Herr Duesmann, BMW hat Werke in Großbritannien und auf dem europäischen Festland. Die Werke arbeiten eng zusammen. Wie wirkt sich der Brexit darauf aus?
Wir müssen Warenströme und Werkeverbund zwischen Kontinent und Insel genau analysieren. Manche Komponenten überqueren bis zu vier Mal den Ärmelkanal, bis ein Fahrzeug fertig ist und zum Händler kommt. Wir arbeiten verschiedene Szenarien heraus. Denn mit jedem Grenzübertritt wird künftig eine Zollabfertigung und damit auch eine finanzielle Belastung fällig. Wir wollen natürlich, dass diese Belastungen so gering wie möglich bleiben.
Hat es auch Vorteile mit Blick auf den Brexit, dass Sie vor Ort sind?
Bei einem harten Brexit mit hohen Zöllen können wir auf die vier Werke vor Ort setzen, das ist das Positive. Im letzten Jahr haben wir in Großbritannien über 220.000 Autos produziert. Das waren fast so viele, wie wir dort verkauft haben – nämlich 243.000. Das sind zwar nicht die gleichen Modelle, aber das zeigt, dass wir Handlungsspielraum haben.
Aber wir sprechen zum Beispiel von einem reinen Mini-Werk…
Wir haben eine flexible Architektur, in diesem Fall für frontgetriebene Fahrzeuge. Das Werk für BMWs umzubauen, wäre aufwendig, könnte aber irgendwann sinnvoll sein. Nedcar in den Niederlanden baut für uns bereits Mini und BMW X1 im gleichen Werk. Das ließe sich theoretisch auch übertragen. Ob das sinnvoll ist, hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab – unter anderem von den Zöllen.
Ich gehe davon aus: Sie wollen einen weichen Brexit und am besten ein Freihandelsabkommen.
Natürlich. Wir bereiten uns aber auch auf den „Worst Case“ vor. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes, denn viele Arbeitnehmer bei uns und unseren Zulieferern vor Ort sind nichtbritisch. Der Umbau des Arbeitsmarkts war ja eine der zentralen Forderungen der Brexit-Befürworter. Wir haben viele BMWler im Land, die keine britische Staatsbürgerschaft haben. Die wären nur schwer ersetzbar.
Wie gehen Sie mit Ihren Partnern, den Lieferanten um?
Viele von ihnen exportieren bislang nicht aus der EU heraus. Da fehlt die notwendige Erfahrung. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass jeder einzelne Lieferant exportfähig ist. Dafür haben wir in München und Oxford mit insgesamt fast 300 Zulieferfirmen Informationsveranstaltungen durchgeführt. Die waren dafür sehr dankbar und können sich jetzt auf die neue Situation einstellen.
Und wie bereitet sich BMW vor?
Wir haben eine unternehmensweite Task-Force Brexit eingerichtet. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Vorbereitung unserer Lieferanten. Die Situation ist, dass es eine Grenze geben wird, die bisher nicht da war, und deren Funktion auch nicht klar ist. Wir erwarten dort ein Nadelöhr und wir müssen mit Verzögerungen in der Lieferkette rechnen. Die Abläufe werden deutlich komplizierter. Wir werden viel mehr Waren auf der Straße haben müssen, um Puffer zu haben, damit die Belieferung im Werk nie abreißt. Verzögerungen blühen uns in jedem Fall, selbst bei null Euro Zoll müssen wir an der Grenze die Abwicklung machen.
Unterm Strich: Was sind die Prioritäten?
Priorität eins: Liefersicherheit in die Werke. Priorität zwei: Sicherstellung der Beschäftigung. Und drittes großes Thema: die Lieferantensituation in Großbritannien. Es gibt dort keinen so hoch entwickelten Zulieferermarkt wie in Kontinentaleuropa. Der Brexit beschert uns einen Riesenaufwand.
BMW mit seiner zum Teil britischen Historie: Sind Sie am Ende mehr oder weniger betroffen als Ihre Wettbewerber?
Das kann ich Ihnen heute noch nicht beantworten. Bei hohen Zöllen haben wir womöglich einen Vorteil, weil wir schon eine Produktion haben. Aber nicht vor Ort zu sein, wenn es keinen Zoll gibt, kann dann auch von Vorteil sein. Es hängt auch von der Ausgestaltung der Freihandelsabkommen ab, die die Briten möglicherweise noch mit Drittstaaten aushandeln. Fakt ist: Aufgrund der engen Verflechtungen müssen wir uns als BMW Group besonders intensiv und gründlich mit dem Brexit auseinandersetzen.
Brexit, Trump et cetera: Ihr Job ist seit Ihrem Start im Jahr 2015 nicht gerade leichter geworden…(lacht) Und es kommen ständig neue Themen dazu. Natürlich ist USA/NAFTA/Mexiko ähnlich relevant wie der Brexit. Wir sind für alles gewappnet. Nach den vielen Ankündigungen des US-Präsidenten war es für uns nicht überraschend, dass er jetzt einen Schutzzoll prüfen lässt.Was ist, wenn der Zoll kommt?
Wir bauen in den USA jetzt schon deutlich mehr Autos als wir verkaufen. Das Verhältnis liegt bei 370.000 zu 305.000. Und wir sind wertmäßig der größte Automobilexporteur aus den USA. Natürlich könnten wir in South Carolina statt den X-Modellen auch Limousinen bauen. Das wäre aufwendig, aber machbar. Den positiven Effekt für die US-Autoindustrie, wie die US-Regierung sich das vorstellt, sehe ich daher nicht. Die ganze Welt lebt vom freien Handel. Daran sollten wir nicht rütteln.
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