Mit der Ankündigung, beim Onlinevertrieb Tempo zu machen, verstärkt die Marke VW einen Trend. Auch Audi, Volvo, Mercedes-Benz, Lexus, Dacia oder Hyundai bauen ihren eigenen Vertriebskanal im Netz aus – und das nicht nur wegen der Corona-Verwerfungen.
Die Hersteller wollen das Geschäft in diesem Wachstumsfeld nicht den Online-Start-ups überlassen. Dass deren Geschäftsmodell erfolgreich ist, zeigt das Beispiel der Gebrauchtwagenbörsen. Seit mindestens einem Jahrzehnt sind Online-Anbieter – weitgehend unbehelligt von den Herstellern – dort erfolgreich. Nun wird das Neuwagengeschäft zum umkämpften Gebiet. Doch diesmal wollen die Autobauer den Eindringlingen nicht einfach das Feld überlassen.
Marktführer VW kündigte bereits für diesen Sommer an, den kompletten Kaufprozess der ID-Familie ins Netz zu verlegen und so als einer der ersten Hersteller hierzulande den Kauf voll ständig online anzubieten. Gleichzeitig startet VW gemeinsam mit den Händlern einen Online-Marktplatz für Lagerwagen und Gebrauchte.
Klaus Zellmer, Vertriebschef von Volkswagen Pkw, sieht die unabhängigen Neuwagenplattformen als Ergänzung zu den eigenen Aktivitäten im Netz. Sie seien "schon heute ein Kanal für unseren Handel, um Kunden zu erreichen, die neue Vertriebswege und Onlinekauf wünschen. Wir werden jetzt einen Kanal ergänzen." Doch ganz so entspannt und friedlich, wie das klingt, dürfte VW die Online-Konkurrenz nicht sehen. Und setzt deshalb vor allem auf Mehrwerte, die herstellerunabhängige Plattformen nicht bieten können. Dazu gehört die Einbindung hauseigener Finanzdienstleistungen mit aggressiver Preispolitik. "Das finden Sie so zur direkten Abwicklung online end-to-end bei keiner anderen Plattform", sagt Zellmer. Das gebe es nur im stationären VW-Handel – "und online bei uns".
Ein Absatzziel für den Onlinevertrieb nennt der VW-Manager nicht. Man werde die Kunden entscheiden lassen. "Daher ist der Online-Anteil für uns kein explizit ausgewiesenes Ziel." Alle VW-Konzernmarken in einem gemeinsamen Onlineshop anzubieten, hält er für wenig sinnvoll. Die Kunden stiegen meist über den Onlinekanal der bevorzugten Marke in die Konfiguration des gewünschten Neuwagens ein. Daher wolle VW auch künftig "mit trennscharfen Marken" im Wettbewerb agieren.
Bisher gibt es von den Herstellern vor allem Ankündigungen. Die Start-ups setzen derzeit noch auf ihren Vorsprung durch Flexibilität – als Gegenpol zu den Herstellern, die es sich mit ihren Händlern und Partnern nicht verscherzen können. Hersteller und Handel müssten zunächst beweisen, dass sie den Onlinevertrieb beherrschen. Das sagt selbstbewusst Philipp Sayler von Amende von der Onlineplattform Carwow. Bislang profitierten Start-ups davon, "dass Hersteller und Händler hier weit hinterher sind". Als größten Mehrwert der Neuwagenportale nennt Sayler von Amende "eine erste unbeeinflusste Beratung im Vorfeld des Kaufs und eine unabhängige Vergleichbarkeit". Beides könnten weder Hersteller noch Händler bieten.