Es ist eine grundlegende unternehmerische Aufgabe, gesellschaftlichen und technologischen Wandel rechtzeitig zu verstehen und daraus die Konsequenzen für das eigene Unternehmen abzuleiten. Wir stehen bei „Industrie 4.0“ tatsächlich vor einer umfassenden Disruption in der Industrie. Manche Unternehmer sehen diesen Prozess aber eher als Bedrohung denn als Chance an. Sie zögern bei der Einführung neuer Technologien und entwickeln keine neuen Strategien. Das hielte ich für fatal. Denn mit der Digitalisierung wird der Faktor Zeit immer entscheidender. Noch haben wir in Deutschland die Chance, hier ganz vorne mitzuspielen.
"Die Chancen von Industrie 4.0 ergreifen statt zögern"
Das Internet der Dinge eröffnet ganz neue Prozesse und Geschäftsfelder, die wir vorher nicht einmal erahnt hatten. Wir haben die Chance, auf höchst individuelle Kundenwünsche einzugehen - bis hin zur Losgröße eins. Produktion und Logistik können effizienter gestaltet werden als jemals zuvor. Innovationen können zielgerichteter und schneller entwickelt werden, es bieten sich enorme Chancen für neue, produktbezogene Dienstleistungen. Und wir eröffnen mit „Industrie 4.0“ ganz neue Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung.
Eindeutig Vorreiter. In der Autoindustrie haben wir einen großen Vorteil: Keine andere Branche ist bereits jetzt so vernetzt wie wir, und zwar auf globaler Ebene. Auch fast alle unserer Lieferanten sind in dieses Netzwerk eingebunden. Wir verfügen bereits über viele Werkzeuge von „Industrie 4.0“, die sich andere Branchen erst noch erarbeiten müssen.
Das glaube ich nicht. Wir Mittelständler rechnen eben nur jede Investition genau durch - und investieren zum richtigen Zeitpunkt.
Das ist eine Herausforderung - die aber gemeistert werden kann. Ich habe als Student meine Klausuren noch noch mit dem Rechenschieber gelöst - und arbeite heute mit Computer und Smartphone. Genauso kann ein Dreher mit dem iPad umgehen, auch wenn er schon 50 Jahre alt ist. Bisher hat die deutsche Industrie noch bei jedem Technologiesprung ihre Mitarbeiter mitgenommen.
Bildung, Bildung, Bildung. Die Arbeitsplätze werden intelligenter, darüber besteht auch mit den Gewerkschaften Konsens. Letztlich muss auch die Schulen ein Reformschub erfassen. Es kann nicht sein, dass die Schüler ihren Lehrern zeigen müssen, wie man ein Smartphone bedient. An den meisten Schulen fehlt auch eine zeitgemäße IT-Infrastruktur.
Unser vielgegliedertes Duales Ausbildungssystem ist ideal, um auf die Arbeitswelt von morgen vorzubereiten - das sieht man gerade in Umbruchphasen wie zur Zeit. Allerdings müssen die Ausbildungssysteme sich schneller an die Veränderungen der Informationsgesellschaft anpassen, nicht nur an den Schulen. Bei den Berufsbildern etwa sollten die Kammern darauf achten, dass die Ausbildungspläne schneller zeitgemäß reformiert werden.
Viele Mitarbeiter befürchten, dass sie im Verlauf der „Industrie 4.0“-Prozesse ausrangiert werden.Ich denke schon, dass am Ende netto mehr Menschen beschäftigt werden. Das hängt aber davon ab, wie jetzt die Weichen gestellt werden. Die Arbeit wird intelligenter, schneller, leichter und weniger schmutzig. Natürlich wird es immer einfache Arbeitsplätze geben, das ist eine Frage von Kosten und Erträgen. Aber diese Jobs werden eindeutig weniger.
Ich denke, dass wir jetzt in eine Phase der Arbeit eintreten, die eine noch nie dagewesene Selbstbestimmung und Flexibilität der Arbeit ermöglicht. Wir werden lebensphasenbezogene Arbeitszeitmodelle sehen, die eine deutlich bessere Anpassung der Anforderungen von Familie und Beruf ermöglichen. Es wird mehr Heimarbeit geben. Es wird viel einfacher, sich Auszeiten für die Fortbildung, für die Kinderbetreuung oder auch für Sabbat-Phasen zu nehmen. Eine Ausnahme bleibt aber der Schichtdienst, den es noch in einigen Bereichen weiterhin geben wird.
Letztlich münden all diese neuen Arbeitszeitmodelle in eine Zunahme der Vertrauensarbeitszeit - die Mitarbeiter werden immer seltener stempeln und immer häufiger selber entscheiden, wann sie ihre Aufgaben erledigen. Es wird auch verstärkt Entgeltmodelle für Bereitschaftsdienste geben müssen. Die Herausforderung liegt darin, für ein gleichmäßiges monatliches Einkommen zu sorgen bei ungleichmäßigen Arbeitszeiten.