Herr Müller, wie viele Nerven hat Sie der Einstieg der Hastor-Investmentgesellschaften Cascade und Halog bei Grammer gekostet?
Nerven ist nicht der richtige Ausdruck. Die Frage ist, wie viel Zeit kostet mich das? Und da muss ich sagen, das ist sehr zeitintensiv. Im Spätsommer 2016 haben wir Signale von unseren Kunden erhalten, dass sich deren Risikoabteilungen mit der Causa Grammer beschäftigten. Aufgrund unserer Aktionärsstruktur wurden wir als ein „Risikolieferant“ eingestuft. Ab da waren wir auf dem Radar unserer Kunden und seitdem beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema.
Da gab es also Gesprächsbedarf?
Cascade und Halog sind unsere Investoren. Und wir haben versucht, zu den Gesellschaften, aber auch zu der dahinter stehenden Familie Hastor Kontakt aufzunehmen. Natürlich auch über die anwaltlichen Vertreter. Aber da gab es keine Gesprächsbereitschaft.
Haben sie Kontakt zum Hastor-Zulieferer Prevent gesucht?
Nein. Denn Prevent ist kein Investor bei Grammer. Prevent steht für die Automobilaktivitäten der Familie Hastor. Vielleicht besitzt Prevent auch einige Aktien an uns, die sie aber – jedenfalls bislang – nicht melden müssen. Das wissen wir also nicht. Aber warum sollten wir im primären Ansatz Gespräche mit Prevent-Managern führen? Wir wollen wissen, was der Investor will. Die Prevent-Gruppe ist auch nie aktiv an uns herangetreten, sondern hat in Interviews Kommentare zu Grammer abgegeben.
Rechnen Sie mit einem großen Ansturm der Anteilseigner auf ihrer Hauptversammlung am 24. Mai?
Wir bitten natürlich unsere Aktionäre zur Hauptversammlung zu kommen. Es geht dabei nicht darum, eine Beeinflussung vorzunehmen, sondern wir fordern die Aktionären auf, ihr Rechte aktiv wahrzunehmen und sich ein Bild davon zu verschaffen, wer bei Grammer investiert ist und was diejenigen wollen. Auch wenn die Anteile von Cascade und Halog mittlerweile beachtlich sind. Seien es 20 oder 25 Prozent, sie bleiben doch ein Minderheitsaktionär.
Von Investorenseite wird Ihnen vorgeworfen, eine unzureichende Performance zu haben...
Bei der Ebit-Marge liegt der Durchschnitt im Interieur-Bereich bei 4,7 Prozent. Wir haben zuletzt 4,3 Prozent geschafft. Wir kommen jetzt in die Region von fünf Prozent und haben das Ziel, 2021 eine Marge von sieben Prozent zu erreichen. Das ist im Interieurgeschäft ein Spitzenwert.
Im ersten Quartal waren die Anzahl der neuen Orderaufträge rückläufig. Wie gravierend war das?
Wir hatten im ersten Quartal ein Order-In-Take das nicht einmal halb so hoch wie das des vergleichbaren Vorjahreszeitraums war. Damit ist der Order-in-Take im Automotive-Bereich erstmals seit der Wirtschafts- und Finanzkrise rückläufig.
Aber das kam für Sie ja nicht ganz überraschend?
Nein, weil die Fahrzeughersteller ihre Zurückhaltung in Medien wie dem Ihrigen schon angekündigt hatten. Vor allem je näher der Termin der Hauptversammlung rückt und eine starke Einflussnahme, eventuell sogar eine Kontrollübernahme durch den Minderheitsinvestor möglich ist, sind die Fahrzeughersteller zunehmend verhalten in der Auftragsvergabe gegenüber Grammer. Wenn Sie sehen, woher die verminderten Aufträge kommen, dann lässt sich das an den Herstellern festmanchen, die sich öffentlich geäußert haben.
Wollen Sie mit dem Einstieg des chinesischen Unternehmen Ningbo Jifeng als Investor den Einfluss der Hastor-Seite schmälern?
Ningbo Jifeng ist kein weißer Ritter für uns. Wir haben schon länger nach einem strategischen Partner in China gesucht, um uns das Auftragspotenzial dort besser erschließen zu können. Zunächst hatten wir einen Partner für unser Non-Automotive-Geschäft finden können und dann haben wir nach einem Partner fürs Automotive-Geschäft gesucht. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Diskussion um Hastor noch gar nicht.
