München. Von Frauenförderung, Quoten, Teilzeitmodellen und Betriebskindergärten weiß Anja Kleyboldt wenig zu berichten. Umso mehr von effizienter Produktion, Lieferketten und Logistik. Die Diplom-Ingenieurin leitete bis vor wenigen Wochen das Opel-Werk in Kaiserslautern. Jetzt ist sie in Rüsselsheim für die Logistik des Autobauers verantwortlich. Kleyboldt, verheiratet und Mutter einer Tochter, gehört zu den 50 "Top-Frauen der Autobranche“, die Automobilwoche in dieser Ausgabe vorstellt. Sie haben auch ohne Frauenquote Karriere gemacht. Über die Gründe, warum Anja Kleyboldt und ihre Kolleginnen in den Führungsetagen von Autoherstellern, Händlern und Zulieferern noch immer so große Ausnahmen sind, wissen wir noch zu wenig.
In der Forderung der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nach einer Frauenquote in Führungspositionen schwingt der Vorwurf mit, Frauen stießen in den Konzernen an die "gläserne Decke“, die das vorwiegend männliche Führungspersonal vor zu viel weiblicher Konkurrenz schützen soll. Das Redaktionsteam der Automobilwoche konnte dergleichen nicht belegen. Und bis auf die Statistik, wonach nur 3,7 Prozent der Vorstände in DAX-Konzernen Frauen sind, hat auch die Ministerin wenig zu bieten.
Die Forderung von der Leyens ist damit ein Beispiel, auf welch schwacher Faktenlage in diesem Land Gesetze gemacht werden. Da können wir der Ministerin mit ein paar hilfreichen Daten aushelfen: Als Anja Kleyboldt Maschinenbau studiert hat, war sie nach eigenem Bekunden in ihrem Semester die einzige Frau. Und daran hat sich in über 20 Jahren wenig geändert: Derzeit sind gerade mal sechs Prozent der Studierenden in Ingenieurwissenschaften Frauen. Bei den Ausbildungsberufen ist es ähnlich: In der Rangliste der bei jungen Frauen beliebtesten Ausbildungsgänge kommt der erste technische Beruf auf Rang 45: Technische Zeichnerin. Der technikgetriebenen Autobranche entgeht so ein riesiges Potenzial an Fach- und Führungskräften. Das zu ändern, indem schon in Kindergärten und Schulen junge Menschen beiderlei Geschlechts für Technik begeistert werden, wäre eine treffliche Aufgabe für eine Arbeits- oder Familienministerin. Doch damit kommt man nicht in die Tagesschau. Es drängt sich der Eindruck auf: Die einzige Frauen-Karriere, die Frau von der Leyen fördern will, ist ihre eigene.