Herr Still, das AVAG-Geschäftsjahr (per 31.8.) ist gelaufen. Haben Sie Ihr Wachstumsziel erreicht?
Roman Still: Wir sind insgesamt zufrieden, wir haben ein gutes Geschäftsjahr, der Markt performt gut und wir partizipieren am steigenden Markt. Die Geschäftsfelder, die wir forciert haben, zum Beispiel die Gebrauchtwagen, haben sich gut entwickelt, so dass wir beim Umsatz organisch und durch Expansion mehr erreicht haben als erwartet – das gilt auch für das Ergebnis. Wir gehen davon aus, dass wir im laufenden Geschäftsjahr zwölf bis 15 Prozent Wachstum generieren werden.
Wie viel hat die AVAG im Geschäftsjahr 2015/2016 insgesamt investiert?
Albert C. Still: Wir haben rund 30 Millionen Euro in Anlagevermögen investiert. Darin enthalten sind insbesondere unsere neuen Investitionen in Dresden, Nürnberg, Stuttgart, Belgrad und Varazdin, Kroatien sowie in Instandhaltungen und CI-Umrüstungen.
Wo liegen die Investitionsschwerpunkte in den kommenden fünf Jahren?
Albert C. Still: Es gibt jeden Tag für alles eine Gelegenheit. Die Frage ist, ob es passt oder nicht. Mit Ford könnten wir gerne noch wachsen, aber nur wenn sich eine vernünftige Gelegenheit ergibt. Auch bei Opel sind wir durchaus geneigt, zu investieren.
Roman Still: Es gibt bei uns keinen Expansionszwang, nach wie vor nicht. Wir müssen nicht wachsen. Wenn es aber sinnvoll und vernünftig ist, wachsen wir gerne. Unsere Kernstrategie ist die Optimierung: Wir versuchen jeden Tag, etwas besser zu machen.
Wie sieht es mit neuen Marken aus?
Roman Still: Wir werden im Wesentlichen in unseren Kernmarken bleiben. Im Moment denken wir nicht an neue Marken.
Der Abgasskandal hat die Branche kräftig aufgemischt, auch Opel ist in den Strudel geraten. Wenden sich die Kunden jetzt vom Diesel ab?
Albert C. Still: Unsere Dieselkunden sind völlig unbeeindruckt.
Roman Still: Ich sehe Opel nicht im Zusammenhang mit dem VW-Skandal. VW hat eine Software eingesetzt, die erkennt, ob getestet wird oder nicht. Opel hat sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt. Das ist ein großer Unterschied. Das machen alle Hersteller, je nach Herkunftsland und Rechtslage geht man damit unterschiedlich um.
Seit Anfang Juli kanndie Elektroauto-Prämie beantragt werden. Halten Sie für das richtige Mittel, um den Absatz von E-Autos zu steigern?
Albert C. Still: Ich halte grundsätzlich von Elektromobilität nichts. Zurzeit ist es ein Produkt für wenige Leute, die es sich leisten können.
Roman Still: Ich bin kein Gegner der Elektromobilität, aber es ist ein Nischenprodukt. Kaum ein Hersteller hat sinnvolle Produkte, die sind alle viel zu teuer. Es gibt keine Batterietechnik, die sauber funktioniert und es fehlt die Infrastruktur. Deshalb gibt es auch keinen Markt. Da hilft auch die Prämie nicht. Die ist ohnehin eine Mogelpackung.
Wieso?
Roman Still: Die Hälfte der Umweltprämie kommt vom Hersteller. Was glauben Sie, was der im Pricing macht?
Bringen denn die Probleme beim Diesel der Elektromobilität einen Schub?
Albert C. Still: Ich glaube nicht, dass die Dieselprobleme den E-Antrieb voranbringen. Im Übrigen ist es mir egal, ob ein Kunde einen Diesel, einen Benziner oder ein E-Auto kauft, Hauptsache ist, dass er bei uns kauft. Und dass er es auch bei uns reparieren lässt. Das ist auch noch ein großer Hemmschuh. Wenn ein Händler nur ein, zwei E-Autos im Jahr verkauft, was soll er dann an Ausbildung und Equipment in der Werkstatt investieren?
Roman Still: Der Hype um Tesla ist für mich total unverständlich. Warum soll das die Zukunft sein, obwohl er nicht mehr kann als Autos, die schon auf dem Markt sind, wie der E-Ampera, Leaf oder andere Modelle? Das ist alles nur Marketing. Die Fachpresse preist den Tesla wie ein Wunderprodukt. Aber das ist er nicht. BMW hat wahnsinnig viel in die E-Mobilität investiert und trotzdem laufen die Autos nicht. Wir reden hier von Zulassungszahlen im Promillebereich. Die E-Mobilität wird kommen, aber nicht rasend schnell.
