„Wir wandeln uns vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter.“ Klarer hätte Dieter Zetsche auf der IAA 2015 die Zukunftsstrategie von Mercedes nicht formulieren können.
Mit dem Bauen von Autos haben Daimler, VW und BMW bislang ihr Geld verdient. Das Geschäft rund um Daten, Mobilitätsdienste und Kundenwünsche ist es aber, was den Profit der Hersteller in Zukunft treibt – und zwar über ein digitales Ökosystem.
Verstanden haben den Trend nicht nur die Premiumhersteller, die mit Mercedes me, myAudi oder BMW Connected seit einigen Jahren am Markt sind. Auch Autobauer für die Masse setzen auf digitale Kundenprodukte, wie Opel OnStar oder seit Kurzem auch Volkswagen We. „Für die Konzerne ist es die Möglichkeit, neue Einnahmequellen zu generieren und mit ihren Kunden über diese Digitalangebote in intensivere Interaktion treten zu können“, sagt Christian Barth, Leiter Automotive für die EMEA-Region bei SapientRazorfish.Welches Potenzial in vernetzten Autos steckt, hat die Beratung KPMG ausgerechnet: Ein vernetztes Auto wird künftig mehr Umsatz generieren als zehn nicht vernetzte Autos, ist ihre Prognose. So will BMW bis 2025 seinen Kundenstamm mithilfe von Services auf 100 Millionen mehr als verdreifachen. Und VW plant mit Volkswagen We, 2025 rund 80 Millionen Nutzer auf der eigenen Markenplattform zu haben.
Welche Dienste die Hersteller über diese Ökosysteme anbieten, ist unterschiedlich. Oberster Grundsatz aber ist: Die Services müssen zur Marke passen. So bündelt Daimler jetzt schon sein Carsharing-Angebot Car2go mit Mytaxi und auch dem öffentlichen Nahverkehr in der Mobilitäts-App Moovel. Wer von A nach B fahren will, bekommt unterschiedliche Vehikel angeboten – je nach Bedarf. Daimler will seinen Kunden den besten Service bieten, und der steckt im Detail: Wer beispielsweise MyTaxi nutzt, fährt immer mit den neuesten Mercedes-Modellen, zahlt aber den üblichen Taxipreis.Die Volkswagen-We-Services sind andere: Der Kunde kann bargeldlos in ersten deutschen Großstädten Parktickets lösen oder sich künftig Online-Bestellungen in den Kofferraum liefern lassen. VW testet den Dienst gerade mit DHL in Berlin.
„Wichtig ist, dass der digitale Service innovativ und ansprechend ist. Das ist ausschlaggebend für eine künftige Bindung zur Marke“, sagt Barth. Haben sich Kunden fest an die digitalen Services gebunden, wird es ihnen immer schwerer gemacht, das Ökosystem zu verlassen: Es ist komfortabel. Barth vergleicht dieses Phänomen mit Apple: „Auch wenn das neue iPhone X technisch nicht so ausgefeilt ist, wie es vielleicht möglich gewesen wäre, ergänzt Apple es mit einer perfekten Experience, einem starken Ökosystem und integrierten Services. Und die Kunden kaufen es.“Glaubt man Barth, wird das physische Auto langfristig nur der Zugang zum Ökosystem für digitale Dienste sein. Das Auto wird nach wie vor den Ansprüchen an Qualität, Wertigkeit, Innovation und Design gerecht werden müssen – inklusive der veränderten Mobilitätsbedürfnisse. Haben sich Hersteller noch keine Gedanken um ein eigenes Ökosystem gemacht, ist es bald zu spät: „Die Zeit ist jetzt“, sagt Barth, „denn der Markt wird sich konsolidieren und Marken werden es dann noch schwerer haben, zu überleben.“
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