München. Ganz verdrängen wird Ethernet die auf CAN (Controlled Area Network) basierende Kommunikation zwischen Steuergeräten im Auto nicht. „Die Elektronikarchitektur der Zukunft wird dadurch geprägt sein, dass bestimmte Bereiche – etwa der Antrieb – ein übergeordnetes Steuergerät erhalten“, erläutert Informatiker und Berater Hans-Georg Frischkorn. Domänen könnten untereinander per Ethernet vernetzt werden, wohingegen einzelne Steuergeräte auf absehbare Zeit weiterhin per CAN kommunizieren. „Infotainmentsysteme werden jedoch schon bald ausschließlich über Ethernet kommunizieren“, so Frischkorn. Ein Grund dafür: Immer mehr Daten aus dem Internet werden direkt im Fahrzeug verarbeitet. Der Datenaustausch erfolgt dann ohnehin über das Internetprotokoll IP, eine Umformatierung im Fahrzeug entfällt. Datenübertragung innerhalb des Fahrzeugs wird allerdings auch künftig nicht mit dem gleichen IPStandard erfolgen, der sich im Büro etabliert hat. Hintergrund ist die im Auto dringend erforderlich Priorisierung der Datenübertragung: Für die Fahrsicherheit relevante Datenpakete müssen unbedingt Vorfahrt genießen. Zwei automobilspezifische Standards scheinen sich derzeit in der Branche durchzusetzen. Videodaten der immer häufiger eingesetzten Kameras können über Audio Video Bridging (AVB) entsprechend priorisiert werden. Auf Initiative von BMW entwickelte ein Konsortium SOME IP, eine Software oberhalb des Betriebssystems, die das Senden und Empfangen von Nachrichten steuern kann. Aus Sicherheitsgründen werden Internetdaten derzeit ausschließlich über Backend-Server der Automobilhersteller und VPN-Verbindungen (Virtual Private Network) geleitet. Trotzdem rechnen Experten wie Björn Müller vom Elektronikspezialisten dSpace damit, dass Hackerangriffe in Zukunft zunehmen: „Es gibt einfach mehr Menschen, die das Know-how dazu haben.“ Daher würden Testverfahren künftig deutlich komplexer. „Der CANBus kann relativ einfach getestet werden. Bei Ethernet sind deutlich mehr Software-Schichten im Spiel, die zusammen mit der Hardware und den realen Daten untersucht werden müssen.“ Da allerdings das IP-Protokoll auch bei anderen sicherheitskritischen Anwendungen, etwa im Zahlungsverkehr, verwendet wird, müssen nicht alle Tests neu entwickelt, sondern lediglich an die Anforderungen der Autohersteller angepasst werden. „Wir können halt nicht riskieren, bei 200 km/h auf der linken Spur den Rechner neu zu starten.“
Bordelektronik
Ethernet drängt ins Auto
Der Ausbruch der Revolution blieb beinah unbemerkt. 2013 band BMW die für die Assistenzsysteme benötigte Frontkamera per Ethernet ans Fahrzeug-Netzwerk an. Außerhalb von Expertenkreisen war das keine Nachricht wert. Doch mittlerweile gilt Ethernet bei Autoherstellern als Netzwerk- Technik der Zukunft. Laut Kirsten Matheus, Projektleiterin Ethernet bei BMW, ist die ursprünglich aus der Bürowelt stammende Technik bei der Bandbreite allen Alternativen deutlich überlegen: „Die reale Datenrate beträgt 100 Megabit pro Sekunde je Verbindung und Richtung.“ Zudem böte Ethernet den Vorteil der nahtlosen Integration des Fahrzeugs in die „IT- und Consumerwelt“.