Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Sie deckt schonungslos die Schwachstellen der Autohäuser auf, bringt aber auch Stärken zum Vorschein. Zuletzt vermeldeten Big Player wie VW-Händler Tiemeyer, die Wellergruppe und BMW-Händler May & Olde gute Zahlen für das abgelaufene Krisenjahr. Bei anderen Autohausgruppen wie der Augsburger AVAG Holding landeten die Kennzahlen im Minus – wenn auch oft nur leicht.
Ein genauer Blick auf das Ranking der Top-100-Händler, das wie in den Vorjahren das Institut für Automobilwirtschaft (IfA) zusammenstellt, lohnt sich. "Die Spannweite bei Absatz-, Umsatz- und Ertragsentwicklung ist relativ groß", sagt IfA-Direktor Stefan Reindl. Einige konnte zulegen, andere mussten starke Einbußen hinnehmen.
An der Spitze ist das Umsatzranking relativ stabil: Die Emil-Frey-Gruppe, die nicht vom IfA-Institut erfasst wird, steht ganz oben, gefolgt von der AVAG Holding, Gottfried Schultz, der Senger-Gruppe und der Feser-Graf-Gruppe.
Aus dem Club der Umsatzmilliardäre rutschten zwei Autohausgruppen heraus: die Scherer Gruppe (993 Millionen Euro) und die Fahrzeug-Werke Lueg (983 Millionen Euro) blieben knapp unter der wichtigen Grenze. Dagegen legte die ahg Gruppe um mehr als 16 Prozent auf 1,14 Milliarden Euro zu. Eine wesentliche Rolle dürften dabei Zukäufe wie die Anfang 2020 übernommenen vier Autohäuser der Entenmann-Gruppe spielen. Doch wichtiger als die Erlöse sind die Erträge. "Die durchschnittliche Umsatzrendite der Top-100-Betriebe liegt erfreulicherweise mit einem Wert von 1,5 Prozent EBT wieder auf dem Niveau von 2018", sagt Reindl. Damit kletterte sie im Vergleich zum Jahr 2019 wieder um 0,2 Punkte. Damit liegen die Top- 100-Händler deutlich über dem Branchenschnitt, den der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) im Frühjahr mit 1,2 Prozent angab.
Für die positive Renditeentwicklung der Händler dürfte es mehrere Gründe geben, interne wie externe. "Selbstverständlich haben die staatlichen Stützungsaktivitäten, insbesondere die Kurzarbeit-Option, bei vielen Unternehmen ertragsseitig maßgeblich zur Stabilisierung der Kennzahlen beigetragen", sagt Reindl. Einige Unternehmen haben außerdem die Pandemie genutzt, um ihre Strukturen zu optimieren. Dazu gehört auch Personalabbau, wovon wiederum die betriebswirtschaftliche Performance profitierte. Die positive Renditeentwicklung zieht sich durch alle Abteilungen. "Es betrifft die Handelsbereiche genauso wie die Werkstatt- und Teilebereiche der Händlergruppen."
Am meisten machte der Branche 2020 der Neuwagenabsatz zu schaffen. Nach rund 3,6 Millionen 2019 stürzte der Markt um knapp 20 Prozent auf gut 2,9 Millionen Pkw ab. Deutlich besser entwickelten sich die großen Handelsgruppen. "Die Top-100- Autohausunternehmen mussten im Pkw-Bereich lediglich ein Absatzminus von durchschnittlich 2,6 Prozent gegenüber 2019 hinnehmen", sagt Reindl. Mit einem Rückgang um 6,7 Prozent traf es die Top-20-Unternehmen etwas stärker.
Eine entscheidende Rolle spielt die Kundenstruktur: "Verlierer sind auf Basis der gewonnenen Daten wohl die kleineren Autohausunternehmen und -betriebe – und dies markenübergreifend", sagt Reindl. Ihnen fehle häufig die Stabilität des Großabnehmergeschäfts, das meist durch langfristige Abnahmeverpflichtungen gekennzeichnet ist.
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