Hamburg. Herr Klein, die Automobilindustrie muss in den kommenden Jahren scharfe Grenzwerte bei den CO2-Emissionen erreichen. Wie stellen Sie Opel darauf ein?
Wir nehmen unsere Verantwortung für Klima und Umwelt ernst und sind auf Kurs, das vorgegebene CO2-Ziel bis 2020 zu erfüllen. Unsere Organisation ist in diesem Thema sehr fokussiert; wir nutzen sowohl die Kräfte unseres Engineerings in Rüsselsheim als auch die Ressourcen unserer weltweiten GM-Organisation. Opel ist gerade mitten in einer groß angelegten Motorenoffensive, bei der wir 17 neue Triebwerke bis zum Jahr 2018 auf den Markt bringen werden, die allesamt hervorragende CO2-Werte haben. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf Leichtbau, Aerodynamik und andere effiziente Technologien.
Welche Rolle werden leicht oder mild elektrifizierte Antriebsstränge bei Opel im Zeitraum 2020/ 2021 spielen?
Sie werden zunehmend wichtiger werden. Aber es kommt auf richtige Mischung an – und auf den Nutzen für den Kunden. Eine einzelne Antriebstechnologie kann nicht sämtliche Kundenanforderungen erfüllen. Bisweilen muss man auch Technologien kombinieren, um das beste Ergebnis zu erzielen. Traditionelle Verbrennungsmotoren, ob Diesel oder Benziner, haben noch immer Effizienz-Potenzial; wir setzen dabei auf Downsizing und Turbo-Aufladung. Ein gutes Beispiel ist unser neuer Dreizylinder-Motor, der sehr effizient ist und aus dem wir, bei nur einem Liter Hubraum, bis zu 125 PS herausholen. Elektrische Antriebe werden eine zunehmend wichtige Rolle spielen, aber der Verbrennungsmotor hat noch viel Entwicklungspotenzial in Sachen größerer Effizienz.
Wie beurteilen Sie die Marktchancen für ein neues rein batterieelektrisch angetriebenes Auto von Opel?
Der Markt für Elektroautos steckt immer noch in den Kinderschuhen, aber er wird wachsen. E-Autos sind für uns Ingenieure eine Herausforderung in Sachen Kosten und in Sachen Batteriereichweite, da müssen wir noch viel technische Arbeit investieren, um diese beiden Punkte entscheidend zu verbessern. Und jede Lösung muss auch Vorteile für den Kunden haben. GM und Opel sind Pioniere der Elektromobilität – und diese Erfahrung ist ein großer Vorteil bei Entwicklung unserer zukünftigen Elektrofahrzeuge.
Der geplante Fahrzyklus WLTP wird das Erlangen von Supercredits erschweren. Wie geht Opel damit um?
Die Autoindustrie beteiligt sich intensiv an den Vorbereitungen der Umstellung, das ist ein höchst komplexes Vorhaben. Ob es durch den WLPT schwieriger wird, Supercredits zu erlangen, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, da das Verfahren noch andauert. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass die Regelung der Supercredits in der aktuellen Gesetzgebung ausdrücklich unter Maßgabe des NEDC (New European Driving Cycle) erfolgt. Somit erwarten wir hier keine Veränderung. Ob und wie Supercredits in einer Folgeregulierung eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten. Wir analysieren die Auswirkungen der neuen WLTP-Methode genau, um zu verstehen, was das für uns und für die gesamte Industrie bedeutet.
Bleibt Downsizing bei Verbrennungsmotoren auch für Opel eine attraktive Perspektive?
Ja, denn hier gibt es noch großes Potential. Wichtig ist, dass die ergriffenen Maßnahmen effizient sind und die Autos bezahlbar bleiben. Bei vielen Modellen setzen wir schon heute den Maßstab, etwa beim Corsa: Die sparsamste handgeschaltete Dieselversion reduziert beim Dreitürer den CO2-Ausstoß auf bis zu 82 Gramm, das bedeutet 3,2 Liter pro 100 Kilometer.
Wo sehen Sie noch große Potenziale zur Senkung des CO2-Emissionen in der Motor-Peripherie?
Wir arbeiten in allen Richtungen, um Effizienz zu verbessern – und es bleibt noch Potenzial, das bislang nicht ausgeschöpft wurde. Ein gutes Beispiel ist der Bereich Leichtbau, wo wir das Gewicht unserer Fahrzeuge der nächsten Generation ganz erheblich reduzieren. Wir konzentrieren uns auch stark auf den Einsatz hochfesten Stahls, ebenso auf Aluminium und Lösungen mit unterschiedlich gemischten Metallen. Hinzu kommt eine Vielfalt von Möglichkeiten im Bereich Aerodynamik. Und auch die optimale Fahrzeug-Integration ist für uns ein wichtiges Thema; hier gilt es, unterschiedliche Fahrzeuge und Motor/Getriebe-Kombinationen noch besser aufeinander abzustimmen, um die Effizienz zu verbessern. Wir sind darüber hinaus auch in enger Zusammenarbeit mit Zulieferern, damit Technologien entwickelt werden können, die den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Warum plädiert Opel jetzt für eine Zwei-Säulen-Strategie bei der CO2-Regulierung?
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt diese Diskussion zu führen: Die 95-Gramm-Regulierung für 2020 ist verabschiedet, und in Brüssel beginnt man über eine Folgeregelung nachzudenken. Die EU-Kommission hat den gesetzlichen Auftrag, hier in naher Zukunft eine erste Meinungsäußerung vorzulegen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, an dieser Meinungsbildung konstruktiv mitzuwirken und neue Ideen einzubringen. Wir bei Opel haben früh angefangen, uns zu überlegen, wie Alternativen zur heutigen Regulierung aussehen könnten – das ist wichtig für die gesamte Branche. Wir finden, dass die bisherige erste Säule, bestehend aus Neuwagengrenzwerten, durchaus ihre Berechtigung hat und weiter erhalten bleiben kann. Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, und deshalb favorisieren wir die zusätzliche Aufnahme von Transportkraftstoffkosten in den EU-Emissionshandel nach 2020. Der Zertifikathandel würde sich auch für die Automobilindustrie eignen. Er würde dafür sorgen, dass die Verantwortung bei denen liegt, die CO2 erzeugen und es wäre ein einfacher und effektiver Mechanismus.
Wie kooperiert das Opel-Entwicklungsteam rund um "CO2" mit den Kollegen des Mutterkonzerns GM?
Wir arbeiten sehr eng mit unseren Engineering-Kollegen rund um den Globus zusammen. Ich sehe das als eine ganz entscheidende Stärke, dass wir in unserem Unternehmen von Erfahrungen und Entwicklungen profitieren können, die in anderen großen Märkten, wie zum Beispiel in China oder in den USA, gesammelt werden. Unser Netzwerk ist sehr gut entwickelt – sowohl was die unterschiedlichen Regulierungsmethoden angeht, als auch bei den technischen Entwicklungen zur Verbesserung der Fahrzeugeffizienz. Globale Anforderungen zu verstehen ist auch deshalb wichtig, weil wir hier ja auch Produkte für GM entwickeln, die überall auf dem Globus verkauft werden.
Welche CO2-Grenzwerte sind nach 2020/ 2021 realistisch zu erreichen, etwa bis zur Mitte der Dekade?
Aus technischer Sicht sind sehr niedrige Grenzwerte machbar, aber man muss sich auch die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Kundenakzeptanz stellen. Flottengrenzwerte deutlich unter 95 Gramm CO2 pro Kilometer sind nach einhelliger Meinung aller Experten nur mit einem hohen Anteil an Elektrifizierung erreichbar – und das würde nach heutigen Maßstäben auch deutlich höhere Kosten bedeuten.