Was ist denn für die AVAG das wichtigste Zukunftsthema in der Werkstatt?
Albert C. Still: Es gibt ein einziges Thema, und zwar, dass die Durchgangszeit pro Auto weiter sinken wird. Darauf müssen wir uns einstellen. Das passiert ganz allmählich, aber wer weiterhin im Service Geld verdienen will, muss sich professioneller aufstellen, um zu bekommen, was der Markt noch hergibt. Da sind wir auf einem guten Weg.
Roman Still: Das wesentliche Element dabei ist, den Kunden an uns zu binden – bei der Inspektion, im Leasing, in der Versicherung. Wir nennen das den „Big Deal“. Wenn wir das vernünftig hinbekommen, machen wir ein gutes Geschäft. Allerdings muss sich der Umgang mit dem Kunden in der Werkstatt verbessern, da gibt es noch Nachholbedarf.
Wie bessern Sie hier nach?
Albert C. Still: Wir nutzen die gesamte Palette an internen und externen Schulungsmöglichkeiten, also die Angebote der Herstellers, aber wir setzen auch eigene Coaches ein, die vor Ort in die Betriebe gehen. Alles zusammen führt im Idealfall dazu, dass wir die Kundentreue etwas verlängern können.
Die Digitalisierung prägt immer mehr Lebensbereiche. Wie aktiv ist die AVAG im Social-Media-Bereich?
Roman Still: Die AVAG selbst ist hier nicht aktiv, aber einzelne Autohäuser. Das erstreckt sich nicht allein auf Facebook, wir bespielen auch diverse Bewertungsportale oder lancieren Adwords-Kampagnen. Fünf Mitarbeiter der AVAG kümmern sich zentral um diese Themen. Wir unterstützen unsere Betriebe dabei, sich richtig im Netz zu präsentieren. AVAG-Autohäuser sind bei Suchmaschinen auch ohne Anzeige immer unter Top-5-Ergebnissen.
Ein klassisches Feld für die Digitalisierung ist das Gebrauchtwagengeschäft. Wird die Digitalisierung im Neuwagenverkauf ähnlich verlaufen?
Roman Still: Das ist schon der Fall. Die Kunden sind heute dank Internet besser vorinformiert als jemals zuvor, wir geben kaum noch Prospekte aus. Wir verstehen das Internet als Showroom und holen den Kunden schon im Netz ab. Wenn er dann zu uns kommt, bieten wir ihm etwas anderes, als das, was er schon auf seinem Tablet zu Hause gefunden hat. Er will das Auto sehen und fahren, das findet er bei uns: look, touch and feel. Es gibt zwar auch digitale Probefahrten, aber die ersetzen das tatsächliche Probefahrterlebnis nicht.
Das Gebrauchtwagengeschäft, insbesondere mit jungen Fahrzeugen, ist ja mittlerweile ein wichtiger Ertragsbringer für den Markenhandel.
Albert C. Still: Das GW-Geschäft ist ein großer Treiber unseres Wachstums. Wir haben einen Riesensprung in der Stückzahl gemacht. Wir haben vor etwa zwei Jahren begonnen, das Thema deutlich professioneller anzugehen und haben überall Gebrauchtwagen-Verantwortliche installiert, die teilweise selbst zukaufen, hauptsächlich aber den Workflow im Haus gestalten. Die Autos müssen bei der Hereinnahme schnell ins Netz und schnell den Hof wieder verlassen, um Standzeiten zu vermeiden.
Im Bundesdurchschnitt stehen Gebrauchte laut ZDK etwa 85 Tage. Wie sieht es bei der AVAG aus?
Albert C. Still: Wir beobachten das nicht als Gruppe, aber jedes Autohaus erhebt die Standzeiten separat. In Österreich beispielsweise waren wir zuletzt bei 49 Tagen, in Deutschland sind wir mehrheitlich bei 44 Tagen.
Wo liegt der Altersschwerpunkt?
Roman Still: Der Fokus liegt auf Jungwagen, von denen wir zurzeit mehr vermarkten als früher – auch weil der Hersteller das will. Autos über zehn Jahre finden bei uns weniger statt. Die geben wir aber nicht ins Ausland, sondern an lokale Fähnchenhändler. Mittlerweile denken wir aber darüber nach, dieses Geschäft selber zu machen.
Albert C. Still: Wir brauchen auch das 2000-Euro-Auto. Unser Ziel ist es, mindestens 80 Prozent der Inzahlungnahmen selbst zu vermarkten. Wichtig ist es, sich mit jedem Auto auseinanderzusetzen.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit gebrauchten E-Autos und Hybridfahrzeugen gemacht?
Roman Still: Gebrauchte Elektroautos oder Hybride sind am schnellsten wieder weg, weil sie preisgünstig sind.
Albert C. Still: Das läuft rein über den Preis: Der Abschlag ist bei Elektroautos höher als bei herkömmlichen Gebrauchten, weil viel Vorsicht im Markt ist. Also ist er superbillig, und superbillig geht immer. Wenn ich einen Sechszylinder superbillig hinstelle, ist er auch gleich weg.
Wie wird die AVAG aussehen, wenn die nächste Generation übernimmt?
Albert C. Still: Am liebsten prosperierend und gut situiert.
Roman Still: Über das Autohaus der Zukunft denken alle nach, die Hersteller, die Händler, aber am Ende ist weder das Eine noch das Andere entscheidend, sondern allein das, was der Kunde will. Und darüber gibt es bis dato wenig belastbares Material. Metrozentren wie Paris, London oder Berlin werden immer teurer, für den Autohandel dürfte es dort schwierig werden. Hier muss man nach Lösungen suchen. Ob das Beispiel Rockar Schule machen wird, muss sich erst zeigen. In kleinen Städten wird dieses Modell nicht funktionieren. Dort gibt es keine riesigen Malls, und auch die Internetaffinitiät ist geringer. Deshalb wird man dort eher zum klassischen Autohaus tendieren. Ob dann dort 15 oder nur noch fünf Modelle stehen und der Rest in 3D-Technik angeschaut wird, weiß ich heute nicht.
Bundesweit wurden 2015 bereits zwei Drittel aller Neuwagen gewerblich zugelassen, wie hoch ist der Anteil der Gewerbekunden bei der AVAG?
Roman Still: Aktuell liegt die Quote der gewerblichen Verkäufe in der AVAG bei knapp 33 Prozent – inklusive der Verkäufe an Autovermieter. Dabei ist die Schwankungsbreite innerhalb der Märkte und Areas allerdings sehr groß. So liegt beispielsweise derGewerbeanteilbei Ford eher bei50 bis 60 Prozent und im Ausland teilweise noch darüber, während er für die Marke Opel in Deutschland nur rund 20 Prozent beträgt. Deshalb können wir auch nicht beziffern, wie hoch der Anteil der Gewerbeverkäufe bei der AVAG in ein bis zwei Jahren sein wird.
Aber Sie wollen das Geschäft mit den Firmenkunden forcieren?
Roman Still: Ja, wir haben das Gewerbekundengeschäft für uns neu entdeckt.Wenn der Markt wächst, wächst er meistens im Gewerbe, und wir sehen dort gute Wachstumschancen für uns. Mit Gewerbegeschäftmeinen wir nicht nur Flotten, sondern insbesondere Kunden in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wir investieren zurzeit viel Geld in unsere Areas, um eigenständige Außendienststrukturen aufzubauen. Das ist ein Projekt für die nächsten ein bis zwei Jahre.
Traditionell hat sich die AVAG immer dem Privatkunden verpflichtet gefühlt.
Roman Still: Das bleibt auch so. Wir wollen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Es geht nicht um Substitution, sondern um Zusatzgeschäft. Deshalb bauen wir auch eine eigene Abteilung auf. Ein Verkäufer kann ein Auto nur einmal verkaufen – im Innen- oder im Außendienst.
Albert C. Still: Wir müssen neue Kunden für das Firmengeschäft suchen und aufbauen, bei Ford haben wir gelernt, wie viel mehr man dann auch verkaufen kann. Das wollen wir insgesamt ausrollen. Wir haben auch bereits erste Erfolge erzielt.
Das Flüchtlingsthema ist allgegenwärtig – auch in der AVAG?
Roman Still: Wir haben schon vor einigen Monaten Flüchtlinge eingestellt. Die Menschen müssen eine Vorqualifizierungsphase durchlaufen, damit sie zum Beispiel berufsschulfähiges Deutsch sprechen, erst dann können sie ausgebildet werden. Wir haben jetzt etwa zehn Flüchtlinge als Auszubildende aufgenommen und werden nach einem Jahr entscheiden, ob wir weitere einstellen. Denn sie brauchen vor Ort in den Betrieben ja auch Kollegen, die die Flüchtlinge betreuen.