Aber es spielt ihnen doch in die Hand, dass Ningbo jetzt auf der HV stimmberechtigt ist. Das ist doch kein Zufall?
Nein. Es wäre unseriös, wenn ich hier von Zufall sprechen würde. Ich wollte nur deutlich machen, dass die Auswahl eines Unternehmens einer strategischen Logik folgt und das diese an einen langfristigen stringenten Auswahlprozess gekoppelt ist. Und alles in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat erfolgt. Er war klar, dass wir für eine Partnerschaft eine langfristige Lösung anstreben und nicht von heute auf morgen in eine Partnerschaft rumpeln, um sie dann wieder aufzugeben.
Und die Beteiligung von Ningbo?
Das ist ein ganz normaler Prozess. Über das von Ningbo Jifeng gewählte Finanzinstrument stand es dem Gläubiger frei, wann er die Anleihe in Aktien wandelt. Das haben wir überhaupt nicht beeinflussen können. Wenn das Finanzinstrument ausgegeben ist, muss der Investor nach spätestens einem Jahr nach der Ausgabe in Aktien wandeln.
Also doch ein glücklicher Zufall?
Nein, natürlich nicht. Wenn sich ein Unternehmen wie Ningbo so stark finanziell engagiert, dann macht sich der Investor natürlich auch Gedanken darüber, was mit seinen Anteilen passiert, wenn sie erst in einem Jahr gewandelt würden, aber jetzt ein kompletter Kontrollwechsel stattfinden würde. Mit der möglichen Konsequenz, dass dann möglicherweise nicht mehr das Management an Bord ist, mit dem die Strategie vereinbart wurde. Ich glaube, dass Ningbo Jifeng sich zu einem frühen Wandel entschieden hat, weil es das Signal einer starken Einflussnahme von Seiten Hastors gab. Das war aber nicht von vornherein so vorgesehen.
Gab es ihrerseits Interesse, dass sich die Fahrzeughersteller an Grammer beteiligen?
In der Vorstellung ist das durchaus charmant, aber in der Realisierung sicherlich von hoher Komplexität. Und wahrscheinlich ist das auch in der Außenwirkung nicht ganz unproblematisch. Das hätte für uns eine Einschränkung unseres Geschäftsmodells und für die Fahrzeughersteller eine Öffnung ihres Geschäftsmodells bedeutet. Ich glaube, das ist in einem Hersteller- und Zulieferernetzwerk nicht sinnvoll.
Wie ist ihr Rücktrittsangebot zu verstehen?
Das ist zu vereinfacht dargestellt worden. Die Kernaussage, die ich gemacht habe ist die: Wenn wir hier eine Diskussion um Personen hätten, und wir als Vorstände dem Unternehmen im Weg stünden, dann wäre das eine einfache Regelung. Im Klartext: Ich würde nie aus eigenem Interesse, die Zukunft für 15.000 Mitarbeiter in Gefahr bringen. Das ist meine Aussage und dazu stehe ich auch. Es hat aber nie eine Diskussion über eine Strategie gegeben.
Und wenn ein solches Strategiepapier doch noch vorgelegt werden sollte?
Selbst wenn, dann bin doch nicht ich das Problem. Es ist doch egal welche Strategie Cascade, Halog oder Hastor präsentieren könnten. Das Problem ist doch, dass sie das Störsignal zum Kunden hin wegbekommen müssen. Die Kunden geben uns keine Aufträge, egal wie brillant eine solche Strategie sein sollte. Und dafür kann ich nichts. Das heißt also, was macht das für einen Sinn zurückzutreten, wenn mein Rücktritt das Problem nicht löst.
Und wie könnte eine Lösung aussehen?
Wir brauchen eine Lösung wie das Verhältnis zwischen dem Investor und den Fahrzeugherstellern geheilt werden kann. Aus den Anrufen meiner Kunden kann ich nicht erkennen, dass sie daran denken, ihre Auftragsvergabe zu überdenken, solange es diesen Investor bei uns gibt. Wir wollten mit dieser Aussage zu einem möglichen Rücktritt provozieren. Aber ich denke natürlich nicht daran, zurückzutreten. Um das ganz klar zu sagen. Ein Rücktritt löst das Problem nicht!
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Die wollen, dass das Management hier bleibt.
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