Herr Duesmann, Sie entwickeln Ihr eigenes Betriebssystem VW.OS, Mercedes-Benz plant dasselbe mit MB.OS. Ist es wirklich sinnvoll, wenn jeder Hersteller sein eigenes Betriebssystem schafft?
Für uns ist das der richtige Weg. Wir sind als Volkswagen-Konzern groß genug, um das etablieren zu können – vielleicht auch für den gesamten Markt. Ich gehe davon aus, dass sich die Zahl der Betriebssysteme irgendwann wieder konsolidieren wird. Und eines der Betriebssysteme, die sich durchsetzen, soll dann unseres sein.
Das sie dann auch für andere Hersteller öffnen?
Das müssen wir zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Wir konzentrieren uns erst einmal auf uns selbst.
Warum nehmen Sie nicht einfach die Software von Google?
Wir haben die Grundsatzentscheidung getroffen, dass wir das selbst machen. Denn wir wollen die Schnittstelle zu unseren Kunden selbst bestimmen. Das wollen wir nicht aus der Hand geben. Die Software spielt künftig DIE entscheidende Rolle im Auto. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir dieses Know-how selbst haben müssen.
Beim ID.3 gilt die Software aber nicht gerade als Ruhmesblatt.
Wenn Sie etwas völlig Neues machen wie beim ID.3, kann es am Anfang immer mal etwas ruckeln. Hinzu kamen weitere Herausforderungen durch den weltweiten Corona-Lockdown. Mit dieser Komplexität haben alle Automobilhersteller zu kämpfen. Das beweist eher, wie wichtig es ist, alle Kräfte zu bündeln. Und genau das tun wir jetzt in der Car.Software Organisation. Aber der ID.3 ist jetzt auf dem Markt – und ein tolles Auto.
Wie wollen Sie bei dem Thema den Rückstand gegenüber den Software-Riesen aus den USA aufholen?
Bis Ende des Jahres werden rund 5000 Mitarbeiter in der Car.Software Organisation zusammenarbeiten. Das ist dann eine sehr schlagkräftige Truppe. Und zusätzlich holen wir uns noch weitere Expertise, wie gerade durch den Zukauf der Bildverarbeitung von Hella. Bildverarbeitung ist für uns ein Thema, bei dem wir mehr Know-how brauchen. Da haben wir mit Hella jetzt eine gute Lösung gefunden und uns das Wissen zugekauft, wie wir das an verschiedenen Stellen tun.
Mit dem Artemis-Projekt wollen Sie dann bis 2024 ein völlig neues Fahrzeug entwickeln. Was wird es alles können?
Das ist ein Projekt, in dem wir beschleunigt verschiedene Technologien auf den Markt bringen werden, um 2024 ein technisch führendes Produkt anbieten zu können – bei der Digitalisierung, beim automatisierten Fahren und natürlich auch beim elektrischen Antrieb. Dafür entwickelt die Car.Software Organisation eine komplett neue Bordnetzarchitektur, die dann im gesamten Konzern zum Einsatz kommen wird. Auch unser neues Betriebssystem VW.OS wird dort erstmals zum Einsatz kommen und dann konzernweit ausgerollt.
Wird das Auto dann auch autonom fahren nach Level 3? Beim A8 hatten Sie die Funktion ja schon 2017 vorgesehen, dann aber nie freigeschaltet.
Beim A8 haben wir entschieden, das aus Gründen unserer eigenen Qualitäts- und Sicherheitsansprüche nicht anzubieten. Unsere Planung ist jedoch, dann mit Artemis einen Schritt weiterzugehen, wenn es die Gesetzgebung erlaubt.
Und bis dahin bleibt es bei Level 2?
Wir arbeiten fortlaufend an Verbesserungen. Mit jedem neuen Fahrzeug verfeinern wir das System – auf Basis der Sensorik, die heute schon an Bord ist. Da wird es im Bereich des assistierten Fahrens noch einige spannende Zwischen-Schritte geben.
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