München. Nokia braucht Geld – genau genommen 16 Milliarden Euro für die Übernahme des US französischen Konkurrenten Alcatel-Lucent. Ein Teil der Summe soll aus dem Verkauf der Nokia-Tochter Here kommen, deren Buch wert sich derzeit auf zwei Milliarden Euro beläuft. Doch der Kartendienstleister Here ist gefragt wie nie. 55 Prozent macht mittlerweile sein Automobilgeschäft aus – 2010 waren es noch 35 Prozent. Apple, Facebook oder Uber sind nur einige Interessenten. Auch ein Konsortium der Hersteller BMW, Daimler und Audi soll Interesse haben – und baut Druck auf: Unbestätigten Informationen zufolge wollen die drei künftig?auf andere Karten?setzen, wenn Here nicht?an sie veräußert wird.
„Die Lage ist prekär“, sagt Thilo Koslowski, Leiter Automotive beim IT-Marktforschungsinstitut Gartner. Die Nokia-Führung habe die Entwicklung des Kartengeschäfts in der Hand, das als Treiber für das autonome Fahren und lokale Businessmodelle gilt, so der Analyst. Dabei ist der Kartenmarkt übersichtlich. Navteq ging 2007 in Nokia Here auf und aus Teleatlas wurde TomTom. Google bietet ähnliche Dienste – aber Autobau er sind vorsichtig bei dem Internetriesen. Zudem fragt Koslowski, ob es für Unternehmen wie Facebook nicht ausreiche, nur ausgewählte Kartendienste zuzukaufen – oder selbst eigene Karten zu generieren, anstatt Here zu übernehmen.
Es spricht vieles dafür, dass die Hersteller den Zuschlag für Here bekommen. Wohl auch, weil sich Nokia seiner Verantwortung für die Industrie und für die weltweit rund 6000 Here-Mitarbeiter bewusst ist, so ein Insider. Neu an dem angedachten Konsortium wäre, dass die Hersteller einen Teil ihrer Wertschöpfungskette selbst kaufen und führen müssten. „Dabei gilt es, die Neutralität, mit der sich Nokia bisher bewegt hat, zu wahren. Das würde nicht leicht werden“, so Koslowski. Zudem gibt es noch eine Reihe anderer Here-Kunden in der Autoindustrie, die weiterhin bedient werden wollen.?
Der niederländische Kartenkonkurrent TomTom betrachtet von außen das Gerangel um Here und könnte von einem Scheitern der Übernahme durch die Hersteller profitieren. „Freuen würde uns das natürlich“, so ein Sprecher.