Herr Hück, die Gewerkschaft IG Metall fürchtet, dass E-Mobilität viele Jobs kosten könnte. Gibt es ein Szenario für Porsche?
In den 90er Jahren herrschte eine große Angst vor den Japanern, als die ihre Fabriken mit Robotern ausstatteten. Das Horrorszenario der menschenleeren Fabrik machte die Runde. Es hat sich gezeigt, dass wir die Technologie gebraucht haben und trotzdem enorm viele neue Jobs schaffen konnten. So wird es auch bei der E-Mobilität sein. Die neuen Stellen werden andere Anforderungsprofile haben. Der Arbeiter im Rohbau wird sich mit Leichtbaukarossen auskennen, der Motorenbauer Batteriespezialist sein. Aber wenn sich alle geschickt anstellen, dann bin ich mir sicher, dass wir die Belegschaft mindestens halten können. Wahrscheinlich werden es durch neue Innovationen sogar noch mehr Beschäftigte bei Porsche werden.
Die Sorge ist also unbegründet?
Es nützt ja nichts, wenn der Hufschmied Angst bekommt, nur weil er ein Fahrrad sieht. Davon lässt sich eine Technologie nicht aufhalten. Hersteller mit einer hohen Fertigungstiefe werden es nicht so einfach haben wie Hersteller mit einer geringen Fertigungstiefe wie wir sie haben. Heute ist die Kunst, zur richtigen Zeit richtig zu investieren. Ein Unternehmen sollte sich Kompetenzen im Leichtbau oder bei der Batterie aneignen. Klar ist aber auch, der Verbrennungsmotor wird so schnell nicht aussterben.
Aber womöglich schneller als noch vor einigen Jahren gedacht.
Ich gehe davon aus, dass wir Diesel und Benziner mindestens noch zehn bis 15 Jahre haben werden. Es wird große regionale Unterschiede geben. China wird bei den reinen Elektroantrieben sicher eine Vorreiterrolle übernehmen. Dort ist es angesichts der Umweltbelastungen schlicht eine Überlebensfrage. Auch die westlichen Länder von USA bis Europa mit ihren belasteten Metropolen werden schnell folgen. In Indien, Afrika oder dem Nahen Osten wird es dagegen sicher noch sehr viel länger dauern, bis sich Elektromobilität durchsetzt. Dort gibt es auch noch keine entsprechende Infrastruktur.
Aber wie lange lohnt sich die Entwicklung neuer Verbrennungsmotoren noch?
Ich will es mal so formulieren: Wenn Sie in einem Haus wohnen und an einen Umzug in ein neues Haus denken, werden Sie trotzdem so viel investieren, dass es nicht reinregnet. Die Frage ist aber, ob dann noch mal eine Kernsanierung sinnvoll ist. Klar ist, dass wir mit unseren Verbrennungsmotoren die neuen Technologien finanzieren. Wenn Sie also im alten Haus eine gut laufende Bäckerei haben, sollten Sie Brötchen verkaufen, bis das neue Haus fertig ist. Es wäre ein Fehler, diese zu früh zu schließen und verlottern zu lassen.
Sie setzen stark auf den Plug-In als Übergang. Ist das sinnvoll?
Ich gehe davon aus, dass in spätestens acht Jahren beispielsweise in Europa die Mehrheit aller neuen Fahrzeuge als Plug-In auf den Markt kommen, weil man sonst gar nicht mehr in die großen Städte reinkommt. Der Plug-In ist die ideale Lösung, weil er die Reichweitenangst nimmt und lokal emissionsfreie Fahrten ermöglicht, solange die Infrastruktur für die Elektromobilität noch nicht da ist. Und er erlaubt es, unsere Hochleistungsautos umweltfreundlicher zu machen, so lange die Kosten für ein Auto mit reinem Elektroantriebs noch nicht wettbewerbsfähig sind. Von unserer Erfahrung auf diesem Gebiet profitieren übrigens auch andere Marken im Konzern.
Wird auch ein 911er mal rein elektrisch fahren?
Wir können es nicht verhindern. Das wird kommen. Wann genau, möchte ich aber offen lassen. Auch zu anderen Modellen gibt es schon sehr gute Ideen, über die dann unser Vorstandschef Oliver Blume zu gegebener Zeit berichten wird. Der Mission E ist nur der Anfang der Elektrifizierung bei Porsche.
Um die Elektrostrategie zu komplettieren, fehlt aus Ihrer Sicht aber noch eine Batteriezellproduktion, oder?
Ganz klar, was nützt Ihnen der beste Sattel, wenn Sie kein Pferd dazu haben. Der Sattel ist für mich die Batterie, die Zellen aber sind das Pferd.
Aber wenn die günstigsten und besten Pferde derzeit aus Asien kommen, warum dann hier eine Zucht starten?
Ich sehe hier die Gefahr einer Abhängigkeit. Wenn die Asiaten alle Pferde haben, können diese auch entscheiden, wie teuer diese verkauft werden. Wenn die Verbrennungsmotoren irgendwann nicht mehr da sind, haben wir ein Problem. Wer sich nicht an neue Technologien anpasst, dem wird es einst ergehen wie dem Filmproduzenten Kodak. Das Unternehmen hat aus der analogen Dunkelkammer heraus die Zukunft und die Digitalisierung nicht gesehen und ist vom Markt verschwunden. Diese Gefahr sehe ich auch bei der Batteriezelle.
