Ich hatte immer geglaubt, die skurrilsten Vorträge höre man im Hyde Park in London. Falsch gedacht. Wir können es besser. Wir schaffen das. Was an Tendenziösem auf breitester medialer Front seit Wochen auf uns einprasselt, schlägt jeder Podiumskiste am Speakers' Corner den Boden aus. Viele Fakten spielen keine Rolle mehr, es sei denn, es handelt sich um Messwerte oder statistische Tote.
Jürgen Trittin lässt uns wissen, dass Autofirmen Geld wie Heu hätten. Die Bundesumweltministerin weiß schon vor den beschlossenen Software-Updates, dass diese nicht ausreichen werden. Martin Schulz hat auf der Suche nach einem griffigen Wahlkampfthema endlich ein zündendes gefunden: das Auto und die verantwortungslosen Manager, die die Zukunft verpennt haben. Folglich fordert er die E-Auto-Quote, in der Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer gleich den rettenden Marshallplan für die deutsche Autoindustrie erkennt. Die Kanzlerin selbst hält nichts von der Quote, sieht aber tags darauf gleich das Ende des Verbrennungsmotors voraus. Den Zeitpunkt kann sie natürlich nicht benennen. Denn sie muss ja erst den Traum träumen, dass alle Autos elektrisch fahren. So wie einst bei der Kernkraft und jüngst bei der Grenzöffnung. Und weil das alles noch nicht reicht, sind die Autohersteller auch schuld am unethischen 222-Millionen-Wechsel des brasilianischen Kickers Neymar vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain. Nachzulesen auf Spiegel Online.
Haben Sie auch genug von diesem Kasperletheater? Ich jedenfalls starte jetzt den Iveco-Diesel im Wohnmobil und freue mich auf die blühenden Landschaften in Joachim Gaucks "Dunkeldeutschland". Bei dieser Reise ist mein CO2-Fußabdruck mit Kind und Kegel nur halb so groß wie der eines Singles, der die vergleichbare Strecke zum Ballermann nach Mallorca fliegt. Vielleicht treffe ich ja in Sachsen oder Vorpommern ein paar nette Leute, die sich erinnern, wie es war, als die Technologie im Auto von der Staatsführung in Berlin bestimmt wurde. Siewissen schon, die Doktrin der Zweitaktmotoren in Trabant und Wartburg.
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