Herr Scheider, Mahle hat in den vergangenen Jahren mehrfach zugekauft und verkauft. Ist die Portfoliobereinigung jetzt abgeschlossen?
Wir haben in den vergangenen sechs Jahren große Schritte bewältigt und damit auch hohe finanzielle Investitionen in den Kauf von Unternehmen getätigt. Wir sind jetzt in einer Phase, in der die Integration im Vordergrund steht. Das schließt aber nicht aus, dass wir auch weiterhin unsere Kompetenzen abrunden, wie zuletzt mit dem Kauf von Nagares in Spanien geschehen. Das jetzt in Mahle Electronics umbenannte Unternehmen hat uns den Zugang zur Leistungselektronik gebracht.
Bevorzugen Sie Kooperationen oder Akquisitionen?
Beides ist erforderlich. Im Fall von Mahle Electronics haben wir zugekauft, weil es ein Vorteil ist, wenn man Antriebssysteme aus einer Hand liefern kann. Aber wenn wir zum Beispiel den Bereich kompletter Antriebs- und Fahrwerkmodule betrachten, werden wir Partnerschaften den Akquisitionen vorziehen.
Welchen Anteil Ihres Umsatzes machen Sie mit Produkten für die E-Mobilität?
Rein für die E-Mobilität ist das noch überschaubar, weil auch die E-Mobilität noch überschaubare Absätze hat. Wir messen unsere strategische Position eher an der Umsatzabhängigkeit vom Pkw-Verbrennungsmotor. Mittlerweile erzielen wir mehr als 50 Prozent des Umsatzes mit Komponenten, die nicht mehr vom Verbrennungsmotor abhängig sind.
Was halten Sie von einer staatlichen Förderung von E-Autos oder der Einführung von Quoten?
Wir sind strikt dagegen. Zielsetzung ist es, die CO2-Werte des Pariser Klimaabkommens und die von der Europäischen Kommission festgelegten Emissionswerte zu erreichen. Und da gibt es viele Wege. Es ist wichtig für unsere Industrie, dass die Technologieneutralität bestehen bleibt. Jede Quote schränkt die Kreativität und Innovationskraft ein, weil man sich möglicherweise auf Technologien festlegen würde, die nicht der beste Weg für die Mobilität von morgen sind.
Wie weit sind Sie mit der Entwicklung Ihres Hochvolt-Elektromotors?
Wir haben ein fest beauftragtes Seriengeschäft zur Produktion eines Hochvolt-Elektromotors. Den Serienanlauf wird es im nächsten Jahr geben.
Sie haben auf der IAA ein Fahrzeug mit 48-Volt-Technik vorgestellt. Wie serienreif ist es?
Es ging uns darum, aufzuzeigen, wie ein optimiertes Gesamtsystem aus Antrieb und Thermomanagement aussehen kann. Wir optimieren damit insbesondere die Reichweite des Fahrzeugs – und das bei unverändert hohem Komfort für die Insassen. In Kundengesprächen bieten wir die einzelnen Komponenten des Konzepts an. Also beispielsweise das Thermomanagement oder die Antriebseinheit.
Diese Gespräche laufen schon?
Ja, wir sind angebotsfähig. Bei dem 48-Volt-System haben wir erstmalig das komplette System von der elektrischen Maschine über die Leistungs- und Steuerungselektronik bis hin zur Getriebestufe in einem Modul realisiert.
Als Anbieter von Getrieben kennt man Mahle bislang gar nicht.
Ob das Getriebe zu einem Bestandteil unserer Wertschöpfungskette wird, ist noch nicht entschieden. Die integrierte Systemlösung unseres Antriebsmoduls ist allerdings grundsätzlich ein Ansatz, den wir als sehr sinnvoll erachten.
Wie sehen Sie die in die Kritik geratene Diesel-Technologie?
Es ist falsch, den Diesel so unter Feuer zu stellen, aber nachvollziehbar aufgrund der Historie der vergangenen zwei Jahre. Der Diesel muss zum technologieneutralen Antriebsmix gehören, denn er ist eine hervorragende Komponente, um die Klimaziele zu erreichen. Es wäre töricht, ihn aus diesem Portfolio herauszunehmen.
Welchen Stellenwert messen Sie dem Erdgas bei?
Erdgas ist eine der besten Lösungen auf dem Weg hin zur Elektromobilität, da sich 20 bis 25 Prozent CO2 einsparen lassen und auch drastisch niedrigere Emissionswerte erreicht werden. Wir haben aus eigener Kraft einen monovalenten Erdgasmotor entwickelt, der die Spritzigkeit eines vergleichbaren Benzinmotors hat, aber mit deutlich weniger Emissionen und CO2 auskommt. Dieses Demonstrationsfahrzeug ist auf der Straße, und wir wollen damit nachweisen, dass Erdgas hervorragend geeignet ist, um die Klimaziele schneller zu erreichen – bei gleichzeitig hohem Nutzen und Fahrspaß für den Autofahrer.
Welche Veränderung sehen Sie derzeit im Verhältnis zwischen Zulieferern und Herstellern?
Ich sehe in letzter Zeit einen grundsätzlichen Wandel, der auch dringend erforderlich ist. Zwischen den Fahrzeugherstellern und Zulieferern gibt es einen intensiveren Austausch über potenzielle technische Lösungen für die aktuellen Herausforderungen der Mobilität. Insbesondere, da es viele Unsicherheiten zu den optimalen Lösungswegen und noch ein erhebliches Innovationspotenzial gibt. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg ein Erfolgsmodell für die deutsche und für die internationale Autoindustrie sein wird, indem diese Gespräche sogar noch intensiviert werden. Wir freuen uns darüber, dass wir auf der Seite der Kunden eine außerordentliche Aufgeschlossenheit vorfinden. Denn jeder merkt: Gemeinsam bekommen wir das besser hin.
Welche Wünsche haben Sie an die Politik zur Stärkung des Standorts Deutschland?
In erster Linie das Thema Ausbildung. Vor allem, wenn wir jetzt die Transformation in der Antriebstechnik oder im Feld der Elektronik durchführen. Natürlich gibt es gute Elektro- und Software-Ingenieure in Deutschland, aber möglicherweise nicht genug. Wir tun uns durchaus schwer, unsere Elektronik-Kompetenzen in Deutschland ausreichend auszubauen. Das ist auch ein Grund, warum wir unser Elektronikzentrum in Valencia sehr stark erweitern.
Wie viele Leute suchen Sie dort?
Wir sprechen von einer knapp dreistelligen Zahl, alleine für die nächsten Monate.
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