Aber brauche ich dafür nicht zumindest eine neue, schnelle Pferderasse?
Sie müssen erst mal Pferde haben, um diese kreuzen zu können. Wir haben uns entfernt von den Batteriezellen, deshalb sind uns die Asiaten hier meilenweit voraus. Weil bei uns nur über Kosten und Wirtschaftlichkeit gesprochen wird, findet am Ende die Zukunft in Asien statt, wenn wir nicht höllisch aufpassen und ganz schnell umsteuern. Aber um bei der Technologie an die Spitze zu kommen, muss ich diese zunächst verstehen. Dafür brauchen wir eine Zellfertigung in Deutschland oder Europa.
Der VW-Konzern muss nach dem Diesel-Skandal sparen. Trifft es auch Porsche?
Wir schauen jedes Jahr, ob wir noch wettbewerbsfähig sind. Das ist völlig normal und nichts Besonderes. Wir schauen permanent nach Optimierungen, beispielsweise im Porsche-Verbesserungsprozess. Selbstverständlich helfen wir unserem Mutterkonzern so gut es geht. Und wir überprüfen noch stärker, was bei uns auch wirklich notwendig ist. Einen 911er mit vier Türen nur zum Spaß entwickeln – das wird derzeit sicher niemand tun. Wichtig ist uns aber, dass alle Zukunftsprojekte unberührt bleiben.
Sie haben angeboten, Mitarbeitern aus dem VW-Konzern eine Perspektive zu geben.
Wenn es einem selbst gut geht, muss man helfen, helfen, helfen. So hat Porsche beschlossen, im nächsten Jahr rund 6000 Einheiten vom 718 Cayman in Osnabrück zu produzieren, weil die Auslastung dort sonst nicht gewährleistet wäre. Am Standort Leipzig haben wir 152 Kollegen von VW Sachsen 73 unbefristet und 79 befristet übernommen und hier in Zuffenhausen wollen wir 100 Leiharbeiter von Audi Neckarsulm befristet in der Produktion einstellen.
Wird die Zahl der Mitarbeiter von derzeit 28.000 bis Ende des Jahrzehnts auf über 30.000 steigen?
Das kann gut sein, ist aber Nebensache. Es geht nicht darum, mit viel wenig zu erreichen. Es ist immer besser mit wenig viel zu erreichen. aber der Zeitpunkt ist uns gar nicht wichtig. Wir müssen die Fahrzeuge auf die Straße bringen, die unsere Kunden kaufen wollen. Auch neue Märkte wie China steigern den Absatz. Wenn wir dafür mehr Personal brauchen, dann werden wir dieses einstellen. Viel bedeutender aber ist, dass dieses Wachstum stabil ist und wir die Marke nicht verwässern. Das heißt, immer einen Porsche weniger, als der Markt verlangen würde.
Herr Hück, was machen denn die blauen Flecken? Steigen sie demnächst mal wieder in den Ring?
Was denken Sie denn? Ich kann gar nicht anders. Geboren wurde die Idee schon im November 2015, nach meinem Kampf mit dem Unentschieden gegen Francois Botha in Ludwigsburg. Ich habe damals einen Rückkampf angekündigt. Und ich stehe zu meinem Wort. Ich war erst letzte Woche in Südafrika und Botha und ich wollen am 31. März in Kapstadt im Township für die Kinder unter dem Motto Fighting für Hope gegeneinander boxen. Die Erlöse gehen an soziale Projekte vor Ort. Darüber hinaus hat Porsche in Kooperation mit Don Bosco ein Ausbildungsprojekt gestartet. Insgesamt 75 Jugendliche aus den Townships bekommen in den nächsten drei Jahren eine Chance auf eine Ausbildung. Damit öffnen sich Türen für berufliche Perspektiven bei Porsche selbst und im VW Konzern.
Warum gerade Südafrika?
Das hat mehrere Gründe. Boxen ist dort eine extrem angesehene Sportart, selbst Nelson Mandela hat geboxt. Und Botha ist dort deshalb für viele Menschen ein Vorbild. Gerade in Südafrika ist es wichtig, dass man sich nicht aufgeben darf. Botha und ich wollen den jungen Leuten in den Townships zeigen, auch Ihr könnt aus eurem Leben was machen, wenn ihr es wollt. Unsere Botschaft: Gebt euch nicht auf. Und unter uns, Botha in seiner Heimat zu schlagen ist auch eine schöne Geschichte.
Welche Entscheidungen bei Porsche bleiben für Sie aus dem Jahr 2016 in Erinnerung?
Ich sehe in diesem Jahr, wie andere bei der Elektromobilität und Digitalisierung Gas geben. Wir haben schon vor zwei Jahren den konsequenten Schritt gemacht. Uns war klar, dass diese Zeitenwende zur Elektromobilität am Standort Deutschland vom Arbeitgeber nicht alleine finanzieren werden kann. Also beteiligen wir beim Mission E erstmals alle Arbeitnehmer vom Tarifbeschäftigten bis hin zum Management mit einem geringen Teil ihrer Gehaltserhöhungen bis 2025 an den Investitionen. So war es möglich, diese Technologie ins Hochlohnland Baden-Württemberg zu holen. 2016 haben wir das Programm mit dem Zukunftsbeitrag gestartet. Ab 2021 fließt dann an die Tarifbeschäftigten jährlich bis 2030 ein Zukunftsbaustein zurück – für viele sogar mehr, als eingezahlt wurde.