Agiles Arbeiten und New Work sind die Trends der Stunde. Doch Vorsicht ist geboten, dass der Begriff derAgilität nicht zum inhaltsleeren Buzzword wird. Im Folgenden haben wir sechs Unternehmen ausgesucht, die Agilität erfolgreich implementiert undumgesetzt haben. Die Beispiele sind dem Automobilwoche-Magazin „100 Digital Leaders Automotive“ (erhältlich unter automobilwoche.de/shop) entnommen.
Byton
Hauptsitz und Produktion in Nanjing, Entwicklungs- und Designcenter in München, Digitalstudio in Santa Clara und Finanzteam in Hongkong – bei solch einer globalen Aufstellung kann eine Zusammenarbeit nur mit New-Work-Lösungen funktionieren.
Byton hat eine Revolution der agilen Organisation losgetreten, als der neue Autohersteller 2016 auf drei Kontinenten gleichzeitig gegründet wurde. Vier Jahre später will Byton das erste Modell auf der Straße haben. Das Wort „Auto“ vermeiden die Mitarbeiter aber – es sei ein „Smart Device auf Rädern“, wie Byton-Chef Daniel Kirchert sagt.
„Byton-typisch“ nennt Mitarbeiter Christian Scheckenbach das, was täglich zwischen Nordamerika, Asien und Europa passiert. Das Unternehmen ist auf diese Weise 24 Stunden nonstop am Werk. Ohne alte Strukturen und rituelle Gepflogenheiten konnten sich die Teams von Anfang an agil organisieren. Sie arbeiten in „Sprints“, um im Tempo zu bleiben und das Momentum nicht zu verlieren.
Für die Zusammenarbeit stellt Byton Tools zur Verfügung. Vor allem die Arbeit mit Virtual-Reality-Brillen im Design sei ein großer Vorteil, wenn sich die Kalifornier morgens anschauen wollen, was die Münchner zuvor entwickelt haben. Eine App sorgt zudem dafür, dass alle stets auf dem neuesten Stand sind.
Beim Thema agiles Arbeiten nimmt die Bosch-Tochter Bosch Engineering (BEG) eine Vorreiterrolle innerhalb des Konzerns ein. Am Standort Abstatt südlich von Heilbronn werden unter anderem Fahrerassistenzsysteme entwickelt.
„Wir probieren viele Dinge aus und sind dabei, den für uns besten Weg zu finden“, beschreibt das Bosch-Haus die Arbeitsweise. Die Engineering-Firma nutzt agile Methoden aber noch nicht flächendeckend, sondern an den Stellen, an denen sie sich auch einen Mehrwert verspricht. Dabei orientiert sich Bosch Engineering an Konzepten wie Scrum, Design Thinking und Lean Start-up. DieMethoden sind projektbezogen an die jeweiligen Bedingungen angepasst. Bei BEG heißt es: „Wir sind der Meinung, dass es dafür keine Standardlösung gibt.“
Daimlers Innovationsschmiede Lab1886 ist eine Brutstätte für neue Geschäftsmodelle, die entlang der vier Grundsäulen der Konzernstrategie CASE entwickelt werden. Im Zentrum steht die Mobilität der Zukunft – von elektrisch bis autonom. 2007 als Geschäftseinheit Business Innovation gegründet, hat das Lab1886 inzwischen Standorte in Stuttgart, Berlin, Peking und Atlanta. „So schaffen wir einen
neuen Raum, in dem unsere internen Vordenker, Fachbereiche und Business Units in einem hohen Umsetzungstempo erstklassige Innovationen hervorbringen können“, sagt
Lab1886-Chefin Susanne Hahn.
Schnelligkeit ist für das Geodaten-Unternehmen TomTom immens wichtig. Der Navigationsspezialist, zu dessen Wettbewerbern Google und Here zählen, verwendet dafür eine Reihe agiler Methoden und Prozesse. Die Softwareentwickler arbeiten im Scrum-Framework und liefern mehrere Iterationen im Rahmen von agilen Projekten binnen vorher festgelegten Zeitspannen von wenigen Wochen. In einigen Entwicklerteams arbeitet TomTom auch mit XP-Framework (Extreme Programming). „Wir sehen diesen Prozess als entscheidend für unsere eigene Innovationskultur“, heißt es beiTomTom.
Die agilen Methoden beschränken sich allerdings nicht nur auf die Entwicklerteams. Im Bereich Marketing und in der Produktentwicklung wird die Technik des Growth Hacking angewendet, die ursprünglich von Start-ups entwickelt worden ist.
Die Lasertechnologiefirma Trumpf gilt als Paradebeispiel eines innovativen Familienunternehmens. Um die Führungsrolle zu behaupten, hat Trumpf neue Arbeitsformen eingeführt, die die Entwicklungszeiten verkürzen. So hat Trumpf das agile Arbeiten in die Firmen-DNA implantiert. „Es gilt,flexibel zu sein, um schnell liefern zu können, sonst geht der Kunde zum nächsten Anbieter“, heißt es bei Trumpf.
Bestandteil des agilen Arbeitens ist der „Sprint“. Eine Gruppe definiert ein Ziel, das innerhalb von drei Wochen erreicht werden soll. Idealerweise sollte täglich auf dem kurzen Dienstweg über die Fortschritte des Projekts berichtet werden. „Zum Ende eines Sprints gibt es dann die sogenannte Demonstration, damit alle wieder auf dem gleichen Stand sind“, so Philipp Nieding, Projektleiter in der Entwicklung. Dann werden wieder drei Wochen geplant. Der größte Vorteil der Methode: Transparenz.
Als 2014 das Allianz Automotive Innovation Center (AIC) gegründet wurde, war den Machern klar: Wir braucheneine neue Art des Arbeitens in dieser Einheit. Mehr Freiheit, mehr Kreativität, schnellere Prozesse. In Versicherungskonzernen ist üblicherweise alles durchdekliniert, strukturiert, hoch funktional. Doch mit dem Aufkommen neuer Mobilitätsformen stand auch intern eine Transformation an.Seitdem wird von der Führungsriege bis in die Teams hinein agil gearbeitet. Zu Anfang der Woche und zum Ende berichtet jeder, wo er steht und was er vorhat, das bringt Tempo in die Projekte. Vieles wird visualisiert, was sonst inE-Mails untergeht. „Die Mitarbeiter müssen mitmachen, offen sein. Wir agieren inzwischen in viel bunteren Teams“, sagt AIC-Leiter Martin Hoff. Jeder sei zwar immer noch Spezialist und Experte. „Man scheut sich aber nicht mehr, sich in alle Richtungenauszutauschen.“
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