen. Solche Modelle testen wir, aber es muss Sinn machen für unsere Kunden und die Marke. Denkbar ist beispielsweise, dass Kunden bei Geschäftsreisen auch an anderen Orten ein Porsche zur Verfügung steht – von uns oder möglicherweise auch von anderen Porsche-Fahrern. Wir schauen uns alles an. Entscheidend ist, dass die Lösung Porsche-typisch ist.
Viele Autofahrer stehen dem Sammeln und der Weitergabe von Daten aus dem Fahrzeug misstrauisch gegenüber.
Wir sind im Auftrag des Kunden die Datenwächter im Auto und wir haben die Hoheit über sämtliche digitale Prozesse – das ist unser Anspruch. Unsere Kunden entscheiden, welche Informationen sie frei geben. Sie vertrauen uns heute schon ihr Leben an, weil sie von der Sicherheit der Autos überzeugt sind. Dieses Vertrauen können sie auch bei den digitalen Diensten zu uns haben – ganz im Sinne des Autos als bestem Freund, der auch ein Stück weit auf mich aufpasst.
Wie groß wird das Digital-Team bei Porsche werden – und bekommen Sie überhaupt die entsprechenden Leute in der Region Stuttgart?
Wir finden hier gute Leute und suchen auch national, aber die müssen genau passen und die Sportwagen-Gene mitbringen, die Porsche auszeichnen. Diese Kombination aus emotionaler Marke und Digitalisierung war auch für mich der Grund, aus den USA hierher zu kommen. Wir haben schon 20 Leute hier am Standort Ludwigsburg und stocken bald auf 50 auf. Im nächsten Jahr sollen es dann rund 100 sein. Ein Teil kommt von außen, ein Teil aber auch aus der Porsche AG. Viele Kollegen wollen dieses neue Kapitel aktiv mitgestalten.
Neben Ludwigsburg haben Sie auch einen Ableger in Berlin. Sind weitere geplant?
Derzeit bauen wir gerade eine eigene Geschäftseinheit im Silicon Valley auf. Wir wollen die Technologie- und Marktimpulse von dort mitnehmen. Außerdem setzen die Kunden in den USA andere Schwerpunkte. Weitere Standorte schauen wir uns an. Das könnte zum Beispiel Asien sein, was für uns ja auch ein Kernmarkt ist. Außerdem sind da die Partner der digitalen Welt ganz andere als hier oder in den Staaten. Mit denen reden wir natürlich schon jetzt, wollen das aber noch intensivieren.
Sie haben lange im Silicon Valley gelebt. Vermissen Sie hier eine ähnliche Mentalität wie bei den Unternehmen dort?
Nein, ich spüre auch hier ein Kribbeln durch die Digitalisierung, eine neue Gründerstimmung. Natürlich ist das Silicon Valley eine Hochburg mit ganz viel Intellekt und Expertise. Gleichzeitig waren die Deutschen auch immer sehr umtriebig. Wir haben immerhin das Auto erfunden. Wenn wir dieses Innovationspotenzial wieder herauskitzeln, können wir ganz vorne mitspielen. Viele Unternehmen im Silicon Valley merken gerade, dass sie beim Ingenieur-Know-how und den Kenntnissen über die Automobil-Branche an ihre Grenzen stoßen.
Porsche gilt als profitabelster Autobauer der Welt. Haben Sie diesen Anspruch auch bei den digitalen Diensten?
Na klar. Wir sind ja noch in der Anlaufphase, aber wir haben den Anspruch, mit den digitalen Diensten auch finanziell zu neuen Ufern aufzubrechen. Wenn die Investitionen in die Technologien einmal erledigt sind, sehe ich hier ein großes Profitpotenzial, das über die Hardware des Autos hinausgeht. Nehmen Sie als Beispiel unsere Idee eines virtuellen Walter-Röhrl- oder Mark-Webber-Piloten, der für Hobbyrennfahrer auf dem Nürburgring zum Trainieren die Ideallinie anzeigt und personalisiertes Coaching bietet. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele bereit sind, dafür zu zahlen. Also ganz neue Business-Modelle – mit attraktiver Marge. Andererseits wird es aber viele Themen geben, die ganz einfach Standard im Auto werden und keine zusätzlichen Erlöse bringen. Das muss uns klar sein, aber auch daran führt kein Weg vorbei.
Wird es mal einen Porsche ohne Lenkrad geben?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir glauben, dass unsere Kunden das Fahrerlebnis schätzen. Das Gänsehautgefühl wollen wir als zentrales Element beibehalten. Das schließt aber nicht aus, dass auch Porsche automatisiertes Fahren als Unterstützung anbietet. Wenn ich wie in Stuttgart oft im Stau stehe, macht das auch in einem Porsche wenig Spaß. Da würde ich schon gern den Knopf für einen Autopiloten drücken. Aber ich will jederzeit die Möglichkeit haben, das Lenkrad wieder selbst in die Hand nehmen. Ich denke da immer an ein berühmtes Zitat von Ferry Porsche: „Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“