Herr Diez, Sie bescheinigen den deutschen Herstellern, nicht zukunftsfähig zu sein. Warum so pessimistisch?
Natürlich agieren die deutschen Hersteller, allen voran die Premiummarken, momentan aus einer Position der Stärke. Das zeigen alle Zahlen von Absatz über Marktanteil bis hin zu Imagewerten. Doch der Markt für Mobilität wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verändern.Inwiefern?
Bisher sehen wir einen klassischen Driver-Owner-Markt mit Autokunden, die ihr Fahrzeug kaufen, selber nutzen und selber fahren. Mit dem automatisierten Fahren und dem Aufkommen von Robotaxis und anderen Sharing-Modellen wird die Mobilität vor allem in den Ballungszentren der Welt anders ablaufen. Es wächst eine Generation heran, die ihre Zeit anders nutzen will als für ein stupides Stop-and-Go und für die das Selberfahren daher reine Zeitverschwendung ist.Lassen sich die Zweifel an der deutschen Autoindustrie auch an den schwachen Aktienkursen ablesen?
Unter anderem war dies auch ein Ausgangspunkt für das Buch. Die deutschen Autowerte dümpeln seit Jahren vor sich hin, obwohl die Unternehmen ja einen Rekordgewinne nach dem anderen melden. Das Problem ist, dass die Autoindustrie keine Story mehr hat. Die letzte Erfolgsgeschichte war China, doch diese ist längst erzählt. Der Markt hat sich dort normalisiert, die Phantasie für das Wachstum fehlt. Jetzt ist die Frage, was nachkommt und wer diese Story schreibt.Uber hat vielleicht eine Story, aber noch keinen Cent verdient.
Diese Firmen kommen so gut an, weil sie Plattform-Ökonomie betreiben und damit die Kundenschnittstelle besetzen, ohne Maschinen, Fabriken und sonstige Assets einbringen zu müssen. Alles Geld können sie in die Bekanntheit und Präsenz ihrer Marke im Internet und kundenorientierte Prozesse investieren. Nehmen Sie als Beispiel Amazon. Die Autobauer dagegen müssen einen riesigen Aufwand für Forschung und Entwicklung sowie die Modernisierung ihrer Werke betreiben. Ein großer Teil der Automobilhersteller verdient heute noch nicht einmal seine Kapitalkosten.Wer ist denn gefährlicher: Elektropionier Tesla oder Fahrdienste wie Uber?
Studien besagen, dass der Markt mit Robocabs in Zukunft ein Drittel des Automarkts ausmachen wird. Diese Entwicklung wird vor allem von China getrieben, wo die Menschen offener sind für derartige Technologien. Nicht Europa oder die USA, sondern China wird immer stärker zum Leitmarkt in der Autoindustrie. Die Herausforderung mit den E-Autos werden die deutschen Hersteller schaffen, weil sie im Rahmen ihres traditionellen Geschäftsmodells arbeiten können. Für den Markt für Mobilitätdienstleistungen mit Robocabs haben die deutschen Hersteller vielleicht die Technologie, aber kein wirklich überzeugendes Geschäftsmodell. Bislang hängen sie sich da nur an die US-Player ran. Aber Daimler beispielsweise rühmt sich doch mit einer Vielzahl an Mobilitätsdienstleistungen von Car2go bis Moovel oder Blacklane?Ja, aber da muss man doch mal fragen, wie hoch der Anteil dieser Geschäftsmodelle am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ist. Mit Car2go wird Daimler nie Geld verdienen, wenn nicht die dadurch generierten Daten etwa für Werbung oder sonstige Angebote genutzt werden. Und um die Mobilitätsmarke Moia des Volkswagen-Konzerns ist es sofort nach Verkündigung wieder ruhig geworden. Damit hat man doch im globalen Maßstab keine Chancen gegen Uber, Didi & Co.Was müssen die Hersteller dann tun, um den amerikanischen Tech-Riesen die Stirn zu bieten?
Der Zug ist sicher noch nicht abgefahren. Entscheidend ist die Präsenz beim Kunden, der bei einer Reise von A nach B einem Robocab von Daimler oder BMW mehr vertraut als einem No-Name-Fahrzeug. Wenn man das noch mit einer Premium-Mobilitätsdienstleistung verbindet, hat man eine Chance, sich in diesem Markt zu positionieren. Für diese Marktpräsenz brauche ich aber so viel Geld, dass ich einen solchen Geschäftsbereich unbedingt ausgliedern und an die Börse bringen muss.Reicht die Neuaufstellung von Daimler mit der Stärkung der Divisionen nicht?
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber bisher sind die ganzen Dienste wie Moovel, Car2go, Mytaxi oder Blacklane ja immer noch nicht unter einer Marke gebündelt, sondern gehören zu den Finanzdienstleistungen. Deren Kerngeschäft ist aber, den Verkauf von Autos zu fördern. Bei den Geschäftsmodellen der Zukunft geht es nur noch um Mobilität und Daten, das ist etwas völlig anderes. Wer wird am Ende überleben?Entscheidend wird, ob es den Autoherstellern gelingt, den digitalen Playern mit einem Unternehmenssplitting auch am Kapitalmarkt Konkurrenz zu machen. Dazu müssen sie ihr traditionelles Geschäft konsequent vom Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen trennen. Neben überzeugenden Geschäftsmodellen ist auch eine neue Generation von Managern nötig. Mit dem Eintritt der chinesischen Hersteller in den Wettbewerb werden die Margen im Autogeschäft weiter sinken. Daher wird es in der Zukunft zu einer großen Konsolidierungswelle kommen. Wer am klassischen Autogeschäft festhält und nicht eine entsprechende Größe besitzt, wird verschwinden.Lesen Sie auch:
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