Herr Porth, derzeit kursieren viele Szenarien über den Stellenabbau in der Branche durch den Übergang zur Elektromobilität. Was erwarten Sie für Daimler?
Klar ist, dass dieser Übergang sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Wenn wir über einen Anteil von 15 bis 25 Prozent von Elektroautos am Pkw-Absatz im Jahr 2025 reden, bleibt der überwiegende Anteil Verbrennungsmotoren. Gleichzeitig wollen wir weiter wachsen, was sich positiv auf die Beschäftigung auswirkt. Parallel untersuchen wir derzeit in einer Studie, was der Übergang zur Elektromobilität für die einzelnen Standorte bedeuten könnte.
Gibt es da schon ein Ergebnis?
Nein. Doch es sollte niemand überraschen, wenn die Auswirkungen nicht dramatisch sein werden, weil wir einen allmählichen Übergang erwarten.
Herr Zetsche hat jüngst davon gesprochen, die Fertigungstiefe im Zuge des Ausbaus der Elektromobilität reduzieren zu wollen . . .
Durch die schrittweise Verringerung der Produktion von Verbrennungsmotoren wird das Fertigungsvolumen sinken. Die Frage ist, wer letztlich wettbewerbsfähige Komponenten für den elektrischen Antrieb entwickelt. Machen wir dies alleine oder brauchen wir dazu wie bisher auch starke Partner, die entsprechende Stückzahlen herstellen? Schließlich wird die Verbreitung der Elektromobilität nicht nur durch die fehlende Infrastruktur gehemmt, sondern auch durch die derzeit noch vergleichsweise hohen Kosten.
Welche Komponenten wollen Sie denn für das Elektroauto selbst machen?
Die Batterie samt Leistungsmanagement ist eine Kernkompetenz, weshalb wir die Produktion in Kamenz deutlich ausbauen. Die Zellen gehören nicht dazu, die werden wir auch in Zukunft einkaufen. Beim Elektromotor kann man sich fragen, ob dieser künftig ein wettbewerbsdifferenzierendes Element ist. Wenn uns mit einem Lieferanten eine konkurrenzfähigere Lösung gelingen sollte, dann müssen wir uns dem stellen.
Der Betriebsrat in Untertürkheim, wo viele Jobs am Verbrenner hängen, hätte gerne so viele Komponenten wie möglich.
Das werden wir gemeinsam besprechen. Jeder möchte das größte Stück vom Kuchen. Dieser Anspruch wird am Ende aber nicht zielführend sein. Wir müssen gemeinsam Rahmenbedingungen vereinbaren, mit denen wir auch in Zukunft konkurrenzfähig bleiben. Dazu gehört auch, dass wir im beengten Neckartal nicht beliebig expandieren können.
Gibt es eine spürbare Verunsicherung in der Belegschaft mit Blick auf die Elektromobilität?
Wir haben eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2020 und auch darüber hinaus sind die Aussichten positiv. Im Moment haben wir alle Hände voll zu tun, dass wir alle benötigten Komponenten aus Untertürkheim in die Montagewerke geliefert bekommen.
Wird es bei weniger Teilen in Zukunft ein Hauen und Stechen der Standorte geben? Zum Beispiel Kamenz gegen Untertürkheim, wenn es um die Batterie geht?
Wettbewerb ist eine Triebfeder. Letztlich sichern konkurrenzfähige Produkte, die uns die Kunden aus den Händen reißen, die Arbeitsplätze am besten ab.
Mit dem Programm Leadership 2020 wollen Sie eine Startup-Kultur im Unternehmen begünstigen. Lassen die vielen Arbeitsregeln das überhaupt zu?
Leadership 2020 hat bei uns im Konzern eine gewaltige Aufbruchsstimmung erzeugt. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die sich einbringen, die mitmachen und dabei sein wollen. Wir sind also im Unternehmen gut unterwegs. Wir treffen aber auf Rahmenbedingungen, die schlicht nicht mehr in die heutige Zeit passen. Ein Beispiel ist das deutsche Arbeitszeitrecht mit der vorgeschriebenen elfstündigen Pause zwischen zwei Arbeitstagen. Solche Regelungen beruhen auf der Arbeitswelt des vergangenen Jahrhunderts, als schwere körperliche Arbeit noch an der Tagesordnung war. Heute wollen Mitarbeiter auch mal am Nachmittag zur Familie oder zum Sport gehen und sich später am Abend nochmals an den Rechner setzen. Starre Regeln nehmen die Energie weg, die man für eine Startup-Kultur braucht.
Was bedeutet das neue Gesetz für Lohngerechtigkeit in diesem Sinn?
Die Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie sind geschlechtsneutral. Darin ist alles vorgegeben, was Qualifikationen, Bezahlung und Entwicklung von Mitarbeitern angeht. Das Gesetz würde einen gewaltigen Verwaltungsaufwand bedeuten, allein durch Dokumentation und Einkommensvergleiche. Das ist eine große Lawine, die da losgetreten würde. Das Ergebnis wird ernüchternd sein. Die Erfahrung lehrt: Missbrauch wird am besten durch konsequente Anwendung bestehender Regeln abgestellt. Es gibt bereits heute ausreichende Möglichkeiten der Kontrolle durch Betriebsräte.
Also zu viel Bürokratie?
Eindeutig ja. Wir verpassen Chancen dadurch, dass wir uns auf Nebenkriegsschauplätze begeben. Warum sind Unternehmen wie Google oder Apple nicht in Deutschland gegründet worden? Es ist nicht gelungen, einfache und unbürokratische Rahmenbedingungen zu schaffen, um einen ähnlichen Spirit für Gründer zu erzeugen. Dazu zähle ich auch die Schwierigkeit für junge Firmen Risikokapital aufzutreiben.
Setzen Sie Hoffnungen in eine neue Bundesregierung ab Herbst?
Nur mit einer funktionierenden Wirtschaft können wir unsere Sozialsysteme nachhaltig finanzieren. Wenn alle nur Weihnachtsgeschenke verteilen wollen, wird das die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht stärken.
Sie sind Personalvorstand und Chef der Van-Sparte. Ist denn daran gedacht, diesen Geschäftsbereich im Zuge einer Nachfolgelösung für Truck-Chef Wolfgang Bernhard neu zu sortieren?
Die Besetzung des Vorstands ist Sache des Aufsichtsrates. Darüber hinaus macht der Aufsichtsrat Vorgaben für die im Vorstand vertretenen Verantwortungsbereiche sowie für die Zuweisung der Verantwortungsbereiche an einzelne Vorstandsmitglieder.