"Ich finde die Idee einer autofreien Stadt erstrebenswert", so kürzlich BMW-Chef Oliver Zipse. Er selbst fahre privat nach Möglichkeit U-Bahn. Das hilft sicher den Visionären der autofreien Stadt. Es erinnert aber auch an die Strategie von Philip Morris. Denn der größte Zigarettenhersteller kannibalisiert sich seit Jahren selbst, mit kalkulierbarem Risiko fürs eigene Geschäft. Erst im Herbst startete der US-Konzern die große Medienkampagne "Unsmoke". Bei BMW würde das dann "Unauto" heißen oder vielleicht besser "Freude am Nicht-Fahren". Das Kalkül, das hinter den Slogans steht, wäre das gleiche. Denn mit dem Rauchen aufzuhören ist nicht minder herausfordernd wie urbane Zentren autofrei zu bekommen.
Fast alle Städte kommen derzeit über den experimentellen Ansatz nicht hinaus. Das jüngste Beispiel kommt aus Augsburg. Die Fuggerstädter Presse schwärmt, als hätte der FCA die Champions League gewonnen. Bundesweit stimmen die Medien ähnliche Töne an. Von Verkehrswende in Augsburg ist da die Rede, von einem Modell für ganz Deutschland. Nur weil der Bürger seit dem 1. Januar im fußläufigen Bereich des Zentrums mit Bus und Straßenbahn kostenlos bis zur nächsten Haltestelle fahren kann. Das ist zwar exzellente klimapolitische PR. Aber autofrei wird Augsburg dadurch nicht. Denn das Gros der Parkplatzsuche verlagert sich nur im Stadtbereich.
Das Problem in den Städten sind die Pendler. Allein in München sind das jeden Werktag mehr als 350.000 Autos. Wenn die Oberen der Stadt den Umstieg wirklich wollten, gäbe es den ganzheitliche Ansatz: kostenlose Parkflächen im Außenbereich und kostenlosen, flächendeckenden Nahverkehr. Beträchtliche 860.000 Euro im Jahr soll die Stadt Augsburg die City-Zone kosten. Ein konsequentes Gesamtpaket würde folglich jeden Stadtsäckel sprengen. Das weiß natürlich auch Oliver Zipse, wenn er München den schwarzen Peter zuschiebt. Er selbst und BMW können mit den drei G, die hinter seiner Aussage stehen, nur gewinnen: Wir sind Good Corporate Citizens, es gefällt Greta und es kostet kein Geld.
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