Martin Stemmler, Senior Client Partner Automotive der Personalberatung Korn Ferry, hältdie Autobranche keineswegs für rückschrittlich. Die Hersteller packten die Transformation an. Und ihr Tun hat auch einen gesellschaftlichen Nutzen.
Herr Stemmler, die Autoindustrie steht im Feuer. Warum sollten Talente noch in die Branche wechseln?
Die Autobranche ist und bleibt die deutsche Schlüsselindustrie. Der Know-how-Vorsprung bei Entwicklung, Produktion und Qualität ist groß. Gleichzeitig weiß die Industrie: Sehr tief gehende Änderungen stehen bevor – vom Automobilproduzenten zum Mobilitätsanbieter. Wer eine solch globale und gesellschaftlich relevante Veränderung selbst mitgestalten möchte, ist in der Autoindustrie genau richtig.
In der Öffentlichkeit wird es vielfach so dargestellt, als hätte die Autobranche wichtige Trends verschlafen.
Auch wenn das öffentlich anders dargestellt wird: Der Professionalisierungsgrad der Autoindustrie war und ist sehr hoch. Schon vielfach war diese Industrie Vorreiter für modernes und effizientes Management. Nehmen Sie nur Themen wie globale Fertigung und Supply-Chain-Management. Andere Industrien haben da häufig abgeschaut.
Wie bewerten Sie das Image derBranche? Was sagen Ihnen Anwärter, die in anderen Industrien tätig sind?
Man braucht nicht drum herumreden: Das Image hat in den vergangenen Jahren gelitten. Gleichzeitig sehe ich aber, dass der Automobilindustrie auchvieles angehängt wird, das ich im Alltag nicht erkennen kann. Nehmen Sie allein die undifferenzierte Betrachtung der Diesel-Diskussion. DieHerausforderungen der Kommunen und der nachgewiesene Diesel-Betrug werden pausenlos vermischt. Auch kann ich keine Rückschrittlichkeit erkennen. Alle Autohersteller haben organisatorisch und strukturell noch einmal große Schritte nach vorn gemacht.
Die Unsicherheit in der Branche aber bleibt. Wer kann prognostizieren, was da kommt?
Genau kann das niemand prognostizieren. Wie in anderen Branchen auch. Dass sich grundlegende Dinge verändern, haben alle deutschen Autohersteller erkannt. Sie arbeiten daran, agiler zuwerden und kurzfristiger auf die Herausforderungen der Transformation zu reagieren. Aufpassen müssen Zulieferer, die spezifische Komponenten herstellen, die vielleicht in fünf bis zehn Jahren nicht mehr benötigt werden.
Sind die deutschen Universitäten schnell genug, um auf die Transformation der Branche einzugehen?
Im Maschinenbau sehe ich kein Problem. Was wir weniger ausgeprägt haben als die USA, sind Spezialisten für Cybersicherheit, Spezialisten für angewandte künstliche Intelligenz und IT sowie Absolventen technischer Fachrichtungen, die auch unternehmerisches Wissen mitbringen. Da können und müssen sich unsere Universitäten noch einiges aus Übersee abschauen.
Jeder redet von „Purpose“, vom Sinn des Tuns. Wie äußert sich der in derAutobranche?
Mobilität wird in der Welt der Zukunft immer wichtiger. Mobilität zu ermöglichen ist ein Dienst an der Gesellschaft. Das hat die Industrie verstanden.
Das Interview führte Burkhard Riering
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