Frau Pfeiffer, Warum hat die IT in den vergangenen Jahren so viel Macht bekommen?
In den letzten 20 Jahren wurden Branchenweit in Unternehmen IT-Systeme integriert, die so tief in die Struktur eingegriffen haben, dass wir heute ohne sie nicht mehr handlungsfähig sind. Wenn auch nur ein Mouseklick nicht funktioniert, ist man am Arbeitsplatz oftmals aufgeschmissen. Das geht von der Buchhaltung bis hin zur Produktion und Logistik. Das ist schleichend passiert und wurde an vielen Stellen zunächst nicht realisiert.
Haben sich in dieser Entwicklung IT und Unternehmen gut aufeinander eingestellt?
Das lief und läuft immer noch schleppend, denn das IT-System wurde oftmals nicht an die Organisation angepasst, sondern umgekehrt: Die Organisation musste sich an die IT anpassen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Während in vielen Bereichen das Problem der Ausgangspunkt ist, dreht sich das im Bereich der IT und der Transformation der Unternehmen um: Da heißt es ‚Wir haben hier ein Tool, und das müssen wir jetzt einsetzen. Das macht die Konkurrenz nämlich jetzt auch, darum dürfen wir nicht zurückstecken.' In solchen Situationen wird es für Mitarbeiter und auch für die Programmierer, die das umsetzen müssen schwierig.
Kann denn die IT damit umgehen?
Der IT wird seit einigen Jahren viel Gehör geschenkt. Das ist gut, hat aber auch Nachteile. Vielfach hören Manager völlig unkritisch hin, was aus IT-Abteilungen vorgeschlagen wird und man vergisst, dass dies nur eine und nicht unbedingt die einzig richtige Antwort ist.
Außerdem bekommt gerade der IT-Bereich einen strategisch immer wichtigeren Platz im Unternehmen. Viele wissen nicht so richtig, wie ihnen hier geschieht und besitzen nicht die Kompetenzen, die man hier braucht. Sie sind gute Programmierer aber keine Changemanager.
Was brauchen Changemanager?
Sie müssen die digitale Transformation verstanden haben und dürfen nicht angstgetrieben sein. Doch das sind viele von ihnen. Gerade in der Automobilbranche stellen sich viele die Frage, ob sie in fünf bis zehn Jahren im Zeitalter von neuen Playern wie Google, Uber und Apple überhaupt noch mitspielen. Vor allem Führungskräfte haben Angst, dass sie etwas verpassen und der Zug an ihnen vorbei fährt. Und da wird oftmals nicht ganz rational das, was modisch und progressiv erscheint, mitgenommen.
Erleben Sie das eher bei Mittelständlern oder in großen Unternehmen?
In großen Unternehmen ist das stärker der Fall. Das hat vor allem damit zu tun, dass es sich mit den eigenen Karriereoptionen mischt. Mittelständler hingegen sind nicht unbedingt hintendran, sondern sinnvoll bedacht. Vielleicht auch, weil sie nicht so viel Spielgeld haben.
Ein widerkehrender Vorwurf ist, dass gerade die Autoindustrie und die IT zu gegensätzlich sind. Langsame Blechbieger vs. schnelle Programmierer.
Dieser Vorwurf trifft vor allem die Mittelständler. Er ist aber nicht berechtigt, denn der Mittelstand ist gezwungen, bedächtiger zu handeln. Er muss sich immer wieder fragen: rechnet sich das und welche Risiken gehe ich ein, wenn ich diesen Weg gehe. Gerade im Automobilbereich haben wir die Konstellation, das in den letzten Jahren den Zulieferern von den Herstellern Entwicklungsschritte und auch IT-Tools vorgegeben wurden.
Das hat auch dazu geführt, dass man sich heutzutage schwerer tut, von sich aus IT zu implementieren. Dabei können sich die Mittelständler und Zulieferer nicht mehr darauf verlassen, was der Hersteller vorgibt. Denn möglicherweise haben sie morgen nicht mehr nur mit dem bisherigen Auftraggeber zu tun, sondern mit neuen, bislang branchenfernen Playern.
Immer mehr Unternehmen installieren einen CDO, einen Chief Digital Officer. Ist das eine gute Entwicklung?
Der CDO ist ein Synonym dafür, dass man die Digitalisierung auf eine andere Ebene heben muss. In Unternehmen muss es künftig darum gehen, die IT in die Organisation des Unternehmen zu implementieren und an ihr das Wesen des Unternehmen aufzubauen. Die einen können mit dieser Funktion git umgehen, die anderen aber schaffen die Stelle, weil es grade ein Hype ist. Ich erlebe es, dass der CDO in solchen Fällen vielfach gar nicht die Handlungsmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten bekommtn, die er für seinen Auftrag braucht: Die digitale Transformation des Unternehmen. Hier ist noch vieles unausgegoren.
Ist die Autoindustrie im Vergleich der unterschiedlichen Industrien zu langsam?
Der Vorwurf der Langsamkeit ist immer schnell gemacht, aber – im Vergleich zu wem ist sie langsam? Wenn man so einen großen Tanker wie den VW-Konzern mit 600.000 Mitarbeitern führt, muss man andere Entscheidungen fällen als die, die ein Start-Up-Chef trifft. Und außerdem:
Die 300.000 Tesla, die derzeit vorbestellt sind, müssen auch erst noch produziert und für den Weltmarkt straßentauglich gemacht werden.
Glauben Sie, die IT wird immer mehr zu einem Wertschöpfungsfaktor?
Das kann man nicht verneinen. Aber, ob wir alle mit immer noch mehr Daten immer neue Wertschöpfung in dem Ausmaß betreiben können, dass die Investition sich auch rechnen, das ist so noch nicht ausgemacht. Viele testen derzeit aus, welche Geschäftsmodelle man mit welchen Daten entwickeln kann. Am Ende steht immer eine App. Die ist aber am Ende nur dann ein gutes Geschäftsmodell, wenn die Nutzer dafür auch zahlen. Derzeit ist es aber oftmals so, viele Konsumenten dies als völlige Selbstverständlichkeit betrachten. Geschäftsmodelle mit Daten zu schaffen, für die die Menschen wirklich Geld zahlen, ist wahnsinnig schwer. Man muss einen echten Nutzen bieten, wenn man Geld verlangen will.
In den vergangenen Jahren wurde die IT der Unternehmen immer mehr an Dienstleister abgegeben. Scheinbar ist diese Entwicklung rückläufig.
Diese Beobachtung mache ich in der IT aber noch krasser in der Logistik. Es gibt viele Unternehmen die Logistik-Prozesse, die früher Teil des Unternehmens waren, rausgegeben haben. Jetzt, unter dem Stichwort Industrie 4.0 merkt man, dass sie im Unternehmen besser aufgehoben ist. Denn: Wenn sich immer mehr Warenketten vernetzen, wird die Logistik zu einem strategisch ganz wichtigen strategischen Gestaltungselement, dass ich so nicht nutzen kann, wenn ich sie aus der Hand gegeben habe.
Bei der IT ist das ähnlich. Für viele Unternehmen war die IT ein notwendiges Übel, dass Geld gekostet hat. Um das einzusparen haben sie die IT an Dienstleister abgegeben. Viele Unternehmen merken jetzt, dass sie sich die Möglichkeit nehmen, diesen Punkt zum strategischen Asset zu machen. Darum ist es gut, Dinge wieder reinzuholen, wenn man davon ausgeht, dass sie mehr Gewicht bekommen. Gerade die IT.