Die Entwicklungs-geschwindigkeit in der Autobranche nimmt zu. Autohersteller und klassische Zulieferer müssen sich gegen neue, oftmals schnellere Konkurrenten durchsetzen. Um selbst Tempo aufzunehmen, wollen sie von agilen Start-ups lernen und die Erfahrungen auf ihre Organisationen übertragen.
„Start-ups bringen neue Perspektiven und Lösungsansätze zu Fragen der Mobilität mit und können durch ihre agile Organisation schnell verschiedene Iterationsstufen durchlaufen“, sagt Philipp Gneiting, Projektmanager Startup Autobahn bei Daimler. Ein Netzwerk aus Investoren und Mentoren helfe dabei, Projekte schnell voranzutreiben.Frischer Wind für die Entwicklung
Bei BMW soll der neue Autonomous Driving Campus dazu beitragen, eine Start-up-Kultur ins Unternehmen zu bringen. „Alle Ressourcen, die an den Themen Fahrerassistenz und hoch- beziehungsweise vollautomatisiertes Fahren arbeiten, wurden an diesem neuen Standort in Unterschleißheim zusammengezogen“, sagt Elmar Frickenstein, Bereichsleiter Fahrerassistenz und autonomes Fahren bei BMW. Der Autobauer adaptiert dafür Arbeitsmethoden wie Large Scale Scrum, die helfen sollen, Probleme in einer Organisation schneller zu erkennen.
Dem Start-up-Gedanken hat sich auch Continental verschrieben. Der Zulieferer gründete 2017 ein eigenes Start-up-Programm („co-pace“), um das Innovationspotenzial innerhalb des Konzerns zu nutzen und den Unternehmergeist der Mitarbeiter zu fördern. „Dabei betreibt unsere Start-up-Organisation die Zusammenarbeit mit externen Start-ups, die wir mit internen Partnern verzahnen und damit neue Ideen und Arbeitsweisen ins Unternehmen bringen. Daneben haben wir ein internes Inkubator-Programm, in dem unsere Mitarbeiter ihre Ideen und Konzepte umsetzen können“, sagt Personalvorständin Ariane Reinhart.
Um Tempo geht es auch Heidi Stock, Expertin für Unternehmenskultur bei Bosch. Die Beschäftigten arbeiten in agilen Teams, um schnell neue Lösungen für die Kunden entwickeln zu können. Dazu schult Bosch seine Mitarbeiter in entsprechenden Arbeitsmethoden wie Design Thinking. Als Beispiel für eine gelebte Start-up-Kultur sieht Stock die Discovery-Teams, bei denen sich Mitarbeiter als aller Welt bewerben können. „Sie werden dann für drei Monate von ihrer regulären Arbeit freigestellt und arbeiten in kleinen, fachübergreifenden Teams an innovativen Produkten und Lösungen.“
Chancen zur Beschleunigung von Entwicklungsprozessen sieht Peter Guse, Leiter der Robert Bosch Start-up GmbH, in kreativen Bereichen bei der Entwicklung neuer Produkte und Services. „Vor allem in solchen, in denen sich Anforderungen schnell ändern oder nicht von Beginn an bekannt sind.“
Auch Daimler hält eine Beschleunigung der Entwicklungsprozesse durch eine Start-up-Kultur in vielen Bereichen für denkbar. Bei Startup Autobahn werde ein breites Themenspektrum verfolgt, das von Projekten rund um Virtual Reality bis hin zur Steuerung der Wertschöpfungskette von der Konstruktion bis zum Lieferanten reiche.Conti-Vorstand Reinhart ist davon überzeugt, dass in allen Bereichen, in denen Digitalisierung, Software und künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielen, Start-ups mit ihrer Agilität einen großen Beitrag leisten können. Mögliche Bereiche seien Vernetzung, automatisiertes Fahren und Mobilitätsdienste. Start-ups seien ideal, um Prototypen auszuarbeiten. Aber, so schränkt sie ein, „nicht in der Skalierung und Industrialisierung von Produkten“.Lesen Sie auch:
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