All das hat nichts genutzt. Wenn die Verhandlungen nicht doch wieder aufgenommen werden, bleibt das Renault-Hauptquartier in Boulogne-Billancourt wohl auch künftig nur Sitz des französischen Autobauers und wird nicht der des weltweit drittgrößten Autokonzerns. In der Seine-Schleife kurz vor Paris baute Louis Renault 1898 mit sechs Arbeitern seine ersten Autos. Auf der Seine-Insel Ile Seguin stand bis 2005 das legendäre Renault-Werk, Schauplatz vieler sozialer Auseinandersetzungen.
Das FCA-Angebot vom 27. Mai hatte die Branche kalt erwischt. Ein deutscher Fiat-Händler, der seinen Namen nicht lesen möchte, kritisiert die Informationspolitik des Konzerns. "Wir sind nicht involviert. Das wenige, das wir wissen, ist das, was in der Zeitung steht", sagte er nach Bekanntwerden der Offerte. Grundsätzlich sah der Händler einer Fusion aber gelassen entgegen: "Wenn Fiat und Renault zusammengehen, wird es sicher weiterhin eine Linie Fiat und eine Linie Renault geben – das war ja bei Opel und PSA auch nicht anders."
Michael Weiss, Geschäftsführer des Autohauses Weiss in Landau, erhoffte sich "wieder eine breitere Modellpalette". Fiat Chrysler habe in den vergangenen Jahren zu wenig investiert. Auch Peter Jakob, Vorsitzender des Händlerverbands von Alfa Romeo und Jeep, setzte auf "gute Produkte und einen ebenso guten Vertrieb, damit meine Kolleginnen und Kollegen endlich wieder Geld verdienen. Es kann nicht schlechter werden, und ich freue mich deshalb auf jede Veränderung." Diese Hoffnung wird nun enttäuscht.
Beim Zulieferer ElringKlinger hatte man die Hochzeitspläne ebenfalls positiv bewertet. Es sei "sicherlich sinnvoll, Kräfte zu bündeln", sagte Unternehmenschef Stefan Wolf der Automobilwoche. Der Zulieferer hatte erwartet, sich nach einem Zusammenschluss von FCA und Renault bei neuen Technologien wie der Brennstoffzelle und Batterien für Elektroautos ins Spiel bringen zu können. Nun bleibt alles beim Alten. Geschäft mit FCA bei batteriebetriebenen E-Autos oder gar mit der Brennstoffzelle ist für die Zulieferer so schnell nicht zu erwarten.
Die Fusion wäre ohnehin kein Selbstläufer geworden. "Die Frage der Unternehmensführung ist sehr komplex und kaum zu lösen", sagt Giuseppe Berta, FCA-Experte und Professor der renommierten Mailänder Bocconi-Universität. Aus seiner Sicht sind beide Unternehmen in einer schwierigen Position, weil sie innerhalb kurzer Zeit ihre so prägenden Firmenchefs verloren haben.
FCA-Boss Sergio Marchionne starb im Juli 2018, ohne seine Mission beendet zu haben. Über Jahre hinweg war er auf Partnersuche für sein Unternehmen. Elkann hoffte nun auf ein Happy End und die Chance, Marchionnes Mission erfüllen zu können. Renault-Chef und Nissan-Präsident Carlos Ghosn wurde Ende 2018 in Japan verhaftet. Ihm werden Verstoß gegen Börsenregeln und persönliche Bereicherung vorgeworfen. Ghosn wollte den wesentlich größeren Partner mit Renault verschmelzen. Dagegen wehrte sich Nissan. Seither ist die Beziehung sehr angespannt.
Ohne Nissan-Mitsubishi wäre die Fusion für beide Partner nur halb so interessant gewesen. Sowohl der französische Staat als auch FCA wollten die Japaner deshalb von Anfang an in das Projekt einbeziehen. Diese haben Zugang zum Wachstumsmarkt Asien. Dort spielt FCA praktisch keine Rolle. Gemeinsam mit Nissan-Mitsubishi wäre nach der italoamerikanisch-französischen Hochzeit der größte Automobilkonzern der Welt entstanden – mit 15,6 Millionen Verkäufen weit vor VW oder Toyota. Und dies relativ gleichmäßig verteilt auf Asien, Europa und Amerika.
FCA steht nur auf eineinhalb Beinen und hat seinen Schwerpunkt mit den Marken Jeep und Ram in Nordamerika, wo mehr als zwei Drittel des Umsatzes und 90 Prozent des Gewinns erzielt werden. In Europa verliert FCA massiv Marktanteile, schreibt rote Zahlen und hat große Überkapazitäten.