Der Hickhack um die künftige Handelspolitik mit Großbritannien macht Logistikern in der gesamten Automobilindustrie zu schaffen. Derzeit erhöhen zahlreiche Unternehmen in dem Land massiv ihre Lagerbestände. Sie befürchten bei einem ungeregelten Brexit hohe Einfuhrzölle und schwere Turbulenzen in der Lieferkette. Mit Planspielen versuchen viele Unternehmen, sich für den „perfekten Sturm“ zu wappnen.
Der Fracht- und Laderaumbörse TimoCom zufolge haben sich die Lkw-Fahrten nach Großbritannien im ersten Quartal des Jahres um 112 Prozent mehr als verdoppelt. Dabei verzeichnet die Börse das stärkste Plus bei Fahrten aus Deutschland, Frankreich und Polen.
Ein Großteil der Fahrzeugproduktion aus Großbritannien wird über sogenannten Ro-ro-Häfen (Roll-on-roll-off) abgewickelt. Diese haben nach Angaben der britischen Hafenbehörde BPA Notfallpläne entworfen. Die Behörde erklärte jüngst aber, dass damit nicht die gesamte Lieferkette sichergestellt sei. Dem größten Hafenbetreiber GBA Group macht vor allem die Ungewissheit über die künftigen Transportvolumina Sorgen.
GBA hat schon vor Monaten damit begonnen, seine Dienstleistungen im Zollgeschäft auszubauen. Unter anderem wurde für BMW und den VW-Konzern im Flussdelta des Humber ein bestehendes Zentrum zur Vorbereitung der Fahrzeuge für die Verschiffung vergrößert. Auch die Handlingkapazitäten im Hafen von Sheerness, der vor allem von VW genutzt wird, wurden erweitert. Im Jahr 2018 wurden von der GBA-Gruppe 1,1 Millionen Fahrzeuge bearbeitet. In der Hafenstadt Bristol schuf die Bristol Port Company Parkraum für 3500 zusätzliche Fahrzeuge.
Für BMW-Produktionsvorstand Oliver Zipse hätte ein ungeregelter Brexit „Auswirkungen auf die Lieferketten vergleichbar mit einer großen Naturkatastrophe“. Die Ungewissheit zwinge zur Vorsorge: „Wir müssen uns auf das schlimmste Szenario vorbereiten, einen chaotischen harten Brexit ohne irgendein Folgeabkommen mit der EU.“
BMW ist von der Hängepartie um den EU-Austritt Großbritanniens besonders stark betroffen, da der Premiumhersteller in dem Land vier Fahrzeug- und Motorenwerke hat. Ursprünglich hatte sich BMW auf das Austrittsdatum 29. März vorbereitet, zusätzliche Lagerkapazitäten und sogar ein Frachtflieger waren dafür angemietet worden. Außerdem hatte der Autobauer die jährlichen Wartungsarbeiten in Großbritannien auf April vorgezogen.
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Aus dem Datencenter